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Hinzurechnung bei Reiseunternehmen

Kategoriegrafik

Sachstand

Erhebliche Steuer­belastung für Reise­veranstalter durch Hinzurechnung

Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Übernachtungsleistungen be­schäftigte die Reisebranche schon seit Jahren. Auslöser war eine seit 2012 von den Finanzbehörden1 praktizierte Auslegung des § 8 Nr. 1 GewStG2. Die Folgen für die Reiseveranstalter in Deutschland waren der Politik damals wohl nicht bewusst. So würden nach Auskunft des Deutschen Reise Verbands (DRV) für die Reisebranche rückwirkend den Zeitraum 2008 bis 2014 Steuer­nachzahlungen in Höhe von 1,6 Milliarden € im Raum stehen3.

Das Finanzgericht kam im Besprechungsurteil zum Ergebnis, dass die Hinzu­rechnung grundsätzlich verfassungskonform, jedoch die Ansicht der Finanz­verwaltung in Teilen unrichtig und in anderen Teilen zumindest zweifelhaft ist.

Praxishinweise

Eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchstabe e GewStG erfolgt nur in Höhe von 50 % der Aufwendungen; bei Buchstabe d nur zu 20 %.

Übersteigen die Hinzurechnungen des § 8 Nr. 1 GewStG insg. nicht 100.000 € bleiben diese wegen des Freibetrags unberücksichtigt.

Vom verbleibenden Betrag (nach Freibetrag) werden nur 25 % hinzu­ge­rechnet4.

Bei Personenunternehmen ergibt sich trotz Hinzurechnung wegen der Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG nur eine Steuerbelastung, so­weit der Gewerbesteuerhebesatz 380 % übersteigt, soweit eine Anrech­nung aufgrund der Höhe der Einkünfte und Abzugsbeträge möglich ist. Ansonsten entsteht ein Gewerbesteuerüberhang.

Wegen der Hinzurechnung gibt es Meinungsdifferenzen zwischen dem BMWE5 und BMF.

Offene Fragen, die bei dem vor dem BFH anhängigen Verfahren noch zu klären sind

Das anhängige Verfahren gilt als Musterverfahren für die Reiseveranstalter. Im Streitfall hatte ein Reiseveranstalter

Schiffe gechartert;
ganze Hotels anmietet und selbst betrieben;
für vorübergehende Zeiträume sämtliche Zimmer, Zimmerkontingente oder bestimmte Zimmer einzelner Hotels für die Unterbringung eigener Kunden gebucht.

Das Finanzamt unterwarf nach einer Betriebsprüfung die Entgelte für die Nutzungsüberlassung anteilig der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG.

Praxishinweise

Wegen des vor dem BFH anhängigen Verfahrens6 führt das Zwischenurteil des FG Münster noch nicht zu einer abschließenden Entscheidung der offenen Rechtsfragen. Für andere Reiseveranstalter zeigt jedoch das Zwischenurteil,

  • welche Fälle durch Einspruch und Ruhen des Verfahrens offen zu halten sind,
  • welche Tatbestände strittig sind, so dass dadurch die Höhe der drohenden Steuernach­zahlungen ermittelt werden können;
  • durch welche Vereinbarungen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG verhindert oder zumindest minimiert werden könnten.

Das FG Münster hat durch ein Zwischenurteil entschieden, damit die ggf. noch erforderlichen Ermittlungsarbeiten zur Höhe der Hinzurechnung ab­hängig von der Entscheidung des BFH vorgenommen werden können. Insbesondere die Aufteilung des Entgelts auf die einzelnen Vertrags­be­standteile des Reiseveranstalters hat das FG als problematisch ange­sehen.

Nach Ansicht des FG Münster unterliegen auch kurzfristige Hotel­nutzungen der Hinzu­rechnung

Nach § 8 Nr. 1 Buchstabe d und e GewStG erfolgt eine Hinzurechnung nur von Miet- und Pacht­zinsen, die für die Nutzung von Wirtschaftsgütern des An­lagevermögens gezahlt werden. Fraglich ist, ob die angemieteten Hotelunter­künfte Anlagevermögen im Sinne dieser Vorschrift sein können.

Soweit die Verträge mietvertragliche Bestandteile, namentlich die Überlassung von Hotelzimmern, Sportanlagen, Saunas und Swimmingpools enthalten, würden die genutzten Wirtschaftsgüter nach Ansicht des FG sogenanntes fiktives Anlagevermögen darstellen. Wäre der Reiseveranstalter Eigentümer der angemieteten Wirtschaftsgüter, so befänden sich diese im Anlagever­mögen.

Praxishinweis

Auch nach Verwaltungsauffassung unterbleibt bei Verträgen über kurzfristige Hotelnutzungen aus Vereinfachungsgründen eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchstabe e EStG, soweit die Anmietung nicht zur Geschäftstätigkeit des Betriebs gehört7. Unternehmen, die z. B. für Fortbildungen oder Kunden­besuche Hotelzimmer buchen, sind - anders als die Reiseveranstalter - nicht von der Hinzurechnung betroffen.

Aufwendungen für durch den Reiseveranstalter selbst betriebene Hotels

Die Pacht für ein vom Reiseveranstalter selbst betriebenes Hotel unterliegt grundsätzlich der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG. Ggf. ist eine Auf­teilung in Pachtzahlungen für bewegliche (z. B. Hoteleinrichtung) und unbe­wegliche Wirtschaftsgüter (Grundstück) vorzunehmen.

Werden die Hotels jedoch im Ausland betrieben, scheidet eine Hinzurechnung jedoch aus, wenn insoweit eine feste Geschäftseinrichtung vorliegt. Voraus­setzung hierfür ist, dass der Unternehmer eine gewisse, nicht nur vorüber­gehende Verfügungsmacht über die Einrichtung hat und sie für eine gewisse Dauer zu unternehmerischen Zwecken benutzt. Die Verfügungsmacht kann sich aus der Rechtsstellung (z. B. Eigentum, Gebrauchsrecht) oder aus anderen Umständen ergeben8.

Praxishinweis

Wird das Hotel im Ausland jedoch nicht selbst betrieben, liegt keine feste Geschäftseinrichtung vor. Deshalb ist für solche Pachtaufwendungen nach Ansicht des FG Münster eine Hinzurechnung vorzunehmen - unabhängig davon, ob das Hotel im In- oder Ausland belegen ist.

Schiffscharterverträge unterliegen keiner Hinzurechnung

Insoweit liegt kein Mietvertrag vor, sondern ein Vertragsverhältnis eigener Art, wenn der konkrete Vertrag wesentliche, einem Mietvertrag fremde Elemente enthält. Das gilt insbesondere, wenn der Vertrag die Gestellung der Schiffs­mannschaft dem Vercharterer auferlegt. Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße Nebenleistung zur Raumvermietung des Schiffs, sondern um eine Leistung, die das Wesen des gesamten Vertrags entscheidend beeinflusst9.

Aufteilung der Kosten in ihre Bestandteile

Bei der Buchung von Hotelunterkünften durch den Reiseveranstalter liegt zwischen diesem und dem jeweiligen Hotelbetreiber nach Verwaltungs­auf­fassung10 ein gemischter Vertrag vor. Dabei sollen die zwischen Reisever­anstalter und Hotelbetreiber geschlossenen Verträge - ungeachtet des Um­fangs des Leistungspakets - keine Verträge eigener Art darstellen, weil ihnen weder die Raumüberlassung, noch eine sonstige Leistung das Gepräge gibt. Vielmehr sollen die einzelnen Leistungskomponenten dieser Verträge getrennt zu betrachten sein.

Konsequenzen für die Praxis

Einspruch, RdV und ggf. AdV

Entsprechende Fälle sind bei Reiseveranstaltern offen zu halten, bis der BFH entschieden hat. Ruhen des Verfahrens (RdV) muss die Verwaltung nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO gewähren; gleichfalls auch Aussetzung der Voll­ziehung (AdV).

Gestaltungs­möglichkeiten

Es steht im Ermessen des Reiseveranstalters, ob

er entsprechend der Verwaltungsauffassung die Hinzurechnung erklärt und trotz des zwingend einzulegenden Einspruchs die ggf. höhere Nachzahlung leistet, ohne AdV zu beantragen. Dadurch drohen ihm keine Aussetzungs- oder Nachzahlungszinsen. Im Falle einer Korrektur nach der Entscheidung des BFH erhält er zusätzlich zu seiner Erstattung der anteiligen Gewerbe­steuer Erstattungszinsen nach § 233a AO. Hierzu muss jedoch auch die Höhe der Hinzurechnung ermittelt werden;

er die Höhe der Hinzurechnung zwar ermittelt; für die Zahlung in Höhe der Hinzurechnung AdV beantragt; es drohen dann jedoch Aussetzungszinsen;

er keine Ermittlung der Hinzurechnung vornimmt und das Finanzamt nur auf diese unterlassene Hinzurechnung hinweist; es drohen dann jedoch Nachfragen durch das Finanzamt. Es besteht dann jedoch die Gefahr, dass sich das Finanzamt nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO zur Ermittlung der Hinzu­rechnung direkt an den Vertragspartner wendet oder die Hinzu­rechnung zu Gunsten des Fiskus schätzt.

Praxishinweise

Die nach Ansicht der Verwaltung und des FG vorzunehmende Hinzu­rech­nung erfordert im Regelfall die Kalkulationsunterlagen des Ge­schäfts­partners. Damit kann eine sachgerechte Ermittlung der Hinzurechnung be­reits daran scheitern, wenn der Vertragspartner seine Kalkulations­grund­­lagen nicht offenlegt.

Eine Ermittlung der konkreten Hinzurechnung wäre jedenfalls im Nach­hinein dann überflüssig, wenn der BFH bei Reiseveranstaltern ein Ver­trags­­verhältnis eigener Art ohne Aufteilungsmöglichkeit annehmen würde. Zur Vermeidung eines überflüssigen Aufwands kann eine Schät­zung der Hinzurechnung in Absprache mit dem Finanzamt em­pfehlens­wert sein.

Sollte eine Hinzurechnung in Betracht kommen, stellt sich die Frage, ob durch Ver­trags­gestaltungen möglichst geringe Entgeltsbestandteile für Mieten bzw. Pachten geregelt werden könnten und dafür die nicht der Hin­zu­rechnung unterliegenden Vertragsbestandteile höher gewichtet werden könnten. Zwar ist eine grundsätzliche Freiheit zur Vereinbarung des Ent­gelts zu bejahen. Auch sind die vertraglichen Vereinbarungen grund­sätz­lich für die Aufteilung maßgebend. Dies gilt jedoch nur in den Grenzen des § 42 AO. Die Finanzverwaltung hat hierzu insoweit nur die Möglichkeit, zu über­prüfen, ob die Aufteilung in einer wirtschaftlich plausiblen Band­breite erfolgte11.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]Gleichlautender Ländererlass v. 2.7.2012, BStBl 2012 I S. 654, Rz. 29b.
  2.  ]Vgl. BerP 2014 S. 240, Tz. 2.
  3.  ]https://www.drv.de/pressecenter/presseinformationen/pressemitteilung/detail/zukunft-der-reiseveranstalter-gefaehrdet.html (Stand: 21.10.2016)‎.
  4.  ]Gleichlautender Ländererlass v. 2.7.2012, BStBl 2012 I S. 654, Rz. 44.
  5.  ]BT-Drucksache 18/7261, Stellungnahme zu Frage 7.
  6.  ]Az. des BFH: I R 28/16.
  7.  ]Gleichlautender Ländererlass v. 2.7.2012, BStBl 2012 I S. 654, Rz. 29b.
  8.  ]BFH, Urteil v. 8.3.1988 VIII R 270/81, BFH/NV 1988 S. 735.
  9.  ]BFH, Urteil v. 23.7.1957 I 50/55 U, BStBl 1957 III S. 306.
  10.  ]OFD Niedersachsen, Verfügung v. 11.11.2013 G 1422-169-St 251, juris.
  11.  ]Oellerich, EFG 2016 S. 930, Tz. IV.

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