- Gericht / Az:
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LG Münster, Urteil vom 23.8.2017 110 O 40/16
- Fundstelle:
- juris
- Gesetz:
- § 5 Abs. 1 RDG , § 280 BGB
- Streitfrage:
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Ist der Steuerberater im Rahmen der impliziten Prüfung der Insolvenzreife bei der Abschlusserstellung einer Gesellschaft zur Überprüfung der zivilrechtlichen Wirksamkeit einer Rangrücktrittserklärung verpflichtet?
Prüfung der Unternehmensfortführung durch den Steuerberater und Haftung des Steuerberaters
Die Arbeitsgemeinschaften BerP 9/2015 und BerP 5/2017 setzten sich bereits intensiv mit der Frage nach der Haftung des Steuerberaters bei Eintritt der Insolvenz des Mandanten auseinander. Dabei wurde auch die Erweiterung der Haftung durch das BGH-Urteil vom 26.1.2017 thematisiert, wonach der Steuerberater zur Prüfung verpflichtet ist, „ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen und sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegen stehen können.“ Wird ein Jahresabschluss unter der Annahme der Unternehmensfortführung aufgestellt, stellt dies eine Pflichtverletzung des Steuerberaters dar, sofern diese Annahme nicht (mehr) sachgerecht ist. In diesem Fall haftet der Steuerberater für die aus der Insolvenzverschleppung entstandenen Schäden, wenn die fehlerhafte Bilanzierung die Ursache dafür darstellt, dass ein Insolvenzantrag zu spät gestellt wurde.
Heilung der Über-schuldung durch Rangrücktrittserklärung
Liegen bei der Abschlusserstellung Hinweise für eine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, können Rangrücktrittserklärungen in einigen Fällen ein probates Mittel sein. Hierbei ist jedoch zu äußerster Vorsicht zu raten, da sich diese nicht in allen Fällen zur Heilung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung eignen (siehe hierzu BerP 9/2015).
LG Münster urteilt über die Pflicht des Steuerberaters zur Würdigung einer Rangrücktrittserklärung
Für den Fall, dass sich eine Rangrücktrittsvereinbarung als wirksames Mittel zur Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung darstellt, hat das LG Münster nun in seinem Urteil vom 23.8.2017 entschieden, dass ein Steuerberater bei seiner (impliziten oder expliziten) Prüfung der Insolvenzreife jedoch nicht auch verpflichtet ist, die zivilrechtliche Wirksamkeit dieser Rangrücktrittsvereinbarung zu überprüfen. Im konkreten Fall wurde einem Steuerberater im Rahmen seiner impliziten Prüfung der Insolvenzreife bei der Abschlusserstellung eine Rangrücktrittserklärung vorgelegt, auf deren Basis dann eine insolvenzrechtliche Überschuldung verneint wurde.
Später wurde vom Insolvenzverwalter bestritten, dass die Rangrücktrittserklärung zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden sei. Er hat sich dabei darauf bezogen, dass eine Kündigungsmöglichkeit bestand und dass dies die Erklärung daher nicht geeignet sei, die Überschuldung zu beheben. Auf dieser Basis liege ein Beratungsfehler vor, für den der Steuerberater zu haften habe.
Das LG Münster hat die Klage des Insolvenzverwalters als unbegründet zurück gewiesen und eine Haftung des Steuerberaters abgelehnt. Die Kammer hat dabei darauf hingewiesen, dass es sich bei einer Rangrücktrittserklärung um eine hochkomplexes schuldrechtliches/insolvenzrechtliches Frage handelt, deren Beantwortung Rechtsanwälten vorbehalten ist. Die notwendige Rechtsberatung ist dem Steuerberater nach § 5 RDG untersagt und kann daher auch nicht vom ihm erwartet werden. Bei der Prüfung der Insolvenzreife hat der Steuerberater demnach lediglich die Pflicht, das Vorliegen einer Rangrücktrittserklärung zu überprüfen. Soweit diese nicht offensichtlich unwirksam ist (beispielsweise weil sie nicht unterschrieben ist), kann er auf deren rechtliche Wirksamkeit vertrauen.
Praxishinweis
Rangrücktrittserklärungen können ein probates Mittel zur Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung sein. Der Höhe nach ist jedoch in zahlreichen Fällen höchste Vorsicht geboten (siehe hierzu BerP 9/2015).
In den Fällen in denen sich eine Rangrücktrittsvereinbarung als Mittel zur Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung eignet, darf der Steuerberater grundsätzlich auf deren rechtliche Wirksamkeit vertrauen, sofern diese nicht offensichtlich unwirksam ist.