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Der Anwendungserlass zur Kassennachschau und zu den Einzelaufzeichnungspflichten

Kategoriegrafik
Gesetz:
§ 146b AO
Problemstellung:
Welche Besonderheiten sind bei der Kassennachschau zu be­achten?

Weiteres Prüf­in­strument der Finanz­ver­waltung

Der Gesetzgeber hat mit der Kassennachschau (§ 146b AO) eine neue Prüfungsmöglichkeit für die Finanzverwaltung geschaffen1.

Praxishinweis

Die Möglichkeit einer Kassennachschau besteht bereits seit dem 1.1.2018.

Verwaltung nimmt Stellung zur Kas­sen­nach­schau

Mit Wir­kung zum 29.5.20182 wurde der AEAO um die Regelung zu § 146b AO ergänzt. Nachfolgend werden die Auswirkungen des AEAO für die tägliche Praxis dargestellt sowie Hilfestellungen zum praktischen Umgang mit einer Kassen­nach­schau ge­ge­ben.

Flankierend dazu wurde am 19.6.2018 außerdem der AEAO zu § 146 und damit zur Frage der Einzelaufzeichnungspflicht ebenfalls angepasst, was im Anschluss an das Thema Kassennachschau dargestellt wird.

Zu prüfende Kassensysteme

Weiterer An­wen­dungsbe­reich der zu prü­fen­den Systeme

Der AEAO fasst den Anwendungsbereich der Kassennachschau sehr weit. Der Kassennachschau unterliegen danach elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen, App-Systeme, Waagen mit Re­gistrier­kassenfunktion, Taxameter, Wegstreckenzähler, Geldspielgeräte und offene Laden­kassen3.

Kassensturzfähigkeit

Fehlgeschlagener Kassensturz = schwerer formeller Mangel

Die Kassensturzfähigkeit ist wahrscheinlich der wichtigste Problembereich bei einer Kassennachschau, denn es gilt: Jede Kasse muss stets (wobei stets bedeutet zu Beginn und zum Ende eines Geschäftstages) kassensturzfähig sein. Dies bedeutet, dass Soll- und Ist­bestand der Kasse übereinstimmen müssen. I. d. Regel wird es daher unumgänglich sein, die Kasse mindestens einmal täglich physisch auszuzählen. Lässt sich bei einer Kasse kein Kassensturz durch­führen oder schlägt er fehl, so liegt ein schwerer for­meller Mangel vor4. Schwere formelle Mängel berechtigen dem Grunde nach zu einer Hinzuschätzung, wenn der Prüfer Zweifel an der materiellen Richtigkeit des Ergebnisses wecken kann - was leider die Regel sein dürfte. Besonders dramatisch: Ein fehlgeschlagener Kassensturz wirkt sogar auf vergangene Jahre zurück5.

Durchführung eines Kassensturzes ist eine Ermessens-entscheidung

Der Amtsträger kann zur Prüfung der ordnungsgemäßen Kassen­auf­zeich­nungen im Rahmen der Kassen­nachschau einen sog. Kassen­sturz ver­langen6.

Praxishinweise

Nur dann, wenn der laufende Geschäftsverkehr durch die Maßnahmen des Amtsträgers behindert oder gestört wird, ist u. E. ein Kassensturz un­billig.

Prüfung in Ge­schäfts­zei­ten nicht im­mer zu­läs­sig

Ein praktischer Weg für Mandanten eine sturzfähige Kasse zu haben dürfte folgender sein: Nach Geschäftsschluss wird die Kasse bis auf einen festen Wechselgeldbestand täglich geleert. Der Betrag, der aus der Kasse entnommen wird, wird entweder auf die Bank eingezahlt oder als Pri­vat­entnahme behandelt (und aufgezeichnet). Damit stimmt der Soll- und Istbestand der Kasse überein.

Praktiker Weg: Fester Wechsel­geld­be­stand

Ob ein fehlgeschlagener Kassensturz allein eine pauschale Hinzu­schät­zung in Form eines Unsicherheitszuschlags rechtfertigt, ist u. E. zweifel­haft. Das Schätzungsmittel „Unsicherheitszuschlag“ ist durch die Recht­­spre­chung i. d. R. nur bei besonders schwerwiegenden Verstößen, wie z. B. bei nachgewiesenen, nicht verbuchten Einnahmen oder bei Ver­wendung einer Manipulationssoftware legitimiert7 und zudem nach­rangig gegenüber anderen Schätzungsmethoden8.
Daher sind die Mandanten über die Folgen eines fehl­ge­schla­genen oder nicht durchführbaren Kassensturzes zu infor­mieren. Zur eigenen Ab­siche­rung empfiehlt es sich, hierüber eine Gesprächsnotiz zu fertigen, welche zu den Handakten zu nehmen ist.
Abweichungen des Soll- vom Kassenistbestand (regelmäßige Fehl­be­träge) sind jeweils am Schluss eines Geschäftstages täglich zu proto­kollieren. Dies sollte bei der Kassenprüfung durch Mitarbeiter bestätigt werden9. Bei hohen und regelmäßigen Fehlbeträgen sind Nach­for­schungen anzustellen.

Rechte und Pflichten des Amtsträgers

Unangekündigtes Betretungsrecht der Geschäftsräume

Im Rahmen der Kassennachschau dürfen Amtsträger während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten Geschäftsgrundstücke oder Geschäftsräume von Steuerpflichtigen unangekündigt betreten (§ 146b Abs. 1 Satz 1 AO). Der Anwendungserlass dehnt diese Befugnis auch auf Fahrzeuge aus, die vom Unternehmer beruflich genutzt werden10. Ein Durchsuchungsrecht gewährt die Kassennachschau nicht11. Zu Dokumentationszwecken ist der Amtsträger berechtigt, Unterlagen und Belege zu scannen oder zu fotografieren12.

Praxishinweis

Wohnräume dürfen im Rahmen der Kassennachschau grundsätzlich nicht betreten werden. Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn der Mandant zustimmt oder das Betreten zur Verhinderung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (§ 146b Abs. 1 Satz 3 AO).

Kassennachschau außerhalb der Ge­schäftszeiten?

Nach Auffassung der Verwaltung kann die Kassennachschau auch außerhalb der Geschäftszeiten vorgenommen werden, wenn im Unternehmen noch oder schon gearbeitet wird13.

Praxishinweise

Die Durchführung der Kassennachschau außerhalb der üblichen Ge­schäfts­zeiten ist u. E. äußerst kritisch zu sehen, weil der Gesetzes­wortlaut ein­deutig von den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten spricht (§ 146b Abs. 1 Satz 1 AO).
Eine Nachschau vor Beginn der Geschäftszeiten kann jedoch zweck­dienlich sein, wenn der Unternehmer bereits Vorort ist und hierdurch der reguläre Geschäftsbetrieb - insbesondere durch einen Kassensturz - nicht beeinträchtigt wird.

Mitwirkung Dritter?

Ist der Unternehmer selbst oder sein gesetzlicher Vertreter (§ 34 AO) nicht anwesend, aber Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie über alle wesentlichen Zugriffs- und Benutzungsrechte des Kassensystems des Steuerpflichtigen verfügen, hat der Amtsträger sich gegenüber diesen Per­sonen auszuweisen und sie zur Mitwirkung bei der Kassennachschau auf­zu­for­dern. Diese Personen haben dann die Pflichten des Unternehmers zu er­füllen, soweit sie hierzu rechtlich und tatsächlich in der Lage sind14.

Praxishinweise

Nach dem Gesetzeswortlaut sind lediglich die von der Kassennachschau betroffenen Steuerpflichtigen (= Unternehmer) zur Vorlage von Auf­zeich­nungen oder zur Erteilung von Auskünften verpflichtet (§ 146b Abs. 2 Satz 1 AO). Lediglich für den Fall, dass sich die Unterlagen bei einem Dritten, wie z. B. dem Steuerberater befinden, treffen auch diesen die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§ 147 Abs. 6 Satz 3 AO).
Die weitere Ausdehnung der Pflichten des Unternehmers im Falle seiner Abwesenheit auf Dritte (Angestellte) über den Gesetzeswortlaut hinaus, ist u. E. abzulehnen.
Ferner dürfte es den Ausnahmefall darstellen, dass eine Person, die nicht Betriebsinhaber ist, über „alle“ wesentlichen Zugriffs- und Be­nutzungs­rechte des Kassensystems verfügt.

Rechten und Pflichten des Unternehmers

Aufforderung zur Duldung einer Kassennachschau ist ein Ver­waltungs­akt

Nachdem der Amtsträger sich ausgewiesen hat, ist der Unter­nehmer zur Mitwirkung im Rahmen der Kassennachschau verpflichtet. Die Aufforderung zur Duldung der Kassennachschau ist ein Verwaltungsakt, der formlos er­lassen werden kann (z. B. mündlich mit Vorzeigen des Aus­weises)15.

Der Unternehmer hat auf Verlangen des Amtsträgers für einen vom Amtsträger bestimmten Zeitraum Einsichtnahme in seine (digitalen) Kas­sen­auf­zeich­nungen und -bu­chungen sowie die sonstigen Organi­sa­tions­un­ter­lagen zu ge­währen16. Der Amtsträger kann in diesen Fällen auch schon vor dem 1.1.2020 verlangen, dass die gespeicherten Unterlagen und Auf­zeich­nungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Ver­fügung gestellt wer­den17.

Praxishinweise

Der Anwendungserlass macht keine Angaben zum zeitlichen Korridor für den entsprechende Unterlagen vorgelegt bzw. Auskünfte erteilt werden müssen. In der Literatur wird ein Verprobungszeitraum von nicht mehr als sechs Monaten als angemessen angesehen18.
Insbesondere das Fehlen von Programmierprotokollen stellt einen groben formellen Mangel dar, welcher zur formellen Ordnungswidrigkeit der Buch­führung führt19.
Dies stellt vor allem in Betriebsprüfungen für die Jahre bis einschließlich 2016 einen großen Fallstrick dar, weil viele Kassen die Kassendaten nicht speichern konnten. Somit hätte der Unternehmer die Programmier­proto­kolle ausdrucken und aufbewahren müssen.
Für die Jahre ab 2017 ist die Problematik weitgehend entschärft, weil ohnehin nur noch elektronische Registrierkassen verwendet werden durften und dürfen, welche sämtliche elektronisch erzeugten Daten speichern können. Probleme können sich allerdings dennoch ergeben, wenn die Kasse defekt ist. Deshalb sind regelmäßige Papierausdrucke und/oder Sicherungskopien auf externen unveränderbaren Datenträgern empfehlenswert. 

Übergang zur Außenprüfung

Übergang zur AP möglich ohne vor­herige PA

Sofern ein Anlass (aber auch nur dann) zu Beanstandungen der Kas­sen­aufzeichnungen, -bu­chungen oder nach dem 31.12.2019 der zertifizierten technischen Sicher­heits­ein­richtung besteht, kann der Amtsträger gem. § 146b Abs. 3 AO ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Außenprüfung übergehen. Die Entschei­dung zum Übergang zu einer Außenprüfung ist eine Er­mes­sens­ent­scheidung20.

Dokumentations­unterlagen sind vorzulegen

Anlass zur Beanstandung kann nach Auffassung der Verwaltung bei­spiels­weise auch bestehen, wenn Dokumentationsunterlagen wie die auf­be­wah­rungs­pflichtige Betriebsanleitung oder Protokolle nachträglicher Pro­gramm­änderungen nicht vorgelegt werden können21.

Nach dem Übergang zu einer Außenprüfung gelten die allgemeinen Grund­sätze, was insbesondere bedeutet, dass die Prüfung nun einen größeren Zeitraum umfassen darf und dass der Prüfer nun auch Angaben außer­halb der Kassenbuchführung (z. B. Betriebsausgaben) prüfen darf.

Praxishinweise

Der Übergang ist nach Auffassung der Verwaltung auch möglich, wenn der Unternehmer bei Durchführung der Kassennachschau nicht anwesend ist22.
Das ist u. E. abzulehnen, weil dem Unternehmer dadurch die Möglichkeit genommen wird, sich frühzeitig gegen den Verwaltungsakt zu wehren. Nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer kann der Verwal­tungs­akt zur Einleitung der Außenprüfung nur demjenigen bekannt gegeben werden, dem rechtliches Gehör gewährt werden muss (= Unter­nehmer)23.

Abschlussbemerkung zur Kassennachschau

Hohe Anforde­rungen an die Unternehmen

Die Anforderungen durch die Kassennachschau an die Unternehmen sind nicht unbeachtlich. Insbesondere sollten die Mandanten über die Befugnisse des Amtsträgers aufgeklärt werden. Es ist ratsam, dass sich bargeldintensive Unter­nehmen insofern auf eine eventuelle Kassennachschau vorbereiten, dass die vorlagepflichtigen Unterlagen bereits im Vorfeld eruiert und ge­sammelt abgelegt werden, damit sie im Fall der Fälle schnell auffindbar sind.

Sperrwirkung für Selbstanzeige

Außerdem sei noch darauf hingewiesen, dass es sich bei der Kassen­nach­schau um einen Sperrgrund für die Selsbtanzeige handelt (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe e AO), d. h. wenn der Amtsträger zur Kassennachschau erschienen ist, ist eine Selbstanzeige nicht mehr mit strafbefreiender Wirkung möglich; dies zumindest so lange, bis die Nachschau abgeschlossen ist.

Gegenwärtig un­ge­klärte Aus­wir­kungen

Durch die Rechtsprechung ist bislang jedoch noch nicht geklärt, wie weit der Sperrgrund reicht. Fragestellungen in diesem Zusammenhang sind:

Sind von ihm nur die Bareinnahmen betroffen? U. E. ist dies zu bejahen, denn nur die Bareinnahmen unterliegen der Kassenbuchführung.
Gilt er für sämtliche Steuerarten? U. E. ist dies ebenfalls zu bejahen.
Welcher Zeitraum ist bezüglich der Nachschau gesperrt? Sämtliche Zeit­räume oder nur ein begrenzter Zeitraum von z. B. 6 Monaten? U. E. muss da­von ausgegangen werden, dass die Sperrwirkung sämtliche Zeit­räume um­fasst, zumindest wenn man die Rechtsprechung zur Um­satz­steuer­nach­schau als Vergleich heranzieht.

Verwaltungsauffassung zur Einzelaufzeichnungspflicht

Grundsätze zu den Einzelaufzeichnungen

Zur Kassenbuch­führung gehört Ein­zelaufzeichnung

Nur der ordnungsmäßigen Buchführung kommt Beweiskraft zu (§ 158 AO). Verstöße gegen die Vorschriften können z. B. eine Schätzung nach § 162 AO zur Folge haben. Hierbei sind vor allem auch die sog. Einzelaufzeichnungen (Auf­zeichnung über jeden einzelnen Geschäftsvorfall in den Kassen­auf­zeich­nungen) von Bedeutung.

Praxishinweis

Auch bei § 4 Abs. 3 EStG zu beachten

Eine Pflicht zur Einzelaufzeichnug gilt dem Grunde nach auch bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG24.

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung erfordern grundsätzlich die Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls unmittelbar nach seinem Ab­schluss und in einem Umfang, der einem sachverständigen Dritten in an­ge­mes­sener Zeit eine lückenlose Überprüfung seiner Grundlagen, seines In­halts, seiner Entstehung und Abwicklung und seiner Bedeutung für den Be­trieb er­mög­licht25. Das bedeutet nicht nur die Aufzeichnung der in Geld be­stehen­den Ge­gen­leistung, sondern auch des Inhalts des Geschäfts und des Namens des Ver­trags­part­ners. Dies gilt auch für Bareinnahmen und für Bar­aus­ga­ben26. Die vor­ge­nann­ten Grundsätze gelten für jeden, der eine ge­werb­liche, berufliche oder land- und forstwirtschaftliche, Tätigkeit selbstän­dig ausübt27.

Auch bei offener Ladenkasse

Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem oder eine offene Ladenkasse verwendet. Bei elektronischen Aufzeichnungssystemen wird die Einzelaufzeichnung regelmäßig elektronisch gespeichert. Bei offenen La­den­kassen ist ein formell ordnungsgemäßes Kassenbuch zu führen.

Branchenspezifische Mindestaufzeichnungspflichten und Zumutbar­keits­ge­sichts­punkte sind zu berücksichtigen. Es wird z. B. nicht beanstandet, wenn die Mindestangaben zur Nachvollziehbarkeit des Geschäftsvorfalls ein­zeln auf­ge­zeich­net werden, nicht jedoch die Kundendaten, sofern diese nicht zur Nach­voll­zieh­bar­keit und Nachprüfbarkeit des Geschäftsvorfalls be­nö­tigt wer­den28.

Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht aus Zu­mut­bar­keits­gründen

Nicht immer sind Einzelauf­zeich­nungen er­for­der­lich

Die Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls ist aber dann nicht zu­mut­bar, wenn es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich ist, die einzelnen Geschäftsvorfälle aufzuzeichnen29. Auch die Verwaltung ge­steht dies den Steuerpflichtigen zu30.

Bei elektronischen Kassen regelmäßig Aufzeich­nungs­pflich­ten

Bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung gilt die Einzelaufzeichnungspflicht nach § 146 Abs. 1 Satz 1 AO aus Zumutbarkeitsgründen nicht, wenn kein elektronisches Auf­zeich­nungs­system, sondern eine offene Ladenkasse verwendet wird31. Wird hin­ge­gen ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet, gilt die Ein­zel­auf­zeich­nungs­pflicht nach § 146 Abs. 1 Satz 1 AO unabhängig davon, ob das elektronische Aufzeichnungssystem und die digitalen Aufzeichnungen nach § 146a Abs. 3 AO i. V. mit der KassenSichV mit einer zertifizierten technischen Sicher­heits­einrichtung zu schützen sind32.

Praxishinweise

Es besteht keine gesetzliche Pflicht zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems33

Vielzahl von Per­sonen

Von einem Verkauf von Waren an eine Vielzahl nicht bekannter Personen ist auszugehen, wenn nach der typisierenden Art des Geschäftsbetriebs alltäglich Barverkäufe an namentlich nicht bekannte Kunden getätigt werden34. Dies setzt voraus, dass die Identität der Käufer für die Geschäftsvorfälle regelmäßig nicht von Bedeutung ist35.

Praxishinweis

Damit sind z. B. Lebensmitteleinzelhändler regelmäßig von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung bei offenen Ladenkassen befreit, da aufgrund der Vielzahl von Kunden eine Einzelaufzeichnung unzumutbar wäre.
Verwendet ein Lebensmitteleinzelhändler jedoch freiwillig eine elektro­ni­sche Registrierkasse, werden dadurch Einzelaufzeichnungen automatisch erstellt. Diese sind dann auch vorlage- und auf­be­wahrungs­pflich­tig.
Wann die Grenze der Zumutbarkeit überschritten ist, ist eine schwierige Einzelfallentscheidung. Ist es beispielsweise für einen Friseur zulässig, seine einzelnen Umsätze aufzuzeichnen? Wir meinen ja. Im Zweifel sollte dem Mandant zur Anfertigung von Einzelaufzeichnungen geraten werden. Denn werden fälschlicherweise diese nicht angefertigt und sind diese damit nicht vorlagefähig, liegt ein schwerer formeller Mangel und damit ein hohes Schätzungsrisiko vor.

Im Zweifel: Ein­zel­auf­zeich­nung führen

Nach Auffassung der Finanzverwaltung können jedoch auch Dienst­leistungs­be­triebe aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten von der Ein­zel­auf­zeich­nungs­pflicht befreit sein36.

Was gilt bei Dienst­leistern?


Fußnoten anzeigen


  1.  ]BGBl 2016 I S. 3152, BerP 2016 S. 479 ff; 2017 S. 636 ff.
  2.  ]BMF, Schreiben v. 29.5.2018 IV A 4 - S 0316/13/10005 :054, DStR 2018 S. 1183.
  3.  ]AEAO zu § 146b Nr. 1 Satz 2.
  4.  ]BFH, Urteile v. 20.9.1989 X R 39/87, BStBl 1990 II S. 109; v. 25.3.2015 X R 20/13, BStBl 2015 II S. 743; BFH, Beschluss v. 23.12.2004 III B 14/04, BFH/NV 2005 S. 667.
  5.  ]FG des Saarlandes, Urteil v. 15.7.2003 1 K 174/00, EFG 2003 S. 1437; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil v. 16.12.2013 1 K 1147/12, juris.
  6.  ]AEAO zu § 146b Nr. 1 Satz 4.
  7.  ]BFH, Beschluss v. 1.12.1998 III B 78/97, BFH/NV 1999 S. 741.
  8.  ]BFH, Beschluss v. 23.2.2018, X B 65/17, BFH/NV 2018 S. 517.
  9.  ]B. Neufang/Bohnenberger, StB 2016 S. 266, Tz. VI.6.
  10.  ]AEAO zu § 146b Nr. 3 Satz 2.
  11.  ]AEAO zu § 146b Nr. 3 Satz 5.
  12.  ]AEAO zu § 146b Nr. 6 Satz 1.
  13.  ]AEAO zu § 146b Nr. 3 Satz 7.
  14.  ]AEAO zu § 146b Nr. 4 Satz 2 und 3.
  15.  ]AEAO zu § 146b Nr. 5 Satz 1.
  16.  ]AEAO zu § 146b Nr. 5 Satz 3.
  17.  ]AEAO zu § 146b Nr. 5 Satz 4.
  18.  ]Bellinger, BBK 2018 S. 280, Tz. III.
  19.  ]BFH, Urteil v. 25.3.2015 X R 20/13 BStBl 2015 II S. 743.
  20.  ]AEAO zu § 146b Nr. 6 Satz 3.
  21.  ]AEAO zu § 146b Nr. 6 Satz 4.
  22.  ]AEAO zu § 146b Nr. 6 Satz 12.
  23.  ]Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Entwurf eines BMF-Schreibens zur gesetzlichen Neuregelung des § 146b AO durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016; Anwendungserlass zu § 146b AO, zu Ziff. 6 Abs. 3.
  24.  ]AEAO zu § 146 Tz. 2.1.1; BFH, Urteil v. 15.4.1999 IV R 68/98, BStBl 1999 II S. 481.
  25.  ]Zu dem erforderlichen Umfang vgl. auch AEAO zu § 146 Tz. 2.1.3.
  26.  ]BFH, Urteil v. 12.5.1966 IV 472/60, BStBl 1966 III S. 371.
  27.  ]BFH, Urteil v. 26.2.2004 XI R 25/02, BStBl 2004 II S. 599.
  28.  ]AEAO zu § 146 Tz. 2.1.5; BMF, Schreibens v. 14.11.2014, BStBl 2014 I S. 1450, Rz. 37.
  29.  ]BFH, Urteil v. 12.5.1966 IV 472/60, BStBl 1966 III S. 371.
  30.  ]AEAO zu § 146 Tz. 2.2.1.
  31.  ]§ 146 Abs. 1 Satz 3 und 4 AO, vgl. AEAO zu § 146 Tz. 2.1.4.
  32.  ]AEAO zu § 146 Tz. 2.2.2.
  33.  ]AEAO zu § 146 Tz. 3.1.
  34.  ]BFH, Urteile v. 12.5.1966 IV 472/60, BStBl 1966 III S. 371; v. 16.12.2014 X R 29/13, BFH/NV 2015 S. 790.
  35.  ]AEAO zu § 146 Tz. 2.2.5.
  36.  ]AEAO zu § 146 Tz. 2.2.6.

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