- Gericht / Az:
-
EuGH, Urteil vom 28.6.2018 - C 203/16 P
- Fundstelle:
-
juris
- Gesetz:
- § 8c Abs. 1a KStG
- Streitfrage:
-
Verstößt die Sanierungsklausel zur Rettung von Verlustvorträgen nach einer Anteilsübertragung im Sinne des § 8c Abs. 1 KStG gegen europäisches Beihilferecht?
Untergang des Verlustabzugs nach § 8c Abs. 1 KStG
Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 %, aber höchstens 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, der Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft übertragen, so verfallen nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG ungenutzte Verluste anteilig in Höhe des prozentualen Beteiligungswechsels. Ungenutzte Verluste sind nach § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG nicht mehr abziehbar, wenn mehr als 50 % auf einen Erwerber übertragen werden.
Rettung der Verlustabzüge durch die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG
Im Juni 2009 wurde mit dem Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG eingefügt. Nach dieser neuen Bestimmung darf eine Körperschaft auch im Fall eines schädlichen Beteiligungserwerbs im Sinne von § 8c Abs. 1 KStG rückwirkend ab dem 1.1.2008 unter folgenden Voraussetzungen einen Verlustvortrag vornehmen:
EU-Kommission beurteilt § 8c Abs. 1a KStG als unzulässige Beihilfe
Die EU-Kommission1 hat die Sanierungsklausel in 2011 als eine rechtswidrige Beihilfe angesehen und forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, alle gewährten Beihilfen von den Begünstigten zurückzufordern.
Dagegen hält der EuGH die sog. „Sanierungsklausel“ des § 8c Abs. 1a KStG aufrecht und „kassiert“ das entgegenstehende Urteil des EuGH und den damaligen Nichtigkeitsbeschluss der EU-Kommission. Damit können Anteilsübertragungen an potentielle Investoren im Rahmen einer qualifizierten Unternehmenssanierung wieder unter Nutzung der aufgelaufenen Verlustvorträge erfolgen.
Praxishinweis
Nach unserer Auffassung ist § 8c Abs. 1a KStG ab sofort - und auch rückwirkend - auf Anteilsübertragungen in Sanierungssituationen anwendbar. Die Anwendung der Sanierungsklausel wurde zwar durch § 34 Abs. 6 Satz 2 KStG suspendiert. Die Reglung des § 8c Abs. 1a KStG ist gemäß § 34 Abs. 6 Satz 3 KStG nach Veröffentlichung des Urteils des EuGH im BGBl jedoch wieder anzuwenden - nach § 34 Abs. 6 Satz 4 KStG auch auf noch nicht bestandskräftige Steuerbescheide. Dass der Gesetzgeber und die Verwaltung die Sanierungsklausel anwenden wollen, zeigt das (aus formellen Gründen gescheiterte) selbst geführte Verfahren.
Dieses Urteil könnte u. E. für eine Beschleunigung im Genehmigungsverfahren der EU-Kommission zu § 3a EStG („Sanierungserlass in Gesetzesform“) sorgen4; denn § 3a EStG beruht auf demselben „Regel-Ausnahme“-Prinzip wie § 8c Abs. 1a KStG.