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BMF übernimmt Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft

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Mit diversen Urteilen1 haben sich der BFH und der EuGH zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft sowie zum Umfang des Vorsteuerabzugs beim Erwerb sowie im Zusammenhang mit dem Halten von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen geäußert. Das BMF hat mit einem aktuellen Schreiben den UStAE angepasst2. Die wichtigsten Eckpunkte sind nachfolgend dargestellt.

Nachfolgende Änderungen sind mit sofortiger Wirkung anzuwenden.

Außerdem spezifiziert die Finanzverwaltung, dass das Erwerben, Halten und Veräußern einer gesellschaftlichen Beteiligung nur dann eine unternehmerische Tätigkeit darstellt, wenn bei­spielsweise abgesehen von der Ausübung der Rechte als Gesellschafter oder Aktionär, unmittelbar in die Verwaltung der Gesellschaften, an denen die Beteiligung besteht, eingegriffen wird3; bislang genügte hier nach der Formulierung des UStAE die passive Ein­griffs­möglichkeit4. Die Eingriffe müssen dabei zwingend durch unternehmerische Leistungen er­folgen. Hierbei kann es sich z. B. um administrative, finanzielle, kaufmännische oder technische Dienst­leis­tungen an die jeweilige Beteiligungsgesellschaft handeln5.

Auch zum Thema Organschaft bei Insolvenzeröffnung übernimmt die Verwaltung die BFH-Rechtsprechung6, dass mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft die Organschaft endet7.

Zur Thematik des Vorsteuerabzug aus Leistungen im Zusammenhang mit dem Einwerben von Kapital zur Anschaffung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung stellt die Finanzverwaltung klar, dass der Vorsteuerabzug für den Unternehmer (insbesondere für eine Holding) nicht besteht, soweit das eingeworbene Kapital in keinem Verhältnis zu der im unternehmerischen Bereich gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung steht, oder wenn die Umsätze, die dieses Recht begründen sollen, eine missbräuchliche Praxis darstellen8.

Folgende Änderungen sind auf nach dem 31.12.2018 ausgeführte Umsätze anzuwenden. Eine frühere Anwendung wird nicht beanstandet, wenn sich die am Organkreis Beteiligten bei der Beur­teilung des Umfangs der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft übereinstimmend auf die ent­spre­chenden Regelungen dieses Schreibens berufen. Eine lediglich umsatzbezogene Berufung ist nicht möglich. Ein Berufungsrecht besteht nur, soweit sämtliche betroffenen Steuerfest­setzungen der Beteiligten noch änderbar sind.

1. Eine Personengesellschaft kann ausnahmsweise Organgesellschaft sein9. Hierbei ist vor allem der Tatbestand der finanziellen Eingliederung prüfungs­würdig. Denn hier ist - so die Verwaltung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des V. Senates - Voraussetzung, dass Gesell­schafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Ein­stimmigkeitsprinzips gewährleistet ist10. Dabei sind mittelbare Beteiligungen ausreichend.

Beispiel 1
Gesellschafter einer GmbH & Co. KG sind die Komplementär-GmbH und eine weitere GmbH als Kommanditistin. Die A-AG hält an beiden GmbHs jeweils einen Anteil von mehr als 50 %.

Lösung
Alle Gesellschafter der GmbH & Co. KG sind finanziell in das Unternehmen der A-AG eingegliedert. Damit ist auch die GmbH & Co. KG in das Unternehmen der A-AG finanziell eingegliedert.

Beispiel 2
Gesellschafter einer GmbH & Co. KG sind die Komplementär-GmbH K1 sowie die GmbH K2 und eine weitere Person P (Beteiligungsquote 0,1 %) als Kommanditisten. Die A-AG hält an K1 und K2 jeweils einen Anteil von mehr als 50 %. An P ist die A-AG nicht beteiligt.

Lösung
Da nicht alle Gesellschafter der GmbH & Co. KG finanziell in das Unternehmen der A-AG einge­gliedert sind, ist auch die GmbH & Co. KG nicht finanziell in das Unternehmen der A-AG einge­gliedert.

2. Neuerungen zur finanziellen Eingliederung11:

Hinsichtlich der finanziellen Eingliederung stellt die Finanzverwaltung im Sinne der Rechts­klar­heit klar, dass Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung sind. Stimmbindungs­vereinbarungen und Stimmrechtsvollmachten können bei der Prüfung der finanziellen Ein­gliede­rung nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten („Geschäftsanteil mit Mehr­stimm­recht“) ergeben12.

3. Bei der organisatorischen Eingliederung korrigiert die Finanzverwaltung ihre Sicht dahingehend, dass es nicht alleine ausreichend sei, eine abweichende Willensbildung zu verhindern; statt­dessen muss es dem Organträger möglich sein, seinen Willen aktiv durchzusetzen13. Nicht aus­reichend ist, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist14.

Auf das BMF-Schreiben wird voraussichtlich im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Beratungspraxis 11/2017 näher eingegangen.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]EuGH, Urteile v. 16.7.2015 C-108/14 (Larentia + Minerva) und C-109/14 (Marenave), DStR 2015 S. 1673; BFH, Urteile v. 8.8.2013 V R 18/13, BFH/NV 2013 S. 1747; v. 2.12.2015 V R 25/13, BFH/NV 2016 S. 500; V R 15/14, BFH/NV 2016 S. 506; V R 67/14, BFH/NV 2016 S. 511; v. 3.12.2015 V R 36/13, BFH/NV 2016 S. 514; v. 19.1.2016 XI R 38/12, BFH/NV 2016 S. 706; v. 6.4.2016 V R 6/14, BFH/NV 2016 S. 1236; v. 1.6.2016 XI R 17/11, BFH/NV 2016 S. 1410; v. 10.8.2016 XI R 41/14, BFH/NV 2017 S. 238; v. 24.8.2016 V R 36/15, BFH/NV 2017 S. 242; v. 12.10.2016 XI R 30/14, BFH/NV 2017 S. 405 und v. 15.12.2016 V R 14/16, BFH/NV 2017 S. 709.
  2.  ]BMF, Schreiben v. 26.5.2017 III C 2 - S 7105/15/10002, juris.
  3.  ]EuGH, Urteil v. 20.6.1991 C-60/90 (Polysar InvestmentsNetherlands), juris.
  4.  ]Geänderte Fassung des Abschn. 2.3 Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 UStAE.
  5.  ]EuGH, Urteile v. 27.9.2001 C-16/00 (Cibo Participations), DStR 2001 S. 1795; v. 12.7.2001 C-102/00 (Welthgrove), DStRE 2001 S. 1180 und v. 16.7.2015 C-108/14 (Larentia + Minerva) und C-109/14 (Marenave), DStR 2015 S. 1673.
  6.  ]BFH, Urteil v. 15.12.2016 V R 14/16, BFH/NV 2017 S. 709.
  7.  ]Abschn. 2.8 Abs. 12 UStAE.
  8.  ]BFH, Urteile v. 6.4.2016 V R 6/14, BFH/NV 2016 S. 1236 und v. 1.6.2016 XI R 17/11, BFH/NV 2016 S. 1410.
  9.  ]Abschn. 2.8 Abs. 2 Satz 5 UStAE.
  10.  ]BFH, Urteile v. 2.12.2015 V R 25/13, BFH/NV 2016 S. 500 und v. 3.12.2015 V R 36/13, BFH/NV 2016 S. 514.
  11.  ]Abschn. 2.8 Abs. 5 Satz 3 ff. UStAE.
  12.  ]BFH, Urteil v. 2.12.2015 V R 25/13, BFH/NV 2016 S. 500.
  13.  ]Abschn. 2.8 Abs. 7 Satz 3 UStAE.
  14.  ]BFH, Urteile v. 8.8.2013 V R 18/13, BFH/NV 2013 S. 1747 und v. 2.12.2015 V R 15/14, BFH/NV 2016 S. 506.

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