Arbeitsvertragliche Zuordnung ist maßgeblich
Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 EStG erfolgt vorrangig anhand der arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen durch den Arbeitgeber1. Sind solche nicht vorhanden oder sind die getroffenen Festlegungen nicht eindeutig, sind die zeitlichen Kriterien nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG heranzuziehen.
Dauerhafte Zuordnung
Zuordnung „bis auf Weiteres“ ist keine erste Tätigkeitsstätte
Nach Ansicht des FG Niedersachsen4 ist die Zuweisung des Leiharbeitgebers „bis auf Weiteres“ in einer betrieblichen Einrichtung des Entleihers tätig zu sein, nicht unbefristet und dauerhaft i. S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG. Damit liegt keine erste Tätigkeitsstätte vor, weil nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nur eine vorrübergehende Arbeitnehmerüberlassung zulässig ist5.
Rechtsfolge: Reisekosten
Damit gilt die Entfernungspauschale nicht und es liegen Reisekosten vor.
Praxishinweise
Damit widerspricht das FG der Verwaltungsauffassung, wonach eine Zuordnung eines Leiharbeitnehmers „bis auf Weiteres“ eine dauerhafte Zuordnung ist. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und ist unter dem Az.: VI R 6/17 beim BFH anhängig.
Fehlt es an einer gesetzlich geforderten Dauerhaftigkeit der Zuordnung zu einem Entleihbetrieb i. S. der gesetzlichen Fiktionen des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG, kommt eine Einordnung als erste Tätigkeitsstätte auch bei Erfüllen der quantitativen Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG nicht in Betracht. Auch hierfür ist eine dauerhafte Tätigkeit Voraussetzung.
Eine Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses ist bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen nur ausnahmsweise für den Fall denkbar, dass die Zuordnung für die gesamte Dauer zu einem bestimmten Betrieb des Entleihers bereits bei Beginn des Leiharbeitsverhältnisses bzw. der jeweiligen Verlängerung - für den Leiharbeitnehmer erkennbar - feststeht.
Nicht entschieden wurde, ob eine Umsetzung/Versetzung eines dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmers „bis auf Weiteres“ zu einem anderen Betriebsteil, Werk, Zweigstelle etc. seines Arbeitgebers oder Dritten dazu führt, dass dieser dort unbefristet und damit dauerhaft tätig ist.
Die Frage ist, wie geht man in der Praxis mit dieser Entscheidung um. Die steuerfreie Auszahlung von Reisekosten wird als problematisch angesehen. Die betroffenen Arbeitnehmer sollten auf jeden Fall Reisekosten beantragen und den Fall durch Einspruch offen halten. Der Arbeitgeber kann bei einer positiven Entscheidung ggf. die Pauschalierung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG rückgängig machen, soweit die LSt-Anmeldung noch nicht bestandskräftig ist.
Dauerhafte Zuordnung ab 48 Monaten
Eine dauerhafte Zuordnung wird nach § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG auch angenommen, wenn der Arbeitnehmer über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Kettenabordnung
Zur rechtlichen Beurteilung, ob eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, ist eine Prognoseentscheidung für die Zukunft zu treffen6. Der später tatsächlich verwirklichte Sachverhalt ist für die Beurteilung unmaßgeblich. Dies führt bei einer sog. Kettenabordnung dazu, dass keine dauerhafte Zuordnung gegeben ist, wenn die einzelne Abordnung jeweils einen Zeitraum von weniger als 48 Monaten umfasst7.
Fußnoten anzeigen ↓
- [ ↑ ]BMF, Schreiben v. 24.10.2014 IV C 5 - S 2353/14/10002, BStBl 2014 I S. 1412, Rz. 2.
- [ ↑ ]BMF, Schreiben v. 24.10.2014 IV C 5 - S 2353/14/10002, BStBl 2014 I S. 1412, Rz. 4.
- [ ↑ ]BMF, Schreiben v. 24.10.2014 IV C 5 - S 2353/14/10002, BStBl 2014 I S. 1412, Rz. 13.
- [ ↑ ]Niedersächsisches FG, Urteil v. 30.11.2016 9 K 130/16, EFG 2017 S. 202.
- [ ↑ ]Niedersächsisches FG, Pressemitteilung v. 16.1.2017.
- [ ↑ ]BMF, Schreiben v. 24.10.2014 IV C 5 - S 2353/14/10002, BStBl 2014 I S. 1412, Rz. 14.
- [ ↑ ]BMF, Schreiben v. 24.10.2014 IV C 5 - S 2353/14/10002, BStBl 2014 I S. 1412, Rz. 17-18; Schramm/ Harder-Buschner, NWB 2014 S. 30.