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EuGH-Vorlagen zu Rechnungsanforderungen beim Vorsteuerabzug

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Vorlage an den EuGH

Der BFH hat mit zwei aktuellen Beschlüssen dem EuGH im Wesentlichen die Frage vorgelegt, ob eine Rechnung mit der Adresse eines „Briefkastensitzes“ zum Vorsteuerabzug berechtigt1.

Vollständiger Namen und vollständige Anschrift

Sowohl nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i. V. mit § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG als auch nach Art. 178 i. V. mit Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL ist für den Vorsteuerabzug erforderlich, dass eine Rechnung mit „vollständigem Namen und vollständiger Anschrift“ des leistenden Unternehmers vorliegt. Fraglich in diesem Zusammenhang ist, ob auch eine Adresse, unter der ein Unternehmer nur postalisch erreichbar ist, jedoch unter dieser Adresse keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet (sog. Briefkastensitz), diese Voraussetzung erfüllt. In der Vergangenheit hatte der V. Senat dies verneint und zwingend eine wirtschaftliche Tätigkeit an der in der Rechnung angegebenen Adresse vorausgesetzt2. Dies kann im Hinblick auf eine aktuelle EuGH-Entscheidung bezweifelt werden3.


Wirt­schaft­liche Tätigkeit

Die Frage der wirtschaftlichen Tätigkeit ist in der modernen Geschäftswelt problematisch. Wo entfalten beispielsweise reine Online-Händler ihre wirtschaftliche Aktivität? Da hier eine wirt­schaft­liche Tätigkeit nicht an tatsächliche Örtlichkeiten geknüpft werden kann, muss die Rechnungs­erstellung auch ohne räumlich definierte wirtschaftliche Aktivität möglich sein. Unter diesem Aspekt kann u. E. einem anderen Unternehmer nicht zwingend vorgegeben sein, dass an der angege­benen Adresse auch räumlich die wirtschaftliche Aktivität stattfinden muss.

Da nach § 163 Satz 1 AO Steuern niedriger festgesetzt werden können, wenn die Erhebung der Steuer am konkreten Einzelfall unbillig ist, erscheint es ebenfalls möglich, dass selbst wenn der EuGH es für erforderlich hält, dass die in der Rechnung angegebene Adresse der Standort der wirtschaftlichen Aktivität ist, es im Rahmen der Billigkeit dennoch zu einer Gewährung der Vorsteuer beim Rechnungsempfänger kommt, auch wenn auf der Eingangsrechnung lediglich ein „Briefkastensitz“ angegeben ist. Der XI. Senat stellt in diesem Zusammenhang ebenfalls an den EuGH die Frage, ob es für eine effektive Steuererhebung ausreiche, wenn eine solche Billig­keits­maßnahme gesondert und nicht innerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens besteht.

Praxishinweis

Nach der Auffassung der Verwaltung ist es für eine ordnungsgemäße Rechnung ausreichend, wenn auf der Rechnung lediglich eine Postfach-Adresse oder eine Großkunden-Adresse angegeben wird. Hier kommt es nicht auf die Örtlichkeit wirtschaftlicher Aktivität an4.


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  1.  ]BFH, Beschlüsse v. 6.4.2016 V R 25/15, juris (Az. beim EuGH: C-375/16) und XI R 20/14, juris (Az. beim EuGH: C-374/16).
  2.  ]BFH, Urteil v. 22.7.2015 V R 23/14, BStBl 2015 II S. 914.
  3.  ]EuGH, Urteil v. 22.10.2015 C-277/14, PPUH Stehcemp, DStRE 2016 S. 282.
  4.  ]Abschn. 14.5 Abs. 2 Satz 3 UStAE.

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