Der BFH hat mit dem Urteil vom 23.2.2017[1] einen klassischen Bauträgerfall im Hinblick auf § 27 Abs. 19 UStG wie folgt entschieden: Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Handwerker zwar (zu seinem Nachteil) geändert werden, aber nur dann wenn dem Handwerker ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger (Bauträger) zusteht.
Dem Urteil lag ein klassischer Sachverhalt zu Grunde: Ein Handwerker erbrachte Mauerarbeiten gegenüber einem Bauträger. Hierfür wurde der Bauträger - entsprechend der damaligen Verwaltungsansicht - als Leistungsempfänger in Anspruch genommen (§ 13b UStG). Nach der einengenden BFH-Entscheidung vom 22.8.20131 war der Bauträger jedoch nicht Steuerschuldner, denn er verwendete die eingehende Bauleistung nicht selbst zu einem Bauleistungs-Ausgangsumsatz, wie es die damalige gesetzliche Regelung forderte. Der Bauträger beantragte folglich die Erstattung der von ihm bisher abgeführten § 13b-Umsatzsteuer. Das Finanzamt setzte daraufhin die reguläre Umsatzsteuer gegenüber dem Handwerker fest. Hiergegen wehrte sich der Handwerker und berief sich auf Vertrauensschutz hinsichtlich der von der Finanzverwaltung praktizierten Rechtslage, obgleich § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG den Vertrauensschutz ausdrücklich ausschließt.
Der BFH entschied im Besprechungsurteil, dass die Steuerfestsetzung gegenüber dem Handwerker rechtmäßig ist. Der Vertrauensschutz wird von § 27 Abs. 19 UStG Satz 2 UStG suspendiert.
Die Änderung nach § 27 Abs. 19 UStG setzt allerdings voraus, dass dem Handwerker gegenüber dem Bauträger ein abtretbarer Zahlungsanspruch der - vom Finanzamt an den Bauträger zu erstattenden - Umsatzsteuer zusteht. Besteht dieser Anspruch nicht, kann eine Änderung nach § 27 Abs. 19 UStG nicht erfolgen. Oder vereinfacht ausgedrückt: Die Änderung des § 27 Abs. 19 UStG darf nur erfolgen, wenn dem Handwerker hieraus keine Nachteile entstehen. Nur unter dieser Voraussetzung steht § 27 Abs. 19 UStG mit dem abgabenrechtlichen Vertrauensschutz und den unionsrechtlichen Vorgaben im Einklang.
Der Zahlungsanspruch auf die Umsatzsteuer gegenüber dem Bauträger kann der Handwerker an das Finanzamt nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG abtreten. Die Abtretung wirkt nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG an Zahlung statt. Mit dem Besprechungsurteil wurde ebenfalls entschieden, dass das Finanzamt zur Annahme eines Abtretungsangebots verpflichtet ist. Die Abtretung darf von Seiten des Finanzamtes nicht abgelehnt werden, auch dann nicht, wenn bislang keine berichtigte Rechnung (mit Umsatzsteuer-Ausweis) vom Handwerker an den Bauträger ausgestellt wurde. Schließlich ist die Rechnungserteilung mit Steuerausweis weder Voraussetzung für die Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG noch für die Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG.
Praxishinweis
Das Finanzamt muss bereits im Festsetzungsverfahren (nicht erst bei der Steuererhebung) prüfen, ob ein abtretbarer Anspruch des Handwerkers gegen den Bauträger besteht. Dieses Vorgehen entspricht auch der bisherigen Verwaltungspraxis2. Besteht dieser nicht, darf die Steuerfestsetzung gegenüber dem Handwerker nicht geändert werden; weder nach § 27 Abs. 19 UStG, noch nach § 164 Abs. 2 AO.
Der BFH entschied auch eine weitere Zweifelsfrage: Der zivilrechtliche Umsatzsteuernachforderungsanspruch des Handwerkers gegen den Bauträger ist trotz eines im Bauvertrag vereinbarten Abtretungsverbots an das Finanzamt abtretbar (§ 354a Abs. 1 Satz 1 HGB suspendiert das vertragliche Abtretungsverbot). Damit steht der Abtretung des zivilrechtlichen Anspruchs auf Umsatzsteuer gegenüber dem Bauträger an die Finanzbehörde nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG auch eine anderslautende vertragliche Vereinbarung nicht entgegen.
Damit bleibt es bei dem bereits in der Vergangenheit von uns empfohlenen Vorgehen: Betreuen Sie ein Handwerker-Mandat, dass sich mit der o. g. Bauträger-Problematik und einer Umsatzsteuerforderung des Finanzamtes konfrontiert sieht, sollten Sie die Forderung gegenüber dem Bauträger nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG an das Finanzamt abtreten.
Für die Abtretung der Forderung an das Finanzamt nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG ist keine berichtigte Rechnung zwischen Handwerker und Bauträger erforderlich. Zu beachten ist jedoch, dass die Erfüllungswirkung (Abtretung wirkt an Zahlung statt) nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG jedoch eine Rechnungsstellung voraussetzt. Es wird daher empfohlen, dem Bauträger eine korrigierte Rechnung (mit Umsatzsteuer-Ausweis) zu erteilen.
Sollte der Bauträger einen Vorsteuerabzug begehren, muss hierfür eine Rechnung mit Steuerausweis vorliegen.