Zumutbare Belastung bei den agwB
Bei den allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG ist nur der Teil der Aufwendungen abzugsfähig, der die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG übersteigt. Die zumutbare Belastung wird dabei in drei Stufen nach einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtbetrags der Einkünfte und abhängig von Familienstand und Kinderzahl bemessen.
Verwaltung: Prozentsatz richtet sich nach der höchsten Stufe
Bislang ging die Finanzverwaltung davon aus, dass sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet, sich die zumutbare Belastung insgesamt nach dem höheren Prozentsatz richtet. Dieser Berechnung ist die Rechtsprechung des BFH, ohne sich damit ausdrücklich auseinanderzusetzen, bisher stillschweigend gefolgt.
BFH: Prozentsatz gilt nur für den jeweils übersteigenden Betrag
Der BFH ist der Ansicht1, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den jeweiligen im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird. Der Ansatz einer zumutbaren Belastung ist zwar dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Dies muss jedoch schrittweise in folgerichtig gestalteten Übergängen geschehen.
Die bisherige Auslegung der Vorschrift führt indes in manchen Fällen zu Grenzsteuersätzen, die mit dem Ziel einer Einkommensbesteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zu vereinbaren sind. Denjenigen Steuerpflichtigen, deren Gesamtbetrag der Einkünfte die jeweiligen Grenzen nur geringfügig überschreitet, werden nicht nur die zusätzlich erwirtschafteten Einkünfte in voller Höhe besteuert, ihnen bleibt überdies nach Steuern ein geringeres Einkommen als Steuerpflichtigen mit Einkünften knapp unterhalb des jeweiligen Grenzbetrags. Einen Härteausgleich, wie beispielsweise in § 19 Abs. 3 ErbStG gibt es nicht.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige A (zusammenveranlagt mit seiner Ehefrau) hat zwei berücksichtigungsfähige Kinder und einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 52.000 €. Er hat außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG (z. B. Krankheitskosten) in Höhe von 4.500 €.
Stellungnahme
Die außergewöhnlichen Belastungen sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie die zumutbare Belastung übersteigen. Die zumutbare Belastung bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 51.835 € beträgt:
bis 15.340 € | 15.340 € x 2 % = | 306,80 € |
bis 51.130 € | (51.130 € ./. 15.340 €) x 3 % = | 1.073,70 € |
bis 51.835 € | (52.000 € ./. 51.130 €) x 4 % = | |
1.415,30 € |
Damit sind die außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 3.084,70 € abzugsfähig. Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung wären nur 2.420,00 € berücksichtigungsfähig.
Praxishinweis
Diese Zahlen zeigen, welche Bedeutung dieses Urteil hat. Steuerpflichtige erreichen dadurch früher die zumutbare Belastung und es sind in der Regel mehr Aufwendungen berücksichtigungsfähig2. Aus diesem Grund, ist in allen noch offenen Fällen die Berechnung der zumutbaren Belastung zu prüfen.
Ob bei den Krankheitskosten eine Kürzung um eine zumutbare Belastung vorzunehmen ist, darüber hat das Bundesverfassungsgericht in einer Verfassungsbeschwerde zu entscheiden. Das Az. hierzu lautet 2 BvR 180/16.
Sonderausgaben führen nicht zu Minderung der Bemessungsgrundlage
Außerdem bestätigte der BFH, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung ist und somit Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung nicht zu einer Kürzung der Bemessungsgrundlage führen. Die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an den Gesamtbetrag der Einkünfte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.