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§ 8 Abs. 2 GrEStG ist verfassungswidrig

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§ 8 Abs. 2 GrEStG ist verfassungswidrig

Das BVerfG hat mit dem Beschluss vom 23.6.2015 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11 die vorstehende Vorschrift für verfassungswidrig erklärt.

Die Steuer berechnet sich aus dem Wert nach § 138 Abs. 2 bis 4 BewG, wenn kein Verkauf erfolgt. Dies ist insb. bei Anteilserwerben von mind. 95 % sowie bei Umwandlungen der Fall.

Damit gibt es drei Werte, nämlich

die Einheitswerte auf der Wertbasis 1964, die für die Grundsteuer gelten (in den neuen Bundesländern teilweise die Werte auf der Wertbasis 1935),

Einheitswerte

die Werte nach § 138 ff. BewG, welche die Ersatzbemessungsgrundlage für die Grunder­werbsteuer darstellen sowie

die Bedarfswerte nach § 157 ff. BewG, die seit 2009 bei der Schenkung- und Erbschaftsteuer anzuwenden sind.

Erheblichen Wertabweichung zu Verkaufsfällen

Aufgrund der im Regelfall erheblichen Wertabweichung zu Verkaufsfällen ist der Rückgriff auf die Werte nach § 138 ff. BewG verfassungswidrig.

Folgerungen

Dies war zu erwarten, aber die vom BVerfG gezogenen Folgerungen nicht. Dies sind Folgende:

§ 8 Abs. 2 GrEStG ist für Tatbestände bis 31.12.2008 anzuwenden.

Ab 2009 (Geltungsbereich der Bedarfswerte nach § 157 ff. BewG) ist § 8 Abs. 2 GrEStG nicht mehr anwendbar.

Der Gesetzgeber ist bis zum 30.6.2016 verpflichtet, rückwirkend eine Neuregelung zum 1.1.2009 zu treffen.

Rückwirkung ist problematisch

Diese Rückwirkung ist problematisch. Eindeutig ist, bestandskräftige Bescheide sind nicht mehr änderbar (§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Soweit Bescheide nun erstmals Ergehen ist ein Ver­trauensschutz nicht mehr gegeben.

Zusätzlich ergeben sich folgende Problemstellungen:

Vorläufige Bescheide und Änderbarkeit: Der Vertrauensschutz des § 176 AO verhindert auch eine Änderung gem. § 165 Abs. 2 AO zu Ungunsten des Steuerpflichtigen1.

Streitige Bescheide und Verböserung: In Fällen, in denen ein Bescheid außergerichtlich mit Einspruch angefochten wurde, findet die Vorschrift des § 176 AO keine Anwendung. Wenn noch keine Unanfechtbarkeit eingetreten ist, könnte es daher zu einer Verböserung kommen. Diese könnte der Steuerpflichtige allerdings mit der Rücknahme des Einspruchs verhindern.

Praxishinweis

Die GrESt ist in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht als Anschaffungskosten zu behandeln, sondern stellt Aufwand dar2.
Die Bemessungsgrundlage zur Grundsteuer dürfte gleichfalls verfassungswidrig sein3.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]Vgl. AEAO zu § 176 Rz. 1.
  2.  ]BFH, Urteil v. 2.9.2014 IX R 50/13, BStBl 2015 II S. 260; vgl. BerP 2015 S. 123.
  3.  ]BFH, Beschluss v. 22.10.2014 II R 16/13, BStBl 2014 II S. 957; vgl. BerP 2015 S. 74.

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