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Übertragung zwischen Schwester-Personengesellschaften: Gesetzgeber muss rückwirkend auf 2001 § 6 Abs. 5 EStG anpassen

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
BVerfG, Beschluss vom 28.11.2023 2 BvL 8/13
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG
Streitfrage:
Können Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwester-Ge­sell­schaften zum Buchwert erfolgen?

Rechtsfrage ein Jahrzehnt ungeklärt

Mitte Januar veröffentlichte das BVerfG eine Entscheidung zu einer seit über zehn Jahren in Karlsruhe anhängigen Rechtsfrage: Sind Übertragungen zwischen den steuerlichen Ge­samt­hands­vermögen1 zweier beteiligungsidentischen Schwester-Gesellschaften zum Buch­wert möglich?

Fallgruppen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG

Die Übertragung einzelner betrieblicher Wirtschaftsgüter ist u. a. in § 6 Abs. 5 EStG geregelt. Sofern ein Rechtsträgerwechsel erfolgt, sieht § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in seinen drei Nummern vier mögliche Buchwert-Übertragungsmöglichkeiten vor, nämlich

die Übertragung zwischen dem (Einzel-)Betriebsvermögen eines Mitunternehmers und dem Gesamthandsvermögen, an dem der Mitunternehmer beteiligt ist;
die Übertragung zwischen dem Sonder-Betriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist;
die Übertragung zwischen dem Sonder-Betriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist sowie
die Übertragungen zwischen den jeweiligen Sonder-Betriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft.

Praxishinweise

Erfasst sind grundsätzlich nur unentgeltliche Übertragungen, also Verbuchungen gegen ein Kapitalkonto, auf welchem Entnahmen/Einlagen gebucht werden (i. d. Regel Kapital II).

Übertragungen gegen Kapital I und/oder Kapital II

In den Fällen a bis c ist auch die Übertragung gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschafterrechten (damit entgeltlich und Verbuchung gegen Kapital I) zum Buch­wert möglich.
Andere entgeltliche Übertragungen sind nicht zum Buchwert möglich. So führt z. B. die Übertragung eines Wirtschaftsguts inkl. Übernahme von Verbindlichkeiten zu einem (ggf. Teil-)Entgelt2 und damit zu einer Realisation stiller Reserven.

Andere Entgelte nicht zum Buchwert

Bei einem teilentgeltlichen Vorgang wendet die Verwaltung die sog. Trennungstheorie an, was jedoch strittig ist; ggf. könnte auch die sog. Einheitstheorie anzuwenden sein3. Die Rechtsfrage ist insoweit ungeklärt.

Teilentgelte sind Trennungstheorie

Gesamthand in Gesamt­hand nicht nach § 6 Abs. 5 EStG möglich

Bei Betrachtung der vorstehenden Aufzählung fällt auf, dass eine bestimmte Übertragung nicht von § 6 Abs. 5 EStG erfasst ist: Die Übertragung zwischen verschiedenen Ge­samt­hands­vermögen. Das BMF sieht diese explizit nicht von § 6 Abs. 5 EStG umfasst4.

Ausweg­gestaltungen

Um eine solche Übertragung bisher zum Buchwert zu ermöglichen, mussten Aus­weg­gestaltungen gewählt werden. Unter anderem war möglich:

Verkauf unter Nutzung von § 6b EStG und Übertragung der Rücklage5; dies war jedoch nur bei entsprechenden Wirtschaftsgütern möglich.
Kettenübertragungen von der Gesamthand 1 ins Sonder-Betriebsvermögen der Ge­sell­schaf­ter und dann Übertragung von dort in Gesamthand 2. Nachteilig hierbei sind (a) höhere Formkosten und (b) insolvenzrechtliche Rückübertragungsrisiken bei uner­war­te­tem Eintritt einer Insolvenz. Außerdem sah die Finanzverwaltung diese sog. Kettenübertragungen als schäd­liche Gesamtpläne an6; daher war hier immer ein ausreichend langer zeit­licher Vorlauf nötig.
Auch die Bildung von sog. Doppelstock-Gesellschaften ermöglichte Buchwertübertagungen, veränderte jedoch die Gesellschaftsstruktur nachhaltig.

Neue Entscheidung des BVerfG

All diese Alternativ- bzw. Ausweich-Gestaltungen werden künftig nicht mehr notwendig sein. Hintergrund ist der aktuelle Beschluss des BVerfG, der in 199 Randziffern umfassend das Problem beleuchtet. Demnach gilt stark verkürzt Folgendes:

§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ist mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, soweit danach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen betei­li­gungs­iden­tischen Personengesellschaften zum Buchwert ausgeschlossen ist. Der Gleich­heits­grund­satz gebietet, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. Bei vergleichbaren Vorgängen darf nur dann eine abweichende Rechtsfolge gezogen werden, wenn hierfür nachvollziehbare Gründe vorliegen. Es ist kein Grund erkennbar, warum die Übertragung Gesamthand in Gesamthand im Gegensatz zu allen anderen Übertragungen in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG nicht zum Buchwert vorgenommen werden sollte.

Gesamthand in Gesamthand ist zum Buchwert möglich

Der Gesetzgeber wird nun verpflichtet, rückwirkend (!) für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 (!) eine Neuregelung zu treffen.

Rückwirkung bis in 2001

§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG bleibt bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung mit der Maßgabe anwendbar, dass die Vorschrift mit Wirkung für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 auch gilt, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich aus dem Gesamt­hands­ver­mögen einer Mitunternehmerschaft in das Ge­samt­hands­ver­mö­gen einer beteili­gungs­iden­tischen Personengesellschaft übertragen wird.

Praxishinweise

Die Neuregelung sollte vor künftigen Gestaltungen dennoch abgewartet werden.
Für vergangene Vorgänge, die verfahrensrechtlich noch änderbar sind, sind nach dem Beschluss des BVerfG nun rückwirkend Buchwertübertragungen möglich.
Der Beschluss beschränkt sich auf beteiligungsidentische Personengesellschaften. Dies setzt auch nicht nur eine personelle, sondern auch eine nominelle Identität voraus (keine abweichenden Beteiligungshöhen). Damit entstehen keine Schen­kung­steuer-Proble­matiken. U. E. ist zu vermuten, dass künftig auch bei zwar personell iden­tischen, aber nominellen Unterschieden Buchwertübertragungen - wenn auch evtl. eingeschränkt - ermöglicht werden.
An der Problematik Teilentgeltlichkeit bei Mitnahme von Verbindlichkeiten ändert der Beschluss u. E. nichts.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]Durch Artikel 23 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes (BGBl 2023 I Nr. 411) wird der Begriff der Gesamthand für steuerliche Zwecke losgelöst von den Neuerungen durch das MoPeG auch ab 1.1.2024 fortgeführt. Mit dem o. g. Gesetz wurde § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO entsprechend angepasst.
  2.  ]BMF, Schreiben v. 8.12.2011 IV C 6-S 2241/10/10002, BStBl 2011 I S. 1279, Rz. 12.
  3.  ]BMF, Schreiben v. 8.12.2011 IV C 6-S 2241/10/10002, BStBl 2011 I S. 1279, Rz. 15.
  4.  ]BMF, Schreiben v. 8.12.2011 IV C 6-S 2241/10/10002, BStBl 2011 I S. 1279, Rz. 18.
  5.  ]BMF, Schreiben v. 8.12.2011 IV C 6-S 2241/10/10002, BStBl 2011 I S. 1279, Rz. 20.
  6.  ]BMF, Schreiben v. 8.12.2011 IV C 6-S 2241/10/10002, BStBl 2011 I S. 1279, Rz. 19; davon abgerückt in BMF, Schreiben v. 20.11.2019 IV C 6-S 2241/15/10003, BStBl 2019 I S. 1291, Rz. 40; dafür im zuletzt genannten BMF-Schreiben jedoch mit Hinweis darauf, dass § 42 AO zu prüfen sei.