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Neues BMF-Schreiben zur Steuerbefreiung bei den Photovoltaikanlagen (§ 3 Nr. 72 EStG)

Kategoriegrafik
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 3 Nr. 72 EStG
Problemstellung:
Darstellung der Regelungen des neuen BMF-Schreibens zur Steuer­be­frei­ung bei den Photovoltaikanlagen.

§ 3 Nr. 72 EStG gilt ab VZ 2022

Durch das Jahressteuergesetz 2022 wurde rückwirkend die ertragsteuerliche Steuerbe­freiung für bestimmte Pho­to­vol­taik­an­la­gen (§ 3 Nr. 72 EStG) mit Wirkung zum 1.1.2022 ein­ge­führt. Am 17.7.20231 wur­de das lange erwartete BMF-Schreiben ver­öffentlicht. Nachfolgend stellen wir einige Re­ge­lungen des neuen Schreibens dar.

Eine ausführliche Besprechung des neuen Schreibens erfolgt in unseren Ar­beits­ge­meinschafften Beratungspraxis 9/2023 und Immer aktuell V/2023 im September.

Eine Darstellung erfolgt auch bei unserem Seminar Veranlagung 2023 Rechtsänderungen 2023/2024. Das Seminar findet an folgenden Terminen statt:

am 29.01.2024 in Balingen,
am 30.01.2024 in Hockenheim,
am 05.02.2024 in Freiburg,
am 06.02.2024 in Leonberg und
am 07.02.2024 online.

Grundsätze der Steuerbefreiung

Fallgruppen des § 3 Nr. 72 EStG

Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG für Photovoltaikanlagen erfasst fol­gen­de beiden Fall­gruppen:

Praxishinweis

Aus dem Zusammenspiel von Buchstabe a und b folgt, dass Anlagen auf/an/in einem Ge­bäu­de mit maximal 30 kW (peak) immer unter die Steuerbefreiung fallen.

Das neue BMF-Schreiben trifft Aussagen zum persönlichen und sachlichen An­wen­dungsbereich der Vorschrift und nennt als Beispiel zur Berechnung der Leistungsgrenzen beispielsweise folgendes:

Auswirkungen auf den In­ves­ti­tions­ab­zugs­be­trag (§ 7g EStG)

Auslegung bei IAB sehr zu Ungunsten der Steuerpflichtigen

Seit Einführung der Vorschrift des § 3 Nr. 72 EStG waren die Auswirkungen auf den In­ves­ti­tions­ab­zugs­be­trag nach § 7g EStG unklar. Im aktuellen BMF-Schreiben äußert sich die Ver­waltung erstmals bezüglich der Aus­wirkun­gen. Die aufgestellten Grundsätze sind aber sehr zu Ungunsten der Steuerpflich­ti­gen. Die Verwaltung unterscheidet zwei Fall­grup­pen:

Inanspruchnahme/Bildung in Wirtschaftsjahren ab 2022,
Inanspruchnahme/Bildung in Wirtschaftsjahren bis 2021, aber noch keine ge­winn­wirk­same Hinzurechnung.

Inanspruchnahme in Wirtschaftsjahren ab 2022

Kein IAB bei Anlagen nach § 3 Nr. 72 EStG ab 2022

In nach dem 31.12.2021 endenden Wirtschaftsjahren scheidet bei An­lagen, die unter den § 3 Nr. 72 EStG fallen, die Inanspruch­nah­me eines In­ves­ti­tions­ab­zugs­be­trag aus2.

Praxishinweise

Diese Fallgruppe ist klar, weil sämtliche Aufwendungen aufgrund des § 3c Abs. 1 EStG nicht abzugsfähig sind und kein Gewinn zu ermitteln ist (§ 3 Nr. 72 Satz 2 EStG).
Damit ist ab dem Jahr 2022 auch keine Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG mehr möglich. Dies gilt auch für Pho­to­vol­taik­an­la­gen die vor 2022 in Be­trieb genommen und bei denen bisher die Sonder­ab­schreibung nicht oder nicht in voller Hö­he in Anspruch genommen wurde.
Soweit die Photovoltaikanlage Betriebsvermögen eines Betriebes ist, dessen Zweck nicht nur die Erzeugung von Strom aus Pho­to­vol­taik­an­la­gen ist, sind die Regelungen zu den In­ves­ti­tions­ab­zugs­be­trägen nach § 7g EStG weiterhin anzuwenden3.

IAB weiterhin möglich, wenn nicht nur PV-Anlage

Inanspruchnahme in Wirtschaftsjahren bis 2021

Übertragung eines IAB bei Anlagen nach § 3 Nr. 72 EStG ab 2022

In­ves­ti­tions­ab­zugs­be­träge, die in vor dem 1.1.2022 endenden Wirt­schafts­jah­ren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31.12.2021 noch nicht ge­winn­wirksam hinzu­ge­rechnet wurden, sind nach der Verwal­tungs­mei­nung nach § 7g Abs. 3 EStG rück­gän­gig zu machen, wenn in eine Pho­to­vol­taik­an­la­gen investiert wurde, die unter § 3 Nr. 72 EStG fällt4. U. E. gilt dies nur dann, wenn die Photovoltaikanlage ausschließlich unter § 3 Nr. 72 EStG fällt.  

Die Verwaltung begründet ihre Auffassung damit, dass die Inanspruchnahme von In­ves­ti­tions­ab­zugs­be­trägen eine betriebliche Tätigkeit mit Ge­winn­er­zie­lungs­absicht und damit mit prognostiziertem Totalgewinn voraussetzt.

Diese Sichtweise der Verwaltung ist in bestimmten Fällen äußerst nachteilig, wie der nachfolgende Sachverhalt zeigt:

Sachverhalt

A bildete 2020 einen In­ves­ti­tions­ab­zugs­be­trag, weil er im Jahr 2022 eine Pho­to­vol­taik­an­la­ge anschaffen wollte. Die Steuer­er­stat­tung aufgrund des In­ves­ti­tions­ab­zugs­be­trag hat er in seine Finanzie­rung einbezogen. Im Jahr 2022 erfolgt die An­schaf­fung und Installation der Pho­to­vol­taik­an­la­ge. Die Anlage fällt vollständig unter § 3 Nr. 72 EStG.

Stellungnahme

Nachdem die Pho­to­vol­taik­an­la­ge unter § 3 Nr. 72 EStG fällt, sind nach der Ver­wal­tungs­auf­fassung alle In­ves­ti­tions­ab­zugs­be­träge, die bis einschließlich 2021 nicht übertragen wurden, nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen. Da­mit ist der In­ves­ti­tions­ab­zugs­be­trag im Jahr der Bildung, somit 2020 wieder auf­zu­lösen. Es fallen Zinsen nach § 233a AO an (vgl. § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG).

Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG

Handwerkerleistung bei PV-Anlage an eigengenutztem Ge-bäude möglich

Die Verwaltung stellt klar, dass ähnlich wie bei der bisherigen Regelung zur Lieb­haberei5, auch bei Pho­to­vol­taik­an­la­gen nach § 3 Nr. 72 EStG eine Hand­wer­ker­leistung möglich ist. Dies in den Fällen, in den Handwerker­kosten (War­tung, Re­pa­ratur oder Installation der Anlage) bei einer Pho­to­vol­taik­an­la­ge auf, an oder in zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden anfallen. Bei Vor­lie­gen der allge­meinen Anspruchs­vor­aus­setzun­gen des § 35a EStG kann die Steuer­er­mäßigung gewährt werden6.

Praxishinweise

Zu beachten ist, dass nur die Lohnkosten in die darauf entfallende Um­satz­steuer sowie die gesondert ausgewiesenen Fahrtkosten nach § 35a Abs. 3 EStG abzugsfähig sind. Materialkosten werden jedoch nicht be­rück­sichtigt7.
Alle Handwerkerleistungen dieses Haushaltes sind mit 20 % der Aufwen­dun­gen, maximal 1.200 € abzugsfähig8. Sie werden über die Zeilen 6 bis 9 der Anlage Haushaltsnahe Aufwendungen geltend gemacht.

Auf steuerliche Erfassung der Pho­to­vol­taik­an­la­ge kann in be­stimmten Fällen verzichtet werden

Auf Anzeige kann in bestimmten Fällen verzichtet werden

In einem weiteren Schreiben9 stellt die Verwaltung klar, dass in bestimmten Fäl­len auf die steuerliche Anzeige über die Aufnahme einer Er­werbs­tä­tig­keit nach § 138 Abs. 1 AO und die Über­mitt­lung des Frage­bo­gens zur steuerlichen Er­fas­sung nach § 138 Abs. 1b AO an das zuständige Finanzamt verzichtet werden kann.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]Das BMF-Schreiben trägt zwar das Datum 17.7.2023, wurde aber tatsächlich erst am 24.7.2023 veröffentlicht. Warum es zu dieser zeitliches Diskrepanz kam, ist uns nicht bekannt.
  2.  ]BMF, Schreiben v. 17.7.2023 IV C 6 - S 2121/23/10001 :001, juris, Rz. 19.
  3.  ]BMF, Schreiben v. 17.7.2023 IV C 6 - S 2121/23/10001 :001, juris, Rz. 20.
  4.  ]BMF, Schreiben v. 17.7.2023 IV C 6 - S 2121/23/10001 :001, juris, Rz. 19.
  5.  ]Vgl. BMF, Schreiben v. 29.10.2021 IV C 6 - S 2240/19/10006 :006, BStBl 2021 I S. 2202.
  6.  ]BMF, Schreiben v. 17.7.2023 IV C 6 - S 2121/23/10001 :001, juris, Rz. 28.
  7.  ]BMF, Schreiben v. 9.11.2016 IV C 8 - S 2296-b/07/10003 :008, BStBl 2016 I S. 1213, Rz. 39.
  8.  ]BFH, Urteile v. 1.2.2007 VI R 77/05, BStBl 2007 II S. 760; v. 6.5.2010 VI R 4/09, BStBl 2011 II S. 909; v. 5.5.2010 VI R 29/09, BStBl 2011 II S. 116; BMF, Schreiben v. 9.11.2016 IV C 8 - S 2296‑b/07/10003 :008, BStBl 2016 I S. 1213, Rz.19.
  9.  ]BMF, Schreiben v. 12.6.2023 IV A 3 - S 0301/19/10007: 012, BStBl 2023 I S. 990.