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Umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Eigen­ver­brauchs aus dem Betrieb von Anlagen zur Ener­gie­er­zeu­gung

Kategoriegrafik
Verwaltungs-
anweisung:
BMF, Schreiben vom 31.3.2025 III C 2 - S 7124/00010/002/109
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 3 UStG
Streitfrage:
Wie wird die selbstgenutzte Energie aus Photovoltaikanlagen und BHKW umsatzsteuerrechtlich behandelt?

Keine fiktive Hin- und Rücklieferung mehr bei selbst verbrauchtem Strom

Die Umsatzsteuer knüpft i. d. Regel an einen Leistungsaustausch zwischen zwei Parteien. Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. unentgeltliche Wertabgaben) muss für das Entstehen der Umsatzsteuer eine Leistung an einen Dritten erbracht werden. Dieser Grundsatz gilt auch im Bereich der erneuerbaren Energien. So hat der BFH in mehreren Urteilen1 entschieden, dass die Zahlung eines sog. KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gem. § 4 Abs. 3a KWKG 2009 - der teilweise auch noch heute nach dem EEG weiter gezahlt wird - nicht zu einer Lieferung i. S. von § 3 Abs. 1 UStG führt. Infolge der fehlenden Einspeisung des Stroms in das allgemeine Stromnetz werden weder Substanz, noch Wert oder Ertrag des erzeugten und dezentral verbrauchten Stroms an einen Dritten übertragen. Es liegt kein steuerbarer Leistungsaustausch vor. Die alte Idee der fiktiven Hinlieferung ins Netz und fiktiven Rücklieferung für den selbst verbrauchten Strom existiert in der Umsatzsteuer damit endgültig nicht mehr.

Strom kann eingespeist oder selbst verbraucht werden

Wird Strom dezentral (somit selbst) verbraucht, liegt

eine unternehmensinterne Verwendung oder
eine unentgeltliche Wertabgabe i. S. des § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG vor (sofern der Strom in den privaten Privatbereich des Unternehmens gelangt). Im letztgenannten Fall liegt ein umsatzsteuerbarer Vorgang vor. Bemessungsgrundlage ist nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG der fiktive Einkaufspreis im Zeitpunkt des Umsatzes2.

Praxishinweise

Bezieht der Photovoltaikanlagenbetreiber von einem Energie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men zusätzlich Strom, liegt ein dem selbstproduzierten Strom gleich­ar­ti­ger Gegenstand vor, dessen Einkaufspreis als (fiktiver) Ein­kaufs­preis an­zu­setzen ist. Sofern der Betreiber seinen Strombedarf allein durch den dezentralen Verbrauch deckt, ist als fiktiver Einkaufspreis der Strompreis des Strom­grund­ver­sor­gers an­zu­setzen3.

Welcher Wert ist für selbstverbrauchten Strom anzusetzen?

Die Menge des dezentral verbrauchten Stroms wird durch Abzug der an den Netzbetreiber tatsächlich gelieferten Strommenge von der insgesamt erzeugten Strommenge ermittelt. Bei Photovoltaikanlagen ohne eine entsprechende Messeinrichtung kann die erzeugte Strommenge aus Vereinfachungsgründen unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Volllaststundenzahl von 1.000 kWh/kWp (jährlich erzeugte Kilowattstunden pro Kilowatt installierter Leistung) geschätzt werden. Im Falle einer unterjährigen Nutzungseinschränkung (z. B. Defekt, Ausfall) oder einer Anschaffung im laufenden Jahr ist die Volllaststundenzahl entsprechend zeitanteilig anzupassen4. Für ein Berechnungsbeispiel wird auf Abschn. 2.5 Abs. 7 UStAE verwiesen.

Wie ermittelt sich die Strommenge, wenn kein Zähler vorhanden ist?

Photovoltaikanlagen können dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden, wenn sie zu mindestens 10 % (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) unternehmerisch genutzt werden, d. h. mindestens 10 % des erzeugten Stroms unternehmensintern verwendet oder ins Netz eingespeist werden. Bei gleichzeitiger Anschaffung einer Photovoltaikanlage und eines Stromspeichers in einem einheitlichen (Werk-)Vertrag liegt eine Sachgesamtheit5 vor.

Aussagen zur selbst genutzten Wärme

Das BMF übernimmt mit dem o. g. Schreiben die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung auf alle offenen Fälle und passt den UStAE entsprechend an. Außerdem nimmt das BMF auch zur dezentralen Wärmeabgabe z. B. bei einem BHKW (Blockheizkraftwerk) Stellung. Demnach gilt auch bei Wärme entsprechendes, d. h. nicht in ein Netz abgegebene Wärme, die dezentral selbst verbraucht wird, ist entweder nicht steuerbar (bei un­ter­neh­mens­in­ter­ner Verwendung) oder eine unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG), wenn das BHKW dem Unternehmen zugeordnet ist.

Bemessungsgrundlage der Wärme

Bemessungsgrundlage für diese unentgeltliche Wärmeabgabe sind regelmäßig die Selbstkosten, weil mangels Netzanschluss kein Bezugspreis existiert; sollte ein Netzanschluss vorhanden sein, gilt der Einkaufspreis als Bemessungsgrundlage6. Bei fehlendem Netzanschluss müssen die vorsteuerbelasteten Selbstkosten für das BHKW und dessen Betrieb in einem ersten Schritt auf die Bereiche Stromerzeugung und Wärmeerzeugung aufgeteilt werden. Hier geht das BMF nun erstmals davon aus, dass die Aufteilung nicht anhand der erzeugten KWh vorzunehmen ist, sondern nach dem sog. Umsatzschlüssel7. Sofern z. B. für die Wärme kein Einspeise-Umsatz vorhanden ist, kann auf den (fiktive) Einkaufspreis für die jeweilige Energiemenge abgestellt werden. Dabei kann der Fernwärmepreis angesetzt werden, auch wenn im Einzelfall kein Fern­wär­me­an­schluss besteht8.

Beispiel zu BHKW

Sachverhalt

Unternehmer U betreibt bei BHKW, welches nach den technischen Messdaten 10.000 KWh Wärme und 10.000 KWh Strom erzeugt und von U seinem Unternehmen zugeordnet wurde, indem U aus der Errichtung des BHKW den vollständigen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat9. Der Strom wird vollständig für 0,08 €/KWh ins Netz eingespeist. Die Wärme wird im Privatbereich des U genutzt. Der durchschnittliche Fernwärmepreis je KWh Wärme beträgt 0,04 €/KWh. Das BHKW erzeugt jährliche Selbstkosten von 1.000 €.

Stellungnahme

Die Vergütung für die Netzeinspeisung i. H. von 800 € p. a. ist umsatzsteuerbar und -pflichtig zu 19 %. Die Wärmeabgabe ist nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG zu besteuern, ebenso mit 19 %. Hierzu müssen die Kosten des BHKW auf die Bereiche Strom und Wärme anhand eines fiktiven Umsatzschlüssels umgelegt werden. Für den Strom ergibt sich ein konkreter Umsatz von 800 € p. a., für die Wärme ein fiktiver Umsatz von 10.000 KWh x 0,04 €/KWh = 400 € p. a. Damit entfallen 1.000 € x 400 € / (400 € + 800 €) = 333,33 € der Selbstkosten auf die Wärme. Die Umsatzsteuer ergibt sich mit 19 % = 63,33 €.

Praxishinweis

Die Selbstkosten umfassen alle vorsteuerbelasteten und nicht vorsteuerbelasteten Kosten, die für die Herstellung der jeweiligen Wärmemenge im Zeitpunkt der Entnahme unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort anfallen (§ 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG). Hierzu gehören neben den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Anlage auch die laufenden Aufwendungen, wie z. B. die Energieträgerkosten zur Befeuerung der Anlage (Erdgas etc.) oder die Aufwendungen zur Finanzierung der Anlage. Wird das BHKW mit Gas aus einer eigenen Biogasanlage des Unternehmers betrieben, sind die Produktionskosten des Biogases ebenfalls in die Selbstkosten einzubeziehen. Bei der Ermittlung der Selbstkosten sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Anlage lt. BMF auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer, die nach den ertragsteuerlichen Grundsätzen anzusetzen ist, zu verteilen10.

Übergangsregelung

Das BMF gewährt eine Übergangsregelung: Es wird nicht beanstandet, wenn die Beteiligten für vor dem 1.1.2026 ausgeführte Umsätze übereinstimmend Abschnitt 2.5 UStAE in der bis zum 31.3.2025 geltenden Fassung anwenden.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]BFH, Urteile v. 29.11.2022 XI R 18/21, juris ; v. 11.5.2023 V R 22/21, juris.
  2.  ]BFH, Urteil v. 12.12.2012 XI R 3/10, BStBl 2014 II S. 809; Abschn. 2.5 Abs. 6 Satz 1 UStAE.
  3.  ]Abschn. 2.5 Abs. 6 Sätze 2, 3 UStAE.
  4.  ]Abschn. 2.5 Abs. 7 UStAE.
  5.  ]Vgl. Abschn. 3.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE.
  6.  ]BFH, Urteile v. 12.12.2012 XI R 3/10, BStBl 2014 II S. 809; v. 9.11.2022 XI R 31/19, BStBl II 2025 S. xxx.
  7.  ]BFH, Urteile v. 9.11.2022 XI R 31/19, xxx; v. 15.3.2022 V R 34/20, BStBl II 2025 S. xxx.
  8.  ]BFH, Urteil vom 16.11.2016 V R 1/15, BStBl 2022 II S. 777.
  9.  ]Vgl. zur Zuordnung Abschn. 15.2c und Abschn. 2.6 UStAE.
  10.  ]Abschn. 2.5 Abs. 16 UStAE.