- Verwaltungs-
anweisung: -
BMF, Schreiben vom 29.10.2021 IV C 6 - S 2240/19/10006 :006
- Fundstelle:
-
juris
- Gesetz:
- § 15 EStG
- Streitfrage:
-
Welche Vereinfachung gilt für kleine Photovoltaikanlagen?
BMF zu kleinen PV-Anlagen
Mit einem BMF-Schreiben vom 2.6.20211 hat das BMF für kleine Photovoltaikanlagen (und vergleichbare Blockheizkraftwerke, kurz: BHKW) eine Vereinfachung dahingehend getroffen, dass bei solchen Anlagen freiwillig ertragsteuerrechtlich ein Liebhabereibetrieb in allen noch offenen Veranlagungsfällen gewählt werden darf. Die Ausführungen des BMF vom Juni währten jedoch nicht einmal fünf Monate, denn mit einem aktuellen Schreiben vom 29.10.2021 ändert das BMF nun bereits seine Auffassung. Die bisherigen Regelungen werden aufgehoben und sind nicht mehr anzuwenden! Stattdessen gelten nun neue Grundsätze!
Praxishinweise
Voraussetzungen zum Wahlrecht unverändert
Grundsätzliche Voraussetzung für das Wahlrecht sind:
- ausschließlich für eigenen Wohnzwecken verwendet (Verwendung in einem häuslichen Arbeitszimmer oder für unentgeltlich überlassenen Wohnraum gilt als Eigennutzung) oder
- ins öffentliche Stromnetz eingespeist.
- Die Nutzung des Stroms für Vermietungszwecke ist nur dann unschädlich, wenn die Mieteinnahmen (nicht Einkünfte) max. 520 € im Kalenderjahr betragen.
Praxishinweis
Einliegerwohnung kann unschädlich sein
Bisher war Voraussetzungen, dass die Immoblie, auf der sich die Anlage befindet, ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Neuerdings genügt es nach unserem Verständnis, wenn der Strom ausschließlich in eigenen Wohnzwecken verbraucht werden kann. D. h., dass z. B. eine vermietete Einliegerwohnung unschädlich für das Wahlrecht ist, wenn technisch sicher gestellt ist, dass der Mieter der Strom aus der PV-Anlage nicht verbrauchen kann. Vgl. hierzu auch nachfolgenden Sachverhalt 3. Ein eigener Stromzähler genügt jedoch nicht (Rz. 2 Beispiel 1 und Rz. 5).
Ergänzend hat nun das BMF mit Schreiben vom 29.10.2021 diverse Änderungen an der Vereinfachung vorgenommen und das bisherige BMF-Schreiben vom 2.6.2021 aufgehoben. Die im Nachfolgenden aufgeführten Sachverhalte (mit Ausnahme von Sachverhalt 4) stammen aus dem BMF-Schreiben vom 29.10.2021. Die angebenen Rz. beziehen sich auf die Rz. im o. g. BMF-Schreiben. Relevant sind vor allem folgende Punkte:
a) | Gesamtleistung maßgebend |
Was gilt bei mehreren Anlagen?
Das Wahlrecht besteht nach Auffassung des BMF nur, wenn die Gesamtleistung aller vom Steuerpflichtigen (natürliche Person oder Mitunternehmerschaft) betriebenen Anlagen in Summe 10 kW/kWp3 (maßgebend ist die Leistung i. S. des § 3 Nr. 21 EEG 2021) nicht übersteigt. Alle Photovoltaikanlagen (und BHKW) bilden dabei einen Gesamtbetrieb. Für diesen steht das Wahlrecht nur dann offen, wenn alle betriebenen Anlagen in Summe die o. g. Leistungsgrenzen nicht überschreiten. Dies gilt sowohl für Anlagen, die sich auf demselben Grundstück befinden, als auch für Anlagen auf verschiedenen Grundstücken. Auch die technische Trennung einzelner Anlagen z. B. mittels zweier Zähler ist nicht ausschlaggebend. Photovoltaikanlagen mit einer sog. Wirkleistungsbegrenzung auf 70 %4 der installierten Leistung sind nicht von der Vereinfachungsregelung erfasst5.
Praxishinweise
Bisher abweichende Praxis!
Sachverhalt 1
A betreibt seit dem 1. Januar 2020 auf ihrem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus und auf ihrem Ferienhaus, das nicht vermietet wird, je eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von jeweils 6 kW/kWp.
Stellungnahme
A kann die Vereinfachungsregelung nicht in Anspruch nehmen, auch nicht für nur eine der beiden Anlagen, denn in Summe werden die 10 kW/kWp überschritten. Bei einer Leistung von je 4 kW/kWp je Anlage wäre das Wahlrecht möglich, auch im Hinblick auf die Ferienwohnung, weil diese lt. Sachverhalt nicht vermietet wird.
b) | Anlagenlaufzeit |
Auch Anlagen vor 2004 nun begünstigt
Die bisherige Voraussetzung der Inbetriebnahme nach 31.12.2003 wird erweitert. Neben den Anlagen seit Inbetriebnahme ab 2004 sind nun auch Anlagen, die vor mehr als 20 Jahren in Betrieb genommen wurden, künftig vom Wahlrecht erfasst. Die Formulierung „mehr als 20 Jahre“ wird deshalb gewählt, weil der Antrag nur mit Wirkung zu Beginn eines Kalenderjahres möglich ist, d. h. die Anlage muss mehr als 20 Jahre in Betrieb sein (analog zum Ende der Förderung der Einspeisevergütung i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 3 EEG).
Praxishinweis
Der Antrag ist außerdem nach Auffassung des BMF nur dann möglich, wenn die Voraussetzung im gesamten Kalenderjahr vorliegen (Rz. 11).
Sachverhalt 2
A betreibt zwei Photovoltaikanlagen (zusammen 9 kW/kWp). Photovoltaikanlage 1 wurde am 1.10.2003 und Photovoltaikanlage 2 wurde am 1.6.2020 in Betrieb genommen.
Stellungnahme
Ein Antrag kann erst ab Veranlagungszeitraum 2024 gestellt werden. U. E. sind die Ausführungen des BMF-Schreibens vom 29.10.2021 so zu verstehen, dass auch für Anlage Nr. 2 erst ab 2024 ein Antrag möglich ist, denn die beiden Anlagen müssen als ein einheitlicher Betrieb betrachtet werden. Dieser Betrieb erfüllt erst ab 2024 alle Voraussetzungen.
c) | Unschädliche Nebennutzung des Gebäudes |
Strom darf nur eingespeist oder privat selbstgenutzt werden
Der Strom der Anlage darf ausschließlich zur Netzeinspeisung bzw. zur unentgeltlichen Selbstnutzung verwendet werden. Es genügt, wenn ein Mitunternehmer den Strom selbst verbraucht. Die Nutzung in einem häuslichen Arbeitszimmer gilt als Selbstnutzung. Die Weitergabe an Mieter ist nur dann unschädlich, wenn die gesamten vorübergehenden Mieteinnahmen (nicht Einkünfte!) im Kalenderjahr inkl. Stromvergütung des Mieters 520 € nicht überschreiten.
Wird in dem Gebäude, auf dem sich die Photovoltaikanlage befindet, ein Raum - außer in Fällen des häuslichen Arbeitszimmers - gewerblich/freiberuflich genutzt, steht das Wahlrecht nur offen, wenn ein Verbrauch des Stroms im gewerblichen/freiberuflichen Teil technisch ausgeschlossen ist.
Sachverhalt 3
A betreibt auf dem Dach ihres zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses eine Photovoltaikanlage mit 9 kW/kWp. Zwei Räume nutzt A im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit als Physiotherapiepraxis.
Stellungnahme
Nur im Fall a kann auf Antrag die Vereinfachungsregelung in Anspruch genommen werden, mit der Folge, dass Liebhaberei unterstellt wird und die Abgabe einer Anlage EÜR nicht erforderlich ist.
d) | Antrag wirkt auch für künftige Zeiträume |
Wirkung auch für die Zukunft
Der Antrag, der beim örtlich zuständigen Finanzamt zu stellen ist, wirkt in allen offenen Veranlagungszeiträumen (Vergangenheitswirkung) und auch für die Folgejahre (Rz. 6). In diesen Fällen ist eine Anlage EÜR für den Betrieb der Photovoltaikanlage/des BHKW für alle offenen Veranlagungszeiträume nicht mehr abzugeben.
e) | Antragsfrist |
Frist für den Antrag
Neuerdings geht das BMF von einer Frist hinsichtlich des Antrags aus (Rz. 8); dies war bisher nicht der Fall. Hierbei muss differenziert werden:
f) | Auswirkung auf § 7g EStG |
IAB darf - theoretisch - beibehalten werden
Die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregelung ist kein Fall des § 7g Abs. 4 EStG (Rz. 7), da insoweit keine schädliche Verwendung der Investition vorliegt. D. h. ein IAB, der in einem verfahrensrechtlich nicht mehr änderbaren Jahr gebildet wurde, kann beibehalten werden. Dies wird aufgrund von § 165 AO jedoch in der Praxis eine seltene Ausnahme bleiben, denn bei der Bildung des IAB wird regelmäßig eine vorläufige Steuerfestsetzung erfolgen. Weil das Altjahr somit noch änderbar ist, wirkt ein aktueller Antrag auch in die Vergangenheit zurück.
Sachverhalt 4
Mandant M hat 2020 einen IAB für eine geplante Photovoltaikanlage gebildet. Die Anlage wurde 2021 installiert und in Betrieb genommen. Sie hat eine Leistung von 8 kW/kWp. Weitere Anlagen betreibt M nicht. Die Veranlagung 2020 ist bereits abgeschlossen. Der Einkommensteuerbescheid 2020 ist:
M möchte das Wahlrecht zur Liebhaberei in Anspruch nehmen.
Stellungnahme
Im Fall b bedeutet die Inanspruchnahme des Wahlrechts, dass auch das verfahrensrechtlich noch änderbare Jahr 2020 korrigiert wird. D. h. der IAB darf zwar in 2020 gebildet werden, ist jedoch nicht gewinnwirksam, d. h. er muss außerhalb der Gewinnermittlung wieder hinzugerechnet werden. Dies deshalb, weil es sich um Betriebsausgaben im Rahmen eines Liebhabereibetriebs handelt.
Fußnoten anzeigen ↓
- [ ↑ ]BMF, Schreiben v. 2.6.2021 IV C 6 - S 2240/19/10006 :006, BStBl 2021 I S. 722.
- [ ↑ ]BerP 8/2021 S. 483.
- [ ↑ ]Und/Oder ein oder mehrere BHKW mit einer installierten elektrischen Gesamtleistung von bis zu 2,5 kW.
- [ ↑ ]Sog. 70 % - Regelung. Sie dient der Vermeidung einer Netzüberlastung. Mit der Regelung wird die Einspeiseleistung auf 70 % der installierten Leistung gedeckelt.
- [ ↑ ]BMF, Schreiben v. 29.10.2021 IV C 6 - S 2240/19/10006 :006, juris, Rz. 4.