Neufang Akademie

nach oben

BFH sieht Steuerpflicht bei Fahrschulumsätzen für zweifelhaft

Kategoriegrafik

Erbringen Fahrschulen steuerfreie Leistungen

Mit Beschluss vom 16.3.2017 (V R 38/16) hat der BFH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Fahrschulen umsatzsteuerfreie Leistungen erbringen. Der BFH zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht für die Erteilung von Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B („Pkw-Führerschein“) und C1 („Lkw-Führerschein bis 7,5 Tonnen“).

Nach nationalem Recht steuerpflichtig

Nach nationalem Recht sind Unterrichtsleistungen zur Erlangung dieser Fahrerlaubnisse steuer­pflichtig. Fahrschulen sind insoweit keine allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, wie es von § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG vorausgesetzt wird. Es fehlt zudem bei Fahrschulen an der gesetzlich genannten berufs- oder prüfungsvorbereitenden Bescheinigung.

Steuerbefreiung nach Unionsrecht?

Fraglich ist jedoch, ob nicht eine Steuerbefreiung nach dem Unionsrecht in Betracht kommt, denn es gilt: Setzt das nationale Recht eine Steuerfreiheit der MwStSystRL nur ungenügend um, besteht die Möglichkeit, sich auf die Richtlinie zu berufen. Hierfür kommt bei Fahrschulen Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i und j MwStSystRL in Betracht, denn diese Steuerbefreiung umfasst dem Wortlaut nach Unterricht, den sog. anerkannte Einrichtungen oder Privatlehrer erteilen.

Im Vorlage­ver­fahren bejaht BFH den Unter­richts­charak­ter

Im Vorlageverfahren bejaht der BFH den Unterrichtscharakter der Fahrschulleistung. Die zusätz­lich erforderliche Anerkennung könne sich daraus ergeben, dass der Unterrichtende die Fahr­lehrerprüfung nach § 4 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen abgelegt haben muss. In Betracht komme auch eine Steuerfreiheit als Privatlehrer. Die Auslegung der Richtlinie sei aber zweifelhaft, so dass eine Entscheidung des EuGH eingeholt wird1.

Zu weiteren Ausführungen verweisen wir auf unsere News 11/2016, Beratungspraxis 2016 S. 219 und Immer aktuell 2016 S. 156.

Praxishinweis

Der Streitfall umfasst nur die Fahrerlaubnisklassen B („Pkw-Führerschein“) und C1, sollte jedoch auch auf sämtliche anderweitige Fahrerlaubnisklassen übertragbar sein.

Es muss darauf geachtet werden, dass bei entsprechenden Mandanten keine Fest­setzungs­verjährung eintritt und weiterhin eine Änderungsmöglichkeit besteht, was über § 164 Abs. 2 AO bei der Umsatzsteuer regelmäßig der Fall ist. Sollte Festsetzungsverjährung drohen, ist der Weg eines Einspruchs mit Antrag auf Ruhen des Verfahrens gem. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO ge­boten.

Aufgrund des Vorlageverfahrens ist Aussetzung der Vollziehung theoretisch möglich, denn es bestehen damit ernstliche Zweifel. Ob Aussetzung der Vollziehung beantragt wird, sollte im Hinblick auf die drohende Verzinsung jedoch sorgfältig überlegt werden.

Es wird empfohlen, die Rechnungsstellungspraxis bei Fahrschulen anzupassen und künftig Rechnungen ohne offen ausgewiesene Umsatzsteuer zu erstellen, sofern vertraglich zwischen den Parteien eine Brutto-Vereinbarung besteht, was bei Fahrschulen regelmäßig der Fall sein wird. Die Finanzverwaltung wird in diesen Fällen von steuerpflichtigen Umsätzen ausgehen. Sollte jedoch auf die Steuerfreiheit der Umsätze entschieden werden, so ergibt sich mangels offen ausgewiesener Umsatzsteuer keine Problematik im Hinblick auf § 14c UStG.

In den meisten Fällen sollte die veränderte Rechnungsstellung unproblematisch sein, da die Kunden ohnehin nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind. Die betroffenen Leistungen wurden i. d. R. für den Privatbereich bezogen.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]BFH, Pressemitteilung Nr. 49/2017 v. 26.7.2017.

Weitere Artikel dieser Ausgabe