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Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaft- und Schen­kung­steuer­gesetzes

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Der Steuerberaterverband Thüringen macht darauf aufmerksam, dass das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen den koordinierten Ländererlass zur Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom 22.6.2017 bekannt gegeben hat.

In dem 89-seitigen Erlass äußern sich die Länder zu den Vorschriften gem. §§ 13a, 13b, 13c, 28, 28a ErbStG. Der Erlass ist im Einvernehmen der obersten Finanzbehörden der Länder mit Ausnahme von Bayern ergangen und auf der Homepage des Steuerberaterverbandes Thüringen veröffentlicht.

Die wichtigsten Aussagen stellen sich zusammengefasst wie folgt dar:

Gleitabzugsbetrag gem. § 13a Abs. 2 ErbStG

Auch weiterhin kann der Abzugsbetrag innerhalb von zehn Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe nur einmal in Anspruch genommen werden. Der Abzugsbetrag gilt auch dann als vollständig verbraucht, wenn sich dieser aufgrund der Abschmelzung nach § 13a Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf null verringert hat1.

Die Inanspruchnahme eines Abzugsbetrags nach § 13a Abs. 2 ErbStG in der bis 30.6.2016 anzuwendenden Fassung aufgrund einer begünstigten Zuwendung von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen oder Anteilen an Kapitalgesellschaften vor dem 1.7.2016 schließt innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums die erneute Gewährung des Abzugsbetrags aus2.

Lohnsummenregelung gem. § 13a Abs. 2 ErbStG

Bei der Bestimmung der Mindestanzahl der Beschäftigten ist auf die Anzahl der Beschäftigten abzustellen, die im Besteuerungszeitpunkt im zugewendeten Betrieb oder in der Gesellschaft beschäftigt sind. Dies gilt jedoch nicht in Fällen, in denen kurz vor der Übertragung eine Reduzierung der Anzahl der Beschäftigten erfolgt (§ 42 AO)3. Leider wird nicht definiert, was unter „kurz vor der Übertragung“ zu verstehen ist.

Ein Verstoß gegen die Lohnsummenregelung wirkt sich weder auf den Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG noch auf den Vorwegabschlag für Familienunternehmen nach § 13a Abs. 9 ErbStG aus4.

Vorwegabschlag für Familienunternehmen gem. § 13a Abs. 9 ErbStG

Es wird explizit klargestellt, dass ein Vorwegabschlag für ein Einzelunternehmen nicht in Betracht kommt5. Dies stellt u. E. eine Diskriminierung des Einzelunternehmens dar.

Entnahmen zur Begleichung der auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Ge­sellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen bleiben bei der Beschränkung der Entnahme oder Ausschüttung auf 37,5 % unberücksichtigt. Bei einem Anteil am Betriebsvermögen bleiben dabei die Steuern auf Ergebnisse aus den Sonder- und Ergänzungsbilanzen unberücksichtigt6.

Aus Vereinfachungsgründen kann bei einer Personengesellschaft die auf den Gewinnanteil ent­fallende Steuer oder bei einer Kapitalgesellschaft die auf die Ausschüttung entfallende Steuer ‑ welche zusätzlich entnommen werden kann - mit einem Steuersatz von 30 % ange­nommen werden7. Eine individuelle Berechnung ist somit nicht erforderlich.

Nur die Steuern vom Einkommen bleiben bei der Ermittlung der schädlichen Entnahmen unberück­sichtigt. Entnahmen oder Ausschüttungen zur Begleichung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer werden bei der Ermittlung der schädlichen Entnahmen einbezogen8.

Investitionsklausel gem. § 13b Abs. 5 ErbStG

Nach der Investitionsklausel kann im Besteuerungszeitpunkt bestehendes Verwaltungsvermögen rückwirkend in begünstigtes Vermögen umgewandelt werden, wenn der Erwerber von Todes wegen innerhalb von zwei Jahren ab Steuerentstehung bisher schädliches Verwaltungsvermögen in begünstigtes Vermögen investiert (§ 13b Abs. 5 Satz 1 ErbStG). Ebenfalls können gem. § 13b Abs. 5 Satz 3 ErbStG Finanzmittel in begünstigtes Vermögen umgewandelt werden, soweit diese innerhalb von zwei Jahren ab Steuerentstehung zur Begleichung von Lohnzahlungen, die durch saisonale Schwankungen bedingt sind, eingesetzt werden. Voraussetzung ist jeweils, dass die Reinvestition bzw. Investition auf einen noch vom Erblasser vorgefassten Plan zurückzuführen ist (§ 13b Abs. 5 Satz 2 ErbStG).

Wie dieser vorgefasste Plan des Erblassers auszusehen hat, wurde nun - etwas vage - definiert. Der Plan muss so konkret sein, dass dieser und die entsprechend vom Erwerber umgesetzte Investition nachvollzogen werden können9. Der Plan muss die zu erwerbenden oder herzu­stellenden Gegenstände beinhalten10. Hatte der Erblasser, z. B. als Minderheitsgesellschafter, keinen Einfluss auf die Geschäftsleitung des Betriebs, reicht es aus, wenn die Geschäftsleitung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers einen konkreten Investitionsplan gefasst hatte und diesen innerhalb von zwei Jahren verwirklicht11.

Abschmelzmodell gem. § 13c ErbStG

Der Verschonungsabschlag verringert sich um je einen Prozentpunkt für jede 750.000 €, die der Erwerb des begünstigten Vermögens über 26 Mio. € liegt (§ 13c Abs. 1 Satz 1 ErbStG).

Erwerbe, für die die Steuer vor dem 1.7.2016 entstanden ist, werden bei der Prüfung des Schwellenwerts berücksichtigt12. Ein Wegfall der gewährten Steuerbefreiung für den früheren Erwerb tritt nicht ein, wenn durch einen nachfolgenden Erwerb nach dem 30.6.2016 der Schwellenwert überschritten ist13.

Zusammenspiel des Abschmelzmodells gem. § 13c ErbStG mit der Ver­scho­nungs­bedarfsprüfung gem. § 28a ErbStG

Wenn der Wert des erworbenen begünstigten Vermögens i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG den Schwellenwert von 26 Mio. € überschreitet und der Erwerber keinen Antrag nach § 13c ErbStG gestellt hat, wird die Steuer ohne Verschonung für das begünstigte Vermögen festgesetzt14. Auf Antrag des Erwerbers wird eine Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG durchgeführt, welche zu einem teilweisen oder vollständigen Erlass der auf das begünstigte Vermögen entfallenden Steuer führen kann15.

Hinweis auf unser Praktikerseminar

Anlässlich der Neuregelungen durch das Erbschaftsteueranpassungsgesetz und die nun veröffentlichten Äußerungen seitens der Verwaltung weisen wir noch auf unser Praktikerseminar zum Umgang der Neuregelungen in der täglichen Praxis unter Beachtung der Verwaltungs­auffassung hin, welches noch im Laufe des Jahres 2017 erfolgen wird.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]Abschn. 13a.3 Abs. 2 Satz 3 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  2.  ]Abschn. 13a.3 Abs. 2 Satz 4 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  3.  ]Abschn. 13a.4 Abs. 2 Satz 4 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  4.  ]Abschn. 13a.8 Abs. 1 Satz 10 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  5.  ]Abschn. 13a.19 Abs. 1 Satz 3 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  6.  ]Abschn. 13a.19 Abs. 1 Satz 4 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  7.  ]Abschn. 13a.19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  8.  ]Abschn. 13a.19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 5 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  9.  ]Abschn. 13b.24 Abs. 3 Satz 1 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  10.  ]Abschn. 13b.24 Abs. 3 Satz 2 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  11.  ]Abschn. 13b.24 Abs. 3 Satz 7 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  12.  ]Abschn. 13c.4 Abs. 1 Satz 4 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  13.  ]Abschn. 13c.4 Abs. 1 Satz 5 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  14.  ]Abschn. 28a.1 Abs. 1 Satz 1 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.
  15.  ]Abschn. 28a.1 Abs. 1 Satz 2 i. d. F. des koordinierten Ländererlasses v. 22.6.2017.

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