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Aufhebung des BMF-Schreibens zur AfA von Gebäuden nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
BMF, Schreiben vom 1.12.2025 IV C 3 - S 2196/00040/006/008
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG
Problemstellung:
Nachweis der kürzeren Nutzungsdauer eines Gebäudes für Zwecke der Abschreibung.

AfA über tat­säch­liche Nutzungs­dauer

Ist die tatsächliche Nutzungsdauer bei einem Gebäude kürzer als die, die sich aus der Anwendung der typisierten Abschreibungssätze ergeben, kann an­stel­le der Abschreibung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tat­säch­lichen Nut­zungs­dauer ent­sprechende Abschreibung vorgenommen werden (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Beweislast liegt bei Steuerpflichtigem

Für die kürzere Nutzungsdauer trägt der Steuerpflichtige die Beweislast. Nut­zungs­dauer ist der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweck­be­stimmung ent­sprechend genutzt werden kann (§ 11c Abs. 1 EStDV).

Der Nach­weis einer kürzeren tat­säch­lichen Nutzungsdauer hat einen be­stimm­ten nach der bisherigen Verwaltungsauffassung einen Min­dest­standard zu er­füllen1. So war Voraussetzung für die Vor­la­ge eines Gut­ach­tens über die tatsächliche kürzere Nutzungsdauer, dass das Gut­ach­ten ent­we­der von einem öffentlich bestellten und vereidigtem Gut­ach­ter oder von einem nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sach­ver­stän­di­gen er­stellt wur­de. Die bloße Über­nahme einer Rest­nutzungs­dauer aus einem Ver­kehrs­wert­gut­ach­ten, z. B. nach ImmoWertVO, wur­de von der Finanz­ver­waltung nicht als Nach­weis anerkannt2.

Das BMF-Schreiben vom 1.12.2025 hebt die bisherige Verwaltungs­an­weisung vom 22.2.2023 auf. Künftig richten sich die Anforderungen an den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer damit ausschließlich nach den Grundsätzen der Rechtsprechung.

BFH: Bausubstanz­gut­ach­ten nicht er­for­der­lich

Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tat­säch­li­chen Nut­zungsdauer jeder Darlegungsmethode bedienen. Die Vorlage eines Bau­sub­stanz­gutachtens ist nicht Vor­aus­set­zung für die An­er­kenn­ung einer ver­kürzten tat­säch­lichen Nutzungsdauer3. Der Nachweis ist auch im Rahmen eines Wert­gut­ach­tes nach der Wert­er­mittlungs­ver­ord­nung oder dem Sach­ver­fahren des Gut­achter­aus­schus­ses mög­lich4. Die gewählte Metho­de muss sich aus­drück­lich auf den Nachweis einer kürzeren tatsäch­li­chen Nut­zungs­dauer richten und zwingend die maß­geb­lichen Determinanten für die kürzere Nutzungsdauer benennen. Dies können beispielsweise der tech­ni­sche Verschleiß, die wirt­schaft­liche Ent­wer­tung oder rechtliche Nut­zungs­be­schrän­kun­gen sein5.

Erfahrungs­sät­ze sind kein Nach­weis

Es nicht ausreichend, wenn vorgetra­gen wird, dass Gewerbe­im­mo­bilien (z. B. Einzelhan­delsmarkt) erfahrungs­ge­mäß weniger als 20 Jahre genutzt wer­den6. Erfahrungssätze sind kein geeigneter Nach­weis.

Praxishinweise

In der Siebten Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen sollte ein neuer § 11c Abs. 1a EStDV eingeführt werden7. Es war geplant, dass Gut­achten nur dann anerkannt werden, wenn eine persönliche Vor­ort­be­sich­ti­gung eines öf­fent­lich bestellten und vereidigten Sach­ver­stän­di­gen durch­geführt wurden.
Die Regelung ist im aktuellen Regierungsentwurf wieder entfallen. Trotz­dem empfehlen wir, dass Gutachten einen gewissen Mindeststandard er­fül­len. Hierzu ist in der Regel ein Ortstermin8 erforderlich9. Einfache „In­ter­net­gut­ach­ten“ dürften trotz Aufhebung des BMF-Schreibens weiterhin nicht ak­zeptiert werden.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]BMF, Schreiben v. 22.2.2023 IV C 3 - S 2196/22/10006:005, BStBl 2023 I S. 332, Tz. 22.
  2.  ]BMF, Schreiben v. 22.2.2023 IV C 3 - S 2196/22/10006:005, BStBl 2023 I S. 332, Tz. 24.
  3.  ]BFH, Urteile v. 28.7.2021 IX R 25/19, BFH/NV 2022 S. 108; v. 23.1.2024 IX R 14/23, BFH/NV 2024 S. 823; FG Hamburg, Urteil v. 1.4.2025 3 K 60/23, juris.
  4.  ]FG Münster, Urteil v. 27.1.2022 1 K 1741/18 E, DStR 2022 S. 8; FG Münster, Urteil v. 14.2.2023 1 K 3840/19 F, DStRE 2024 S. 129.
  5.  ]BFH, Urteil v. 23.1.2024 IX R 14/23, BFH/NV 2024 S. 823.
  6.  ]FG Baden-Württemberg, Urteil v. 12.1.2018 13 K 1723/16, EFG 2018 S. 1790.
  7.  ]Vgl. BerP 12/2025 S. 754 f.
  8.  ]FG Münster, Urteil v. 2.4.2025 14 K 654/23 E, EFG 2025 S. 1153, Rz. 44-46.
  9.  ]Anders, EFG 2025 S. 1157.