Neufang Akademie

nach oben

Ausfall einer Bürgschaftsregressforderung ist steuerwirksam

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
BFH, Urteil vom 1.7.2025 VIII R 3/23
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG
Streitfrage:
Ist der Verlust aus einer unentgeltlich eingegangen Bürgschaft steuerlich berücksichtigungsfähig?

Einkunftserzielungsabsicht muss gegeben sein

Dem Einkommensteuerrecht immanent ist grundsätzlich der Tatbestand der Ein­kunfts­er­zie­lungsabsicht. Ist diese nicht gegeben, liegt grund­sätz­lich eine sog. Lieb­ha­be­rei vor. Hierbei ist zu beachten, dass das Erfordernis der Ein­künf­te­er­zie­lungs­ab­sicht zwar grund­sätzlich für alle Einkunftsarten gilt, allerdings unter Be­rück­sich­ti­gung ihrer jeweiligen Besonderheiten.

Praxishinweis

Ausführungen zur Liebhaberei in der Vergangenheit

Sie finden ausführliche Ausführungen in unseren Systematikbeiträgen zur Liebhaberei für den Bereich

Vermietung und Verpachtung in BerP 5/2018 S. 302 und
Gewerbliche und freiberufliche Einkünften in BerP 7/2018 S. 428.

Bei Kapitalvermögen wird Ein­kunfts­er­zie­lungs­ab­sicht grund­sätz­lich un­ter­stellt

Für die Einkünfte aus Kapitalvermögen, welche dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterfallen, bedingen die Besonderheiten der Einkünfteermittlung eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht; damit ist für Kapitalerträge unter dem Regime der Abgeltungssteuer ein weniger strenger Maßstab an die Liebhabereiprüfung zu stellen. Die Finanzbehörde muss hier grund­sätzlich beweisen, dass die Einkunftserzielungsabsicht nicht vorliegt. Dies entspricht der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BFH1. Die Finanzverwaltung folgt dieser Auffassung2.

Praxishinweis

Selbst bei ver­lust­ge­neig­ten Ka­pi­tal­an­la­gen

Diese Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht gilt grundsätzlich auch für atypische, strukturell verlustgeneigte Kapitalanlagen3.

Streitfall

Im Besprechungsurteil wurde ein Steuerpflichtiger unentgeltlich Bürge für ein Darlehen einer GmbH, deren Gesellschafter jener nicht war, aber die über persönliche Beziehungen und ehemalige Geschäftsbe­ziehungen mit jenem verbunden war. Aus der Bürgschaft konnten grundsätzlich keine positiven Einkünfte erzielt werden4. Der Steuer­pflichtige wurde letztlich aus der Bürgschaft in Anspruch genommen, die entstehende Bürgschaftsregressforderung fiel im Rahmen der Insolvenz der GmbH vollständig aus. Er beantragte den an die Bank geleisteten Betrag von knapp 200.000 € als Verlust i. S. des § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG anzuerkennen.

Der BFH sah die theoretische - wenn auch äußerst unrealistische - Möglichkeit der Einkunftserzielung darin, dass der Bürge die Bürgschaftsregressforderung (theoretisch) gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG oberhalb seiner Anschaffungskosten (im Streitfall von 0 €) an einen Dritten veräußern könne. Dass bei fehlender Inanspruchnahme des Bürgen aus der unentgeltlichen Bürgschaft i. d. Regel kein Totalgewinn erzielbar ist, sondern die Übernahme aus anderen wirtschaftlichen Beweggründen oder angestrebten Vorteilen des Bürgen erfolgt, stellt die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht in Frage5. Damit ist der Verlust aus der Bürgschaftsinanspruchnahme bzw. dem finalen Ausfall der Bürgschaftsregressforderung grundsätzlich anzuerkennen, denn die Ein­künf­te­er­zie­lungs­ab­sicht für Verluste aus dem Ausfall einer Bürg­schafts­re­gress­for­de­rung ist bei einer unent­geltlichen Bürg­schafts­über­nah­me unter fremden Dritten widerlegbar zu vermuten. Sie ist grundsätzlich erst dann widerlegt, wenn die Bürg­schaft ohne jeglichen wirtschaftlichen Hintergrund hingegeben worden ist.

Entscheided: Auch wirtschaftliches Motiv für Bürgschaft

Damit ist final entscheidend, ob für das Eingehen der Bürgschaft - auch - wirtschaftliche Gründe vorhanden waren, oder ob ein rein im Privaten liegendes Motiv (ohne jeglichen wirtschaftlichen Hintergrund und unter billigender Inkaufnahme des Risikos, als Bürge in Anspruch genommen zu werden) tragend für das Eingehen der Bürgschaft war. Dies konnte der BFH nicht entscheiden und verwies den Streitfall daher zurück an das FG, das diese Ermittlung nun im zweiten Rechtszug durchzuführen hat.

Praxishinweis

Damit ist zu raten, dass bei Eingehen der Bürgschaft ein Entgelt für den Bürgen gezahlt wird (Avalprovision). Hierdurch wird das - auch - wirtschaftliche Motiv deutlich.  

Gestaltung: Avalprovision verlangen

Diese Avalprovision stellt Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG dar6 bzw. im betrieblichen Bereich liegen Betriebseinnahmen vor.
Ob die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht widerlegt ist, ist für Bürgschaftsregressforderungen im Zeitpunkt der Hingabe der Bürgschaft zu beurteilen7.

Maßgebender Zeitpunkt: Eingehen der Bürgschaft

Bei Gesellschaftern ist beim Ausfall der Bürgschaftsregressforderung als lex spcialis § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 3 EStG zu prüfen.

Bei Gesellschaftern § 17 Abs. 2a EStG prüfen

Der Verlust aus der Bürgschaft unterfällt § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG und im Streitfall dem § 32d Abs. 1 EStG. Damit gelten die Verlusteinschränkungen des § 20 Abs. 6 EStG.

Verlust unterliegt Beschränkungen des § 20 Abs. 6 EStG


Fußnoten anzeigen


  1.  ]BFH, Urteile v. 14.3.2017 VIII R 38/15, BStBl 2017 II S. 1040; v. 27.10.2020 IX R 5/20, BStBl 2021 II S. 600; v. 20.6.2023 IX R 2/22, BFH/NV 2023 S. 1257.
  2.  ]BMF, Schreiben v. 14.05.2025 IV C 1-S 2252/00075/016/070, BStBl 2025 I S. 1330, Tz. 125.
  3.  ]So beispielsweise BFH, Urteil v. 14.3.2017 VIII R 25/14, BStBl 2017 II S. 1038 zur Steuerbarkeit des Verlusts aus der Veräußerung einer Sterbegeldversicherung (Kapitalversicherung mit Sparanteilen), die nur in den Fällen des Rückkaufs (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) und ab dem 1.1.2009 des Verkaufs der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an einen Dritten (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG) überhaupt zu einer Besteuerung führen konnte, da die Auszahlung des Sterbegelds im Todesfall nicht der Besteuerung unterliegt.
  4.  ]Ähnlich dem in der vorstehenden Fußnote dargestellten Fall der Sterbegeldversicherung.
  5.  ]Vgl. ähnlich zur Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht beim Gesellschafterbürgen aufgrund möglicher Vorteile aus der Beteiligung BFH, Urteil v. 20.6.2023 IX R 2/22, BFH/NV 2023 S. 1257, Rz. 32 und BMF, Schreiben v. 7.6.2022 IV C 6-S 2244/20/10001:001, BStBl 2022 I S. 897, Tz. 22.
  6.  ]Vgl. André Golombek, Beck'sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 71. Edition, Stichwort Bürgschaft, Tz. V.
  7.  ]BFH, Urteil vom 20.6.2023 IX R 2/22, BFH/NV 2023 S. 1257, Rz. 31; Jachmann-Michel, BB 2018 S. 2329.