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Das neue multilaterale Rahmenabkommen in der Sozialversicherung: Mehr Flexibilität für grenzüberschreitendes Homeoffice

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Veränderung der Arbeitswelt

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren stark verändert, insbesondere durch die zunehmende Verbreitung von Homeoffice und Telearbeit. Diese Ent­wick­lungen stellen auch das Sozialver­siche­rungs­recht vor neue Herausfor­de­run­gen, insbesondere wenn Arbeit­nehmer grenz­überschrei­tend tätig sind. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde ein neues multi­laterales Rah­men­ab­kommen eingeführt, dass es ermöglicht, bis zu 49,9 % der Arbeitszeit im aus­ländischen Homeoffice zu absolvieren, ohne dass sich das anwendbare Sozialversicherungsrecht ändert.

Das Territorial­prinzip und seine Grenzen

Traditionell gilt im europäischen Sozialversicherungsrecht das Tätigkeits­ort­prin­zip: Arbeitnehmer unterliegen den Sozial­versicherungs­vor­schriften des Lan­des, in dem sie ihre Arbeit tatsächlich ausüben. Bei grenzüber­schreitender Tätig­keit führte dies dazu, dass bereits bei einem Anteil von mehr als 25 % der Arbeitszeit im Wohn­sitzstaat das Sozialversiche­rungs­recht dieses Staates An­wen­dung fand. Dies stellte insbesondere für Grenzgänger und ihre Ar­beitgeber eine Her­aus­for­derung dar, da ein Wechsel des Sozial­ver­sicherungssystems mit ad­ministrativem Auf­wand und möglichen Nach­teilen verbunden ist.

Das multilaterale Rahmenabkommen

Um diesen Problemen zu begegnen, wurde zum 1.7.2023 ein multilaterales Rah­men­abkommen eingeführt, das auf Artikel 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 basiert. Dieses Abkommen ermöglicht es Arbeitnehmern bis zu 49,9 % ihrer Arbeitszeit im Homeoffice im Wohnsitzstaat zu verbringen, ohne dass sich das anwendbare Sozial­ver­siche­rungs­recht ändert. Voraus­setzung ist, dass sowohl der Wohnsitzstaat als auch der Staat des Arbeit­ge­bers dem Ab­kom­men beigetreten sind.

Voraussetzungen

Für die Anwendung des Abkommens müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

Die Tätigkeit muss als Telearbeit definiert sein, d. h. sie kann orts­un­ab­hängig unter Einsatz von Informations­tech­no­logie ausgeübt werden.
Die Telearbeit im Wohnsitzstaat muss zwischen 25 % und weniger als 50 % der Gesamt­ar­beits­zeit ausmachen.
Der Arbeitnehmer darf nicht in einem dritten Staat tätig sein.
Es muss eine Ausnahmevereinbarung zwischen den beteiligten Staaten ge­schlos­sen werden, die im Interesse des Arbeitnehmers liegt.

Praxishinweis

In Deutschland ist für die Beantragung einer solchen Ausnahmevereinbarung die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland (DVKA) zu­stän­dig.

Auswirkungen auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Das neue Rahmenabkommen bietet sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeit­ge­bern mehr Flexibilität. Arbeit­neh­mer können nun nahezu die Hälfte ihrer Arbeits­zeit im Homeoffice im Ausland verbringen, ohne dass sich ihr Sozial­ver­siche­rungs­status ändert. Dies erleichtert insbesondere Grenzgängern die Ver­ein­bar­keit von Beruf und Privatleben.

Für Arbeitgeber bedeutet das Abkommen eine Reduzierung des administra­ti­ven Aufwands, da ein Wechsel des Sozial­versiche­rungs­systems vermieden wird. Zudem können sie ihren Mitarbeitern flexiblere Arbeitsmodelle anbieten, was die Attraktivität als Arbeitgeber steigert.

Fallstricke in der Praxis

Bislang sind keine aktuellen Urteile bekannt, die sich speziell mit dem neuen Rah­men­abkommen befassen. Dies liegt vermutlich daran, dass das Abkommen erst seit dem 1.7.2023 in Kraft ist und sich die Praxis noch einspielt. Das neue multila­te­rale Rahmenabkommen zur grenz­über­schreitenden Telearbeit wirft in der Praxis jedoch auch zahlreiche Fragen auf. Besonders relevant ist die Ab­gren­zung zur weiterhin geltenden EU-Verordnung (EG) Nr. 883/2004: Wann kommt welche Regelung zur Anwendung? Was gilt bei komplexen Fallkon­stel­la­tionen - z. B. bei Tätigkeiten in mehreren Staaten, temporären Auslands­auf­ent­halten oder bei Arbeit­ge­bern mit Sitz in Nicht-Vertragsstaaten? Welche Rolle spielt die Befristung des Arbeitsverhältnisses oder die Entsen­dung ins Ausland?

Praxishinweis

Seminarreihe In­ter­na­tio­nale Mit­ar­bei­ter­ent­sendung

Diese und weitere Fragen beantworten wir in unserer Seminarreihe „In­ter­na­tiona­le Mitarbeiterentsendungen“. Anhand praxisnaher Beispiele werden wir die aktuellen sozialversicherungsrechtlichen Entwicklungen erläutern, die unter­schied­lichen Abkommen voneinander abgrenzen sowie alle Fragen praxisnah und rechtssicher beantworten. Der Teil „Sozialversicherung bei internationalen Beschäftigungen“ findet am 15.9.2025 statt. Die gesamte Seminarreihe findet am 9.9., 11.9. und 15.9.2025 statt. Die Aus­schreibung der gesamten Reihe finden Sie auf unserer Homepage.