Neufang Akademie

nach oben

Sachverständige Schätzung der Rest­nutzungs­dauer eines Gebäudes nach Maßgabe der ImmoWertV

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
BFH, Urteil vom 23.1.2024 IX R 14/23
Fundstelle:
BFH/NV 2024 S. 823
Gesetz:
§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG
Streitfrage:
Wie ist der Nachweis der tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer eines Ge­bäudes zu erbringen?

AfA über tatsäch­liche Nutzungs­dauer

Ist die tatsächliche Nutzungsdauer bei einem Gebäude kürzer als die, die sich aus der Anwendung der typisierten AfA-Sätze nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG ergibt, kann die Abschreibung eines Gebäudes entsprechend der tat­säch­li­chen Nutzungs­dauer vor­ge­nom­men werden (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Verwaltung hat den Nachweis erschwert

Für die kürzere Nutzungsdauer trägt der Steuerpflichtige die Beweislast. Nach An­sicht der Verwaltung hat der Nach­weis einer kürzeren tat­säch­lichen Nut­zungs­dauer einen bestimmten Min­dest­standard zu erfüllen1. So ist Vor­aus­set­zung für die Vor­la­ge eines Gut­ach­tens über die tatsächliche kürzere Nut­zungsdauer, dass das Gut­ach­ten ent­we­der von einem öffentlich bestellten und vereidigten Gut­ach­ter oder von einem nach DIN EN ISO/IEC 17024 zer­ti­fi­zierten Sach­ver­stän­di­gen er­stellt wur­de.

BFH-Urteil erweitert Nach­weis­mög­lich­keiten

Damit stellt dieses BMF-Schreiben einen „Nichtanwendungserlass“ gegen das BFH-Urteil vom 28.7.2021 dar2. Danach können sich Steuerpflichtige jeder ge­eig­neten Nach­weis­möglichkeit einer kürzeren Nutzungsdauer bedienen. Die Vor­lage eines Bau­­sub­­stanz­­gut­achtens ist nicht Voraussetzung für die An­er­kennung einer ver­kürzten tatsächlichen Nut­zungs­dauer.

Nachweis anhand jeder sach­ver­stän­digen Methode

Im aktuellen Urteilsfall kam der BFH zum Ergebnis, dass sich der Steuer­pflich­ti­ge zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Ge­bäu­des gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG jeder sachverständigen Methode be­die­nen kann. Die gewählte Methode muss über die maßgeblichen Determinanten der Nut­zungs­dauer Aufschluss geben. Dies können beispielsweise der technische Ver­schleiß, die wirtschaftliche Entwertung oder rechtliche Nutzungsbe­schrän­­kun­­gen sein.

Praxishinweise

Der BFH widerspricht damit teilweise der Verwaltungsauffassung. Gleich­wohl ist der Steuerpflichtige nicht völlig frei, wie der Nachweis über die kürzere Nutzungs­dauer erbracht wird.
Der schlichte Verweis durch den Steuerpflichtigen auf die modellhaft er­mit­tel­te Ge­samt- und Restnutzungsdauer eines Gebäudes nach Maß­ga­be der be­tref­fen­den Immobilien­wert­er­mittlungs­ver­ord­nung genügt nicht.
Zum Nachweis der kürzeren Nutzungsdauer muss sich ein Sachver­stän­di­ger zu den individuellen Begebenheiten des zu bewertenden Ob­jekts äußern und darlegen, dass diese zu einer kürzeren Nutzungsdauer führen.
Ein auf die Vorgaben der betreffenden Im­mo­bilienwertermittlungsverord­nung gestütz­tes Sachverständigengutachten ist auch geeignet, Aufschluss über die für die tatsächliche Nutzungsdauer maß­geb­lichen Determinanten zu geben.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]BMF, Schreiben v. 22.2.2023 IV C 3 - S 2196/22/10006 :005, BStBl 2023 I S. 332, Tz. 22.
  2.  ]BFH, Urteil v. 28.7.2021 IX R 25/19, BFH/NV 2022 S. 108 Leitsatz Nr. 2.