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Veräußerungsgewinn bei gewinn- und umsatzabhängigen Kaufpreisanpassungen durch Earn-Out-Klauseln

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
BFH, Urteil vom 9.11.2023 IV R 9/21
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 16 EStG
Streitfrage:
Wie wirken sich gewinn- oder umsatzabhängige Kauf­preis­zahl­un­gen im Rahmen des § 16 EStG aus?

Earn-Out-Klauseln

Bei vielen Unternehmensveräußerungen sind sog. Earn-Out-Klauseln vor­ge­sehen. Eine Earn-Out-Vereinbarung bedeutet, dass ein Teil des Kauf­preises variabel ist und sich dieser variable Bestandteil an das Erreichen be­stimm­ter Ziele knüpft1. Dies können z. B. künftige Umsatz- oder Gewinn­größen sein. Da­neben wird ein fixer Anteil am Kaufpreis vereinbart.

Steuerlich stellen sich sodann die Fragen, ob

die Vereinbarung einer solchen Earn-Out-Klausel schädlich für die Pri­vi­le­gien der § 34 und § 16 Abs. 4 EStG ist und falls nein,
ob eine Zahlung aufgrund einer solchen Earn-Out-Klausel ebenso steuer­pri­vi­le­giert nach § 34, § 16 Abs. 4 EStG versteuert wird.

§ 16 EStG bei umsatzabhängigen Anpassungen

Hierzu entschied der BFH im Besprechungsurteil: Kaufpreiszahlungen, die erst nach einer Veräußerung i. S. des § 16 EStG erfolgen und deren Grund in Um­satz- oder Gewinnentwicklungen besteht, sind als laufende nachträgliche Ein­nah­men (§ 24 Nr. 2 EStG) und nicht im Rahmen des § 16 EStG zu be­steu­ern. Damit ist dieser Teil des Kaufpreises auch nicht nach § 16 Abs. 4, § 34 EStG privilegiert2. Grund hierfür ist, dass die Zahlungen aufgrund einer Earn-Out-Klausel aufschiebend bedingt (§ 158 BGB) sind und daher zum Stich­tag der Betriebsveräußerung als nicht existent gewürdigt werden.

Dem Urteil lag vereinfacht folgender Sachverhalt zu Grunde:

Sachverhalt

Sachverhalt

An der AB-OHG waren A und B jeweils zu 50 % beteiligt. B veräußerte seinen OHG-Anteil mit Wirkung zum 1.1.2021 an C. Der Kaufpreis betrug 550.000 €; das Kapitalkonto des B im Zeitpunkt des Ausscheidens 50.000 €. Außerdem wurde vereinbart, dass bei Erreichen bestimmter Umsatzwerte in den Folge­jah­ren weitere Kaufpreiszahlungen zu erfolgen haben. Ver­ein­ba­rungs­ge­mäß leis­te­te C an B für das Jahr 2021 noch eine nachträgliche Kauf­preis­zah­lung von 45.000 €, für 2022 i. H. von 60.000 € und 2023 i. H. von 20.000 €. Die Höhe dieser Zah­lun­gen ergab sich aus den Vereinbarungen über die künftigen Um­satz­ent­wick­lun­gen.

Stellungnahme

Kein § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

Der BFH geht im Besprechungsurteil davon aus, dass zunächst zum 1.1.2021 ein Gewinn i. S. des § 16 Abs. 2 i. V. mit Abs. 1 Nr. 2 EStG i. H. von 500.000 € (Kauf­preis abzgl. Kapital) entsteht. Die nachträglichen Zahlungen i. H. von ins­ge­samt 125.000 € stellen nachträgliche und laufende Betriebseinnahmen des B dar. Sie sind im Jahr ihrer Entstehung (maßgebend sind die vertraglichen Bedin­gun­gen) als laufende gewerbliche Einkünfte zu besteuern3. Eine Än­der­ung der Steuerfestsetzung 2021 durch § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO er­folgt nicht.

Praxishinweis

Die nachträgliche Besteuerung gewinn- oder umsatzabhängiger Kauf­preis­an­tei­le ist eine Abweichung vom Grundsatz, dass der Ver­äu­ßer­ungs­ge­winn un­ab­hängig vom Zufluss bereits bei Übertragung des wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tums zu besteuern ist4.

Steuerprivilegien möglich?

Weil nun ein Teil des Veräußerungsgewinns nicht unmittelbar, sondern nach­laufend über § 24 Nr. 2 EStG besteuert wird, stellt sich in der Folge die Fra­ge, ob § 16 Abs. 4 und § 34 EStG möglich sind. Eindeutig ausgeschlossen sind diese für den i. S. des § 24 Nr. 2 EStG variablen Teil des Kaufpreises, denn § 34 EStG umfasst keine nachträglichen Einkünfte. Doch wie stellt sich die Rechtslage in Bezug auf den fixen Anteil des Kaufpreises dar?

Praxishinweis

BFH musste nicht entscheiden

Aufgrund des im Urteilsfall vorliegenden Verlustes für den fixen Teil des Kauf­preises musste der BFH keine Entscheidung zur Anwendung des § 16 Abs. 4 und § 34 EStG für diesen Teil des Kaufpreises treffen. Daher kann dieser Teil nicht abschließend rechtssicher beantwortet werden.

Wacker5 argumentiert in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Recht­sprechung6 zu Einmalzahlungen im Zusammenhang mit wie­der­keh­ren­den Be­zü­gen (z. B. Einmalzahlung zzgl. Kaufpreisrenten) wie folgt: Der Ein­mal­be­trag unterliegt den Privilegien des § 16 Abs. 4 und § 34 EStG. Die nach­träg­liche Kaufpreisrente wird laufend besteuert7. Für den Fall der Earn-Out-Klausel bedeutet dies, dass

der fixe Anteil des Kaufpreises als Gewinn i. S. des § 16 EStG steuer­pri­vi­le­giert ist und
die Zahlungen aufgrund der Earn-Out-Klausel als nachträgliche Einkünfte i. S. des § 24 Nr. 2 EStG nicht steuerprivilegiert und damit laufend zu ver­steu­ern sind.

Praxishinweise

Es gibt auch gegenteilige Stimmen in der Literatur, die für beide Anteile des Kaufpreises § 16 Abs. 4 und § 34 EStG verneinen8.
Als Ausweg zur Vermeidung dieser Rechtsunsicherheit bietet sich im Hin­blick auf die Gestaltungsberatung Folgendes an9:

Ausweggestaltung sichert § 16 Abs. 4 und § 34 EStG

  • Zunächst ist ein höherer Kaufpreis, d. h. ein Kaufpreis inkl. aller mög­li­cher variablen Zahlungen als fixer Einmalkaufpreis zu ver­ein­baren. In diesem Fall entsteht der Kaufpreisanspruch zunächst un­ab­hängig von den betriebswirtschaftlichen Größen wie EBITDA, Um­satz oder Gewinn im Zeitpunkt des Verkaufs.
  • Werden gewisse Gewinn-, Umsatz- oder sonstige Ziele verfehlt, wird der Kaufpreis bereits vertraglich geregelt entsprechend rückwirkend re­du­ziert. Diese Komponenten des Kaufpreises können gestundet werden.
  • Auf diese Weise ist die Entstehung des Kaufpreisanspruches aber nicht abhängig von der Erreichung der Bezugsgrößen. Es liegen keine auf­schie­ben­den Bedingungen vor. Die ungeklärte Problematik des Be­sprech­ungs­urteils ist damit umgangen.
  • Der Ausfall des gestundeten Kaufpreises aufgrund der nicht erreichten Be­zugs­größen sollte dann als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu einer Korrektur des Veräußerungsgewinns im Jahr der Veräußerung führen10.
  • Die Anwendung der Tarifbegünstigung i. S. des § 34 Abs. 3 EStG und der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG sollten bei einer solchen Ge­stal­tung nicht gefährdet sein.
  • Nachteilig an dieser Gestaltung ist, dass der Veräußerer bereits im Ver­äu­ßerungs­zeit­punkt den gesamten Ver­äußerungsgewinn inkl. Earn-Out zu versteuern hat, obwohl ihm die entsprechende Liquidität erst in spä­te­ren Ver­an­la­gungs­zeiträumen zufließt.
  • Im Rahmen einer Beratung müssen hier der Liquiditätsnachteil und der steuerliche Vorteil aus der Risikominimierung in Bezug auf die Ta­rif­begünstigung des § 34 EStG gegeneinander abgewogen werden.

Ergänzend ist noch anzumerken:

Die nachträglichen Einkünfte nach § 24 Nr. 2 EStG aus der Earn-Out-Klau­sel sind nicht Teil einer einheitlich gesonderten Feststellung, selbst wenn sie aus einer Mitunternehmeranteils-Veräußerung stammen.
Die Frage der Einstufung von Earn-out-Klauseln kann sich auch bei der Ver­äußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft stellen. Dazu hat der BFH bereits entschieden11, dass die gewinn- oder umsatzabhängigen Kauf­preis­for­derungen erst im Zeitpunkt ihrer Realisation zu einem Ver­äu­ße­rungs­ge­winn führen.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]Dr. Lohbeck, Fachberater-AG Neufang Akademie II/2020, S. 166.
  2.  ]So auch Wacker, in Schmidt, EStG, 42. Aufl., § 16 Rz. 348.
  3.  ]U. E. entsteht insoweit keine Gewerbesteuer, weil B im Zeitpunkt der Einkünfte keinen stehenden Gewerbebetrieb unterhält, vgl. § 2 Abs. 1 GewStG.
  4.  ]BFH, Beschluss v. 19.7.1993 GrS 2/92, BStBl 1993 II S. 897.
  5.  ]Wacker, in Schmidt, EStG, 42. Aufl. § 16 Rz. 263.
  6.  ]BFH, Urteil v. 10.7.1991 X R 79/90, BFH/NV 1991 S. 73; FG Münster, Urteil v. 25.4.2001 8 K 4427/98, EFG 2001 S. 1275.
  7.  ]Ebenso die Verwaltung in H 16 (11) EStH „Freibetrag“.
  8.  ]Patt EStB 2018 S. 330; Müller/Dorn/Schwarz NWB 2017 S. 2906.
  9.  ]Ketteler-Eising, DStR 2022 S. 1633, Tz. 4.
  10.  ]Vgl. auch Müller/Dorn/Schwarz NWB 2017 S. 2906; BFH, Urteile v. 22.12.2010 I R 58/10, BStBl 2015 II S. 668, Rz. 13; v. 19.7.1993 GrS 2/92, BStBl 1993 II S. 897; v. 19.8.2003 VIII R 67/02, BStBl 2004 II S. 107; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, AO § 175 Rz. 34.
  11.  ]BFH, Urteil v. 19.12.2018 I R 71/16, BStBl 2019 II S. 493.