Veranlassungszusammenhang zur späteren beruflichen Tätigkeit
Nach der Entscheidung des BFH vom 28.7.20111 waren die Kosten der Erstausbildung als (vorweggenommene) Werbungskosten abzugsfähig, soweit diese Aufwendungen nach dem Veranlassungsprinzip einer späteren beruflichen Tätigkeit zuzuordnen sind.
Gesetzesänderung durch das BeitrRLUmsG
Diese günstigere Rechtsprechung wurde durch das BeitrRLUmsG rückwirkend beseitigt. Es wurde „klargestellt“, dass Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für sein Erststudium entgegen der Rechtsprechung des BFH keine Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten sind. Lediglich ein Sonderausgabenabzug sei möglich. Die Höchstgrenze des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG wurde allerdings von 4.000 € auf 6.000 € erhöht.
Diese Neuregelung wurde aus zwei Gründen als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen, weil sie einerseits einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot darstellen und andererseits gegen das objektive Nettoprinzip verstoßen könnte. Der VIII. Senat des BFH hat diese Bedenken nicht geteilt2.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Nach Ansicht des VI. Senat sind die Aufwendungen für die Berufsausbildung notwendige Voraussetzung für eine nachfolgende Berufstätigkeit. Demgemäß sind die Kosten als (vorweggenommene) Werbungskosten zu berücksichtigen. Deshalb ist das Abzugsverbot ein Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten verfassungsrechtlichen Gebots der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit.
Verfahren ist vor dem BVerfG anhängig
Weil zudem der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in vielen Fällen ins Leere läuft, hat der VI. Senat die Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt3. Die Aktenzeichen lauten: 2 BvL 23/14 und 2 BvL 24/14.
Praxishinweise
Es ist abzuwarten, wie das BVerfG entscheiden wird und die Erstausbildungskosten sind weiterhin geltend zu machen. Die Fälle sind weiterhin offen zu halten. Ein Ruhen der Verfahren ist zwingend (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).
Zweitausbildung
Für die Beurteilung einer Zweitausbildung ist der Begriff der Berufsausbildung nach Auffassung des BFH5 sehr weit auszulegen. Dies setzt nicht ein duales Ausbildungssystem oder innerbetriebliche Berufsbildungsmaßnahmen voraus, sondern jede Ausbildung, die den Steuerpflichtigen befähigt, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen, ist eine Berufsausbildung. Dies kann auch eine firmeninterne Ausbildung zum Flugbegleiter oder Rettungssanitäter sein. Diese Auslegung gilt auch für die Beurteilung einer Erst- bzw. Zweitausbildung. Die Rechtsprechung ist zumindest bis 2014 noch anzuwenden.
Ab 2015 soll durch das Zollkodexanpassungsgesetz der Begriff der Berufsausbildung gesetzlich definiert werden6. Damit sollen nach der Gesetzesbegründung Gestaltungen ausgeschlossen werden, dass ein Steuerpflichtiger eine Ausbildung als Taxifahrer oder Skilehrer absolviert, um vor Beginn des Studiums noch eine Erstausbildung zu haben. Aufgrund des unklaren Gesetzeswortlauts7, bei dem zweimal auf das Wort „Berufsausbildung“ Rückgriff genommen wird und der fraglichen Vereinbarkeit mit dem objektiven Nettoprinzip ist diese Neuregelung u. E. nicht unumstritten und könnte zum Gegenstand weiterer Verfahren werden.
Erstausbildung wird gesetzlich definiert
Aufgrund der vielen Unklarheiten, die es derzeit bei der steuerlichen Berücksichtigung von Berufsausbildungskosten gibt, wäre eine klare gesetzliche Regelung wünschenswert. Hierzu wäre es sicherlich angebracht, auf die Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitausbildung zu verzichten, weil nach dem objektiven Nettoprinzip sowohl die Kosten für eine Erstausbildung, als auch die Kosten für eine Zweitausbildung abzugsfähig sein müssten.
Praxishinweis
Klare gesetzliche Regelung wäre wünschenswert
Die Problematik der Erstausbildung reduziert sich, wenn das Kind eigene Einkünfte hat. Dies kann z. B. durch einen Zuwendungsnießbrauch erreicht werden8.Dies vor dem Hintergrund, dass die eigenen Einkünfte/Bezüge keine Auswirkung auf das Kindergeld haben.
Fußnoten anzeigen ↓
- [ ↑ ]BFH, Urteile v. 28.7.2011 VI R 38/10, BStBl 2012 II S. 561; VI R 7/10, BStBl 2012 II S. 557; VI R 5/10, BStBl 2012 II S. 553; vgl. auch B. Neufang/M. Neufang, StB 2011 S. 350.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 5.11.2013 VIII R 22/12, BStBl 2014 II S. 165; vgl. auch BerP S. 79.
- [ ↑ ]BFH, Vorlagebeschlüsse vom 17.7.2014 VI R 2/12 und VI R 8/12, BFH/NV 2014 S. 1954 und S. 1970.
- [ ↑ ]BFH, Urteile v. 14.2.1992 VI R 26/90, BStBl 1992 II S. 556; v. 26.6.2003 VI R 8/01, BFH/NV 2003 S. 1418; v. 22.7.2003 VI R 50/02, BStBl 2004 II S. 889; v. 22.7.2003 VI R 46/02, juris; vgl. auch BerP 2013 S. 424.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 28.2.2013 VI R 6/12, BFH/NV 2013 S. 1166.
- [ ↑ ]Siehe BerP 2014 S. 775, Tz. 4.
- [ ↑ ]Hechtner, NWB 2014 S. 2837.
- [ ↑ ]Vgl. hierzu BerP 2013 S. 709 ff.