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Wahl der Wertermittlungsmethode zur Kauf­preisauf­tei­lung bei einem bebauten Grundstück

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Gericht / Az:
BFH, Urteil vom 20.9.2022 IX R 12/21
Fundstelle:
DStR 2022 S. 2594
Gesetz:
§ 7 Abs. 1 EStG , § 255 Abs. 1 HGB
Problemstellung:
Gibt es einen Vorrang einer bestimmten Gutachtermethode zur Kauf­preis­aufteilung?

Kaufpreisaufteilung

Zur Ermittlung der AfA ist der Gesamtkaufpreis eines bebauten Grundstücks in einen Anteil für das Gebäude und einen Anteil für den Grund und Boden sowie ggf. Außenanlagen auf­zu­teilen. Wir empfehlen, diese Aufteilung bereits im notariellen Kauf­vertrag vor­zunehmen1.

Fehlen einer ver­trag­lichen Auf­tei­lung

Fehlt eine bindende vertragliche Aufteilung, bleiben für die Kaufpreisaufteilung noch die folgenden Möglichkeiten:

Anerkannte Bewertungsmethode durch einen Gutachter oder
Kaufpreisaufteilung durch die „Arbeitshilfe“ des BMF2.

Urteilsfall

Im Urteilsfall ermittelte der Gutachter für eine Eigentumswohnung mit Tiefga­ra­gen­stell­platz die Kaufpreisaufteilung mit der Er­trags­wert­methode. Das Fi­nanz­amt war im Klageverfahren der Ansicht, dass das Sach­wert­ver­fahren an­zu­wen­den sei.

Kein Vorrang eines bestimmten Bewer­tungs­ver­fahrens

Der BFH kam zum Ergebnis, dass bei der Bewertung durch einen Gutachter kein Vorrang eines Bewertungs­ver­fahrens besteht. Die in der ImmoWertV ge­re­gel­ten Be­wer­tungs­ver­fah­ren (Ertragswert-, Sachwert- und Vergleichs­wert­ver­fahren) sind grund­sätz­lich gleichrangig. Bei Objekten, bei denen die Ren­di­te­er­wartung prägend für die Kauf­ent­schei­dung (hier: Eigentums­woh­nung) ist, be­steht Raum für die Anwendung des Er­­trags­­wert­­ver­­fah­rens. Ein ge­nerel­ler Vor­rang einer Me­tho­de ist nicht gegeben; es bedarf viel­mehr einer ein­zel­fall­be­zo­genen Be­wer­tung.

Verfahren soll die Wert­ver­hält­nis­se ab­bilden

Der BFH bestätigte damit, dass das Verfahren zu wählen ist, welches am ehesten die tatsächlichen Wertverhältnisse zutreffend abbildet:

Bei einem denkmalgeschützten, umfassend sanierten Mietwohngebäude ist das Sach­wert­ver­fah­ren geeignet3.
Bei Renditeobjekten steht der Ertragsgedanke im Vordergrund und deshalb ist das Er­trags­wert­ver­fah­ren angemessener4.

Deshalb kommt der BFH zum Ergebnis, dass im aktuellen Fall bei einem Miet­wohn­objekt auf eine ertragsbasierte Bewertung abzustellen ist.

Praxishinweise

Wir empfehlen, die Kaufpreisaufteilung bereits im notariellen Kauf­vertrag vor­zunehmen. In diesem Fall ist von den Werten auszugehen, die vom Ver­­käu­fer im Kauf­vertrag ausgewiesen wurden5. Der Aufteilung ist nur dann nicht zu folgen, wenn diese zum Schein ge­troffen wur­de, willkürlich er­­scheint6 oder solange dagegen nennens­werte Zweifel be­stehen7.
Die Verwaltung hat sich in der Vergangenheit bei ihrer Excel-Datei zur Kauf­­preis­auf­tei­lung lediglich auf das Sachwertverfahren beschränkt. Dies stand in der Kri­tik und deshalb veröffentlichte die Verwaltung eine grund­le­gend überarbeitete Ar­beits­hil­fe. Mit der neuen Version hat die Finanz­ver­wal­tung eine Kehrt­wende voll­zo­gen. Nach der jahre­langen Be­vor­zu­gung des Sach­wert­verfahrens erfolgt die Be­wer­tung je nach Gebäude- bzw. Ob­jekt­typ nach folgenden Verfahren:
  • Vergleichs­wert­ver­fahren,
  • Ertragswertverfahren oder
  • Sachwertverfahren.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]Vgl. BerP 3/2022 S. 177, Tz. 1.5.3.
  2.  ]Abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Kaufpreisaufteilung (Stand: 6.1.2023).
  3.  ]BFH, Urteil v. 29.10.2019 IX R 39/17, BFH/NV 2020 S. 681.
  4.  ]BFH, Beschluss v. 27.11.2017 IX B 144/16, BFH/NV 2018 S. 218.
  5.  ]BFH, Urteile v. 10.10.2000 IX R 86/97, BStBl 2001 II S. 183; v. 27.7.2004 IX R 54/02, BStBl 2006 II S. 9; v. 18.1.2006 IX R 34/05, BFH/NV 2006 S. 1634; BFH, v. 16.9.2015 IX R 12/14, BStBl 2016 II S. 397; Beschlüsse v. 24.1.2007 IX B 84/06, BFH/NV 2007 S. 1104; v. 4.12.2008 IX B 149/08, BFH/NV 2009 S. 365; H 7.3 EStH „Kauf­preis­aufteilung“; Schallmoser, DStR 2009 S. 1685; vgl. BerP 3/2022 S. 177.
  6.  ]BFH, Urteil v. 16.9.2015 IX R 12/14, BStBl 2016 II S. 397; Niedersächsisches FG, Urteil v. 24.2.2021 9 K 116/19, juris; FG Münster, Urteil v. 22.9.2022 8 K 2748/20 E, juris.
  7.  ]BFH, Urteil v. 10.10.2000 IX R 86/97, BStBl 2001 II S. 183.