Neufang Akademie

nach oben

Geringfügige Mängel der Kassenführung be­rech­ti­gen nicht zu pauschalen Hin­zu­schätz­ungen

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
FG Münster, Urteil vom 9.3.2021 1 K 3085/17 E, G, U
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 160 AO

Bei einer Hinzuschätzung von Einnahmen wegen einer formell ord­nungs­wi­dri­gen Kassenführung wird der Finanzbehörde ein gewisser Er­mes­sens­spiel­raum ein­ge­räumt. Somit darf sich die Höhe der Hin­zu­schätz­ung inner­halb eines gewissen Rahmens bewegen. Der Er­mes­sens­rah­men wird umso größer, je gröber gegen die formellen An­for­der­un­gen ver­stoßen wird1.

Wann besteht eine Schätzungsbe­fugnis?

Bezüglich der Schätzungsbefugnis gilt:

Praxishinweis

Grober Fehler, großer Schätz­ungs­rahmen

Bei be­sonders grober Pflichtverletzung kann sich die Schätzung auch am oberen Rand des Rahmens orientieren. Außerdem wird der Rahmen umso größer, je schwerwiegender die formelle Pflichtverletzung ist2.

Schätzung muss Lebenssachverhalt möglichst nahe kommen

Das Ziel einer Schätzung ist jedoch stets, dass diese dem tatsächlichen Sach­verhalt möglichst nahekommen soll. Daher muss sie in ihrer Aus­ge­stal­tung schlüssig, wirtschaftlich möglich und wahr­scheinlich sein. Folg­lich er­lauben kleine, aber unstrittige formelle Mängel auch nicht Hin­zu­schätz­un­gen im größeren Rahmen. Werden z. B. einzelne Barumsätze im Wert von ca. 100 € im Jahr nachweislich nicht in der Kasse verbucht, ergibt sich hieraus nur eine Schätzungsbefugnis i. H. dieser 100 €. Bei einer Ge­samt­um­satz­größe von 30.000 € pro Jahr darf es in diesem Fall nicht zu einer pauschalen Hin­zu­schätz­ung von mehreren tausend Euro kommen. Dies wäre un­ver­hält­nis­mäßig3.

Praxishinweise

Zur Abwehrberatung bei Schätzungen wird verwiesen auf BerP 8/2020 S. 450.
Außerdem wird auf das Onlineseminar „Außenprü­fung, Kassen­füh­rung, Schätzung & Co.“ am 19.05.2021 hin­ge­wiesen.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]Rüsken, in Klein, AO, 13. Aufl., § 162 Rz. 4.
  2.  ]BFH, Urteil v. 15.7.2014 X R 42/12, BFH/NV 2015 S. 145; FG Münster, Urteil v. 31.10.2000 5 K 6661/98, juris.
  3.  ]FG Münster, Urteil v. 9.3.2021 1 K 3085/17 E, G, U, juris.