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BMF-Schreiben zur Umsatzsteuersatzerhöhung zum Jahreswechsel

Kategoriegrafik
Verwaltungs-
anweisung:
BMF, Schreiben vom 4.11.2020 III C 2 - S 7030/20/10009:016
Fundstelle:
noch nicht veröffentlicht
Gesetz:
§ 12 UStG
Streitfrage:
Welche Regeln gelten bezüglich der Steuersatzänderung zum 1.1.2021 in der Umsatzsteuer?

BMF zur Erhöhung auf 7 % bzw. 19 %

Das BMF hat ergänzend zum BMF-Schreiben vom 30.6.20201 am 4.11.2020 ein neues BMF-Schreiben in Bezug auf die Umsatzsteuersatzerhöhung von 5 %/16 % auf 7 %/19 % veröffentlicht. Die wesentlichen Eckpunkte sind unten aufgeführt.

Praxishinweise

Die im Text angegeben Rz. beziehen sich auf das BMF-Schreiben vom 4.11.2020.
Auf unsere Ausführungen in BerP 7/20202 wird verwiesen. Die dortigen Ausführungen sind weiterhin gültig.
1.Anzahlungsrechnungen (Rz. 1-4)

Anzahlungen schützen Steuer-satz nicht

Für Anzahlungsrechnungen im zweiten Halbjahr 2020, deren Leistung jedoch erst in 2021 erfolgt (damit Steuersatz von 7 %/19 %), darf bereits auf der An­zahlungsrechnung der wieder erhöhte Steuersatz von 7 %/19 % an­ge­wen­det werden. Der Rechnungsempfänger darf sodann auch einen Vor­steu­er­ab­zug i. H. von 7 %/19 % in Anspruch nehmen.

Eine Anzahlungsrechnung vor dem 1.7.2020 mit 7 %/19 % muss bei Leis­tungs­aus­führ­ung im zweiten Halbjahr 2020 z. B. über eine Schlussrechnung über die letztliche Leistung auf 5 % / 16 % korrigiert werden, da an­sons­ten ein Fall des § 14c Abs. 1 UStG vorliegt.

2.Gutscheine (Rz. 5, 6)

BMF positioniert sich unklar zu Gutscheinen

Für kritisch erachten wir die Aussage des BMF zur Thematik Gutscheine. Aus­zugs­weise heißt es darin: „Die Ausstellung eines als Gutschein be­zeich­ne­ten Dokuments für einen verbindlich bestellten Gegenstand […] ist eine An­zahl­ung“. Damit liegt kein Einzweck-Gutschein vor.

Beispiel

Ein Kfz-Händler bietet an, auf den Erwerb eines Neu- oder Ge­braucht­fahr­zeu­ges, welches erst nach dem 31.12.2020 ausgeliefert werden kann, den abgesenkten Umsatzsteuersatz anzuwenden, indem im zweiten Halb­jahr 2020 die Ausgabe eines als Gutschein bezeichneten Dokuments („Gut­schein“) mit einem Steuersatz von 16 % erfolgt. Der „Gutschein“ ist auf eine verbindliche Bestellung eines individualisierten Fahrzeugs mit einer Ver­pflich­tung zur Ab­nah­me bezogen. Ein späterer Umtausch, eine Bar­aus­zahl­ung oder eine Über­tra­gung des „Gutscheins“ auf einen anderen Ver­käu­fer bzw. Käufer ist aus­ge­schlossen.

Lösung

Es liegt kein Einzweck-Gutschein i. S. des § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG, sondern eine Anzahlung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG vor. Diese be­rech­tigt den Erwerber in Verbindung mit der verbindlichen Bestellung ein ge­nau bestimmtes Fahrzeug von einem genau bezeichneten Unternehmer in Em­pfang zu nehmen. Der Unterschied zum Einzweck-Gutschein besteht darin, dass der Leistungsgegenstand nicht nur bestimmbar, sondern - wie im Falle einer ver­bind­li­chen Bestellung - inhaltlich genau bestimmt ist. Der Erwerber hat keine Mög­lich­keit, den tatsächlichen Auslieferungszeitpunkt auszuwählen bzw. zu be­ein­flussen. Die Umsatzsteuer ist bei Zahlung vor dem 1.1.2021 zunächst mit einem Steuersatz von 16 % zu berechnen. Bei Lieferung des Fahrzeugs nach dem 31.12.2020 hat anschließend eine Berichtigung auf 19 Prozent im Zeitpunkt der Leistungsausführung zu erfolgen.

Praxishinweis

Gestaltung mit Ein­zweck-Gut­schein­en riskant

Damit bleibt aber unklar, ob ein Einzweck-Gutschein im obigen Fall über einen „PKW“, der nicht genau bezeichnet wird, möglich ist, um den Steu­er­satz auch für 2021 zu retten. Die Literaturmeinung hierzu ist ge­spal­ten3. Wir raten von Gestaltungen hierzu ab. Es ist jedoch klar er­sicht­lich, dass das BMF solche Gestaltungen nicht akzeptieren will, dies recht­lich aber kaum begründen kann.

Gutscheine bei Restaurations-leistungen

Soweit Gutscheine für Restaurationsleistungen vor dem 1.7.2020 ausgegeben wurden, bleibt es bei der Versteuerung als Einzweck-Gutschein mit 19 %, auch wenn die Einlösung im Zeitraum vom 1.7.2020 bis 30.6.2021 erfolgt. Denn für die Behandlung als Einzweck-Gutschein ist ausschließlich auf die Ge­setz­es­la­ge im Zeitpunkt der Ausgabe abzustellen.

Da im Zeitraum 1.7.2020 bis (voraussichtlich) 30.6.2021 für Speise-Res­tau­ra­tions­leis­tun­gen der ermäßigte Steuersatz gilt (§ 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG), ist in diesem Zeitraum der anzuwendende Steuersatz bei einem nor­ma­len Re­stau­ra­tions­gut­schein wegen der unterschiedlichen Besteuerung von Speisen und Getränken nicht eindeutig bestimmbar ist. Es handelt sich bei in diesem Zeitraum ausgegebenen Gutscheinen für Restaurations- und Ver­pfle­gungs­dienst­leis­tungen grundsätzlich um Mehrzweck-Gutscheine mit der Folge, dass die Versteuerung im Zeitpunkt der tatsächlichen Leis­tungs­er­bring­ung zum dann gültigen Steuersatz erfolgt. In der Zeit vom 1.7.2020 bis 30.6.2021 ausgegebene Gutscheine für Restaurationsleistungen können nur dann als Einzweck-Gutscheine behandelt werden, wenn die Gutscheine auf den Bezug von Speisen oder den Bezug von Getränken explizit beschränkt werden. Gutscheine für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen einschließlich Getränke gelten erst wieder als Einzweck-Gutscheine, wenn sie für den Zeitraum ab dem 1.7.2021 ausgestellt werden.

3.Sonder- und Ausgleichszahlungen bei Miet- oder Leasingverträgen (Rz. 15)

Leasing-Sonder-Zahlungen

Sonderzahlungen bei Leasingsverträgen beziehen sich auf die gesamte Lea­singdauer, müssen also ggf. aufgeteilt werden, wenn der Leasingzeitraum auch den Zeitraum 1.7.2020 bis 31.12.2020 umfasst.  Die Aufteilung erfolgt grund­sätzlich zeitanteilig. Andere sachgerechte Aufteilungsmethoden sind zu­lässig.

4.Wiederkehrende Leistungen (Rz. 21)

Abgrenzung zur Dauerleistung

Von dem Begriff der Dauerleistung im Sinne der Rz. 23 des BMF-Schreibens vom 30.6.2020, werden wiederkehrende Leistungen nicht erfasst, die zeit­punktbezogen in regelmäßigen Abständen einmal oder mehrfach jährlich er­bracht werden. Diese Leistungen werden am Tag jeder einzelnen Leis­tungs­er­bring­ung ausgeführt.

Beispiel

Eine als „jährlicher Wartungsvertrag“ bezeichnete Vereinbarung hat folgenden Inhalt:

Der Anbieter verpflichtet sich, die Anlage einmal jährlich zu überprüfen. Bei der Überprüfung wird die Funktionstüchtigkeit überprüft und ein Über­prüf­ungs­pro­to­koll erstellt; für Leistungen, die über die Kontrollarbeiten hin­aus­gehen, erhält der Kunde ein gesondertes Angebot; der Preis beträgt jähr­lich xxx €. Die Zahlung wird zehn Tage nach Erhalt der Rechnung fällig; diese Vereinbarung ist bis drei Monate vor Ablauf des Kalenderjahres kündbar.

Lösung

Es handelt sich nicht um eine Dauerleistung, da keine durchgehende Leis­tungs­be­reit­schaft bzw. -erbringung geschuldet wird, sondern um eine zeit­punkt­be­zo­gen zu erbringende Tätigkeit, die lediglich zivilrechtlich in ein Dau­er­schuld­verhältnis gekleidet ist. Der Steuersatz richtet sich nach dem Tag der Leis­tungs­er­bringung.

4.Weitere Punkte

Sonstige The­men­felder

Das BMF-Schreiben vom 4.11.2020 behandelt noch weitere Ausführungen zu folgenden Themen:

Erstattung von Pfandbeträgen (Rz. 7)
Gewährung von Jahresboni (Rz. 8 f.)
Herstellerrabatte bei Abgabe pharmazeutischer Produkte (Rz. 10)
Besteuerung von Strom-, Gas-, Wasser-, Kälte- und Wärmelieferungen  sowie von Abwasserbeseitigung (Rz. 11)
Besteuerung von Personenbeförderungen (Rz. 12 ff.)
Gesamtmargenbildung nach § 25 Abs. 3 Satz 3 UStG (Rz. 16)
Differenzbesteuerung mit Gesamtmarge nach § 25a Abs. 4 UStG (Rz. 17)
Zeitung- und Zeitschriftenabonnements (Rz. 18)
Leistungszeitpunkt bei Leistungen eines Insolvenzverwalters (Rz. 19)
Leistungen des Gerüstbauerhandwerks (Rz. 20)
Besteuerung der Umsätze im Gastgewerbe (Rz. 22)

Praxishinweis

Von einer weitergehenden Besprechung der obigen Ausführungen wird ab­gesehen, da diese nur Einzelfälle betreffen. Auf die Ausführungen im BMF-Schreiben vom 4.11.2020 wird verwiesen.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]BMF, Schreiben v. 30.6.2020 III C 2 - S 7030/20/10009:004, BStBl 2020 I S. 584; BerP 7/2020 S. 395.
  2.  ]BerP 7/2020 S. 395.
  3.  ]Ein Einzweck-Gutschein ist aktuell möglich, um den Steuersatz für 2021 zu schützen: Schäfer/Treiber, BB 2020 S. 1623; Korn, DStR 2020 S. 1345; Rondorf NWB 2020 S. 2068; teilweise bejahend: Slapio/Feil, UR 2020 S. 703; Prätzler, StuB 2020 S. 540; verneinend: Fischer/Petersen, Die Steuerberatung 9/2020 S. 349.