- Gericht / Az:
- EuGH, Urteil vom 4.7.2019 C-377/17
- Fundstelle:
-
NJW 2019 S. 2529
- Gesetz:
- HOAI, StBVV
HOAI europarechts-widrig
Mit dem Besprechungsurteil hat der EuGH festgestellt, dass die nationalen Mindest- und Höchstpreise der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) gegen § 15 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG verstoßen und damit im Ergebnis europarechtswidrig sind. Eine gesetzgeberische Anpassung wird daher alsbald notwendig sein.
Auswirkung auf StBVV?
Für den Berufsstand der Steuerberater ist das Urteil aufgrund seiner Argumentation und der Auswirkung auf die StBVV entscheidend. Daher muss zunächst die Argumentation des EuGH zur HOAI-Entscheidung nachvollzogen werden.
Schutz der Dienst-leistungsqualität rechtfertigt Mindestpreise
Zunächst bleibt festzustellen, dass die HOAI mit ihren Mindest- und Höchstpreisen - wie auch die StBVV - Anbieter am Zugang zum deutschen Markt hindert. Dieser Verstoß kann jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Die Sicherung der Qualität der Dienstleistungen und der Verbraucherschutz sind solche zwingenden Gründen, die eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen. Dementsprechend argumentierte die Bundesrepublik im Besprechungsverfahren auch, dass die Qualität der in der HOAI geregelten Leistungen (z. B. Planungsleistungen) sich nur durch solche Mindestpreise gewährleisten lässt, um Dumping-Angebote mit minderer Qualität zu verhindern.
Schutz muss aber kohärent umgesetzt werden
Interessanterweise und zum Glück bestätigte der EuGH diese Logik und stellte fest, dass Mindestpreise zum Schutz der Dienstleistungsqualität ein geeignetes Mittel seien und damit auch grundsätzlich zulässig sind. Wichtig ist nur, dass diese Logik des Schutzes der Dienstleistungsqualität sodann auch kohärent umgesetzt wird. D. h. auch sämtliche andere Regelungen müssen plausibel die Dienstleistungsqualität schützen.
Mit diesem Schutzgedanken der Dienstleistungsqualität sei es sodann aber nicht vereinbar, dass die HOAI zwar Mindestpreise festlege, den Zugang zur Erbringung der Dienstleistung jedoch faktisch freistellt, sodass auch nicht entsprechend fachlich qualifizierte Marktteilnehmer (außer Architekten, Ingenieure etc.) eine solche Dienstleistung am Markt anbieten können. Daher sei die HOAI insgesamt inkohärent und damit europarechtswidrig.
Wohl Entwarnung bei StBVV
Bezüglich den Regelungen der StBVV sollte damit primär Entwarnung gelten. Zum einen ist über § 4 Abs. 3 StBVV der Mindestpreis - unter gewissen Voraussetzungen - ohnehin bereits ausgehebelt. Zum anderen haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 7.11.2018 Vertreter der EU-Kommission die deutsche Regelung des § 4 Abs. 3 StBVV als ausdrückliches Musterbeispiel für eine europarechtskonforme Regelung dargestellt1.
Praxishinweise
Weiterhin kritisch: Vorbehaltsaufgaben der Beraterschaft