- Gericht / Az:
- EuGH, Urteil vom 26.4.2018 C-811/17 (Zabrus Siret)
- Fundstelle:
- DStRE 2018 S. 1377
- Gesetz:
- § 15 UStG
- Streitfrage:
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Kann ein Vorsteuerabzug innerhalb der Festsetzungsfrist stets - d. h. auch beispielsweise nach einer durchgeführten Außenprüfung - erfolgen?
Um das Urteil zu verdeutlich, wird zunächste ein einführendes Fallbeispiel dargestellt.
Sachverhalt
BP führt zur Aufhebung des § 164 AO
A gibt seine Umsatzssteuerjahresanmeldung für das Jahr 2016 in 2017 ab. In 2019 findet eine Betriebsprüfung (auch für die Umsatzsteuer) für die Jahre 2016 bis 2018 statt, die ergebnislos beendet wird.
In 2020 findet A zufällig eine bislang noch nicht gebuchte EIngangsrechnung des Jahres 2016 aus der sich ein Vorsteuerabzug für 1.000 € ergibt. Kann diese Vorsteuer noch geltend gemacht werden?
Stellungnahme
Die ursprüngliche Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 AO). Nach der Betriebsprüfung muss dieser Vorbehalt der Nachprüfung gem § 164 Abs. 3 Satz 3 AO aufgehoben werden, was in der Praxis regelmäßig der Fall ist.
Nachträgliche Vorsteuer damit nicht mehr möglich
Damit besteht für die Vorsteuer ein Problem, denn eine Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung ist aus korrekturrechtlicher Sicht nicht mehr möglich. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheitert am Verschulden (bzw. an der erhöhten Bestandskraft des § 173 Abs. 2 AO, sofern sich durch die Betriebsprüfung eine Änderung ergeben würde), § 164 Abs. 2 AO an der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung.
Im Ergebnis zeigt der obige Sachverhalt, dass gerade nach einer erfolgten Außenprüfung die nachträgliche Geltendmachung des Vorsteuerabzugs in der Praxis regelmäßig nicht möglich ist.
EuGH widerspricht dieser Ansicht
Diese Auffassung ist aufgrund des Besprechungsurteils u. E. überholt. Denn in einem vergleichbaren (rumänischen) Fall, hat der EuGH entschieden, dass es der sog. Effektivitätsgrundsatz erfordert, dass innerhalb einer „angemessenen Zeitspanne“ (im rumänischen Fall fünf Jahre bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung) ein uneingeschränktes Recht auf Vorsteuerabzug nicht nur materiell-rechtlich (i. S. des nationalen § 15 UStG) bestehgt, sondern dies auch verfahrensrechtlich durchsetzbar sein muss.
Praxishinweis
U. E. beträgt die „angemessenen Zeitspanne“ in natioialen Fällen vier Jahre (entsprechend der regulären Festsetzungsverjährung).
Vorsteuer innerhalb der Festsetzungsverjährung damit u. E. möglich
Für die Berufspraxis bedeutet dies: Sollte ein Vorsteuerabzug noch innerhalb der regulären Festsetzungsverjährung geltend gemacht werden, muss dieser - unabhängig von verfahrensrechtlichen Korrekturvorschriften - auch durchsetzbar sein, notfalls über ein unionsrechtliches Verständnis des AO (insbesondere des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d und § 163 AO)1.