- Gericht / Az:
- BFH, Urteil vom 10.7.2024 II R 1/22
- Fundstelle:
- juris
- Gesetz:
- § 24b Abs. 1 EStG
- Streitfrage:
- Kann der Entlastungsbetrag auf beide Elternteile aufgeteilt werden, wenn das Kind in beiden Haushalten untergebracht ist? Was ist bezüglich der Kinderbetreuungskosten und des Kinderfreibetrags zu beachten?
Urteilsfall: paritätisches Wechselmodell
Im Urteilsfall praktizierten zwei alleinerziehende Eltern ein sog. paritätisches Wechselmodell, d. h. das Kind lebte wechselseitig eine Woche bei seiner Mutter und eine Woche im Haushalt seines Vaters. Das Kind war in beiden Haushalten gemeldet. Im Urteilsfall haben die Beteiligten um die Berücksichtigung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende (§ 24b EStG), um Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) sowie den Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) gestritten.
1. Entlastungsbetrags für Alleinerziehende (§ 24b EStG)
Mit Meldung wird Haushaltszugehörigkeit unterstellt
Eine der Anspruchsvoraussetzungen für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende ist die Haushaltszugehörigkeit eines Kindes. Die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt ist anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des Alleinerziehenden gemeldet ist und dauerhaft in dessen Wohnung lebt (§ 24b Abs. 1 Satz 2 EStG).
Meldung des Kindes bei beiden Elternteilen
Ist das Kind bei mehreren Personen (i. d. Regel bei beiden Elternteilen) gemeldet, steht der Entlastungsbetrag demjenigen Alleinerziehenden zu, der als Berechtigter bestimmt wurde1. Treffen die Berechtigten hinsichtlich des Entlastungsbetrags nach § 24b EStG keine Bestimmung untereinander, steht der Entlastungsbetrag demjenigen zu, an den das Kindergeld gezahlt wird2. Damit steht der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nur einem Elternteil zu.
Praxishinweis
Hinsichtlich des Entlastungsbetrags nach § 24b EStG kann die Berechtigtenbestimmung unabhängig von der Berechtigtenbestimmung beim Kindergeld vorgenommen werden.
Keine Aufteilung des Entlastungsbetrags
Im aktuellen Urteilsfall kam der BFH zum Ergebnis, dass die alleinige Zuordnung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende zu lediglich einem Elternteil auch im Falle des paritätischen Wechselmodells nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Eine Aufteilung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende ist nicht vorgesehen, auch wenn mehrere Berechtigte die Voraussetzungen für seine Gewährung erfüllen.
Aus der Konkurrenzregelung des § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG ergibt sich, dass der Entlastungsbetrag wegen desselben Kindes für denselben Monat nur einem Berechtigten gewährt wird, auch wenn mehrere Berechtigte die Voraussetzungen für seine Gewährung erfüllen.
2. Kinderbetreuungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG)
Kinderbetreuungskosten nur bei demjenigen, der den Aufwand getragen hat
Kinderbetreuungskosten können nur bei demjenigen steuermindernd als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG) berücksichtigt werden, der sie getragen hat. Im aktuellen Urteilsfall hat nur die Mutter die Kinderbetreuungskosten getragen. Damit ist es nicht möglich, dass der Vater die hälftigen Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben abziehen kann.
Praxishinweis
Im Gegensatz zum Urteil des BFH vom 11.5.20233 scheiterte der Abzug der Kinderbetreuungskosten nicht an der fehlenden Haushaltszugehörigkeit des Kindes, sondern daran, dass der Vater die geltend gemachten Kinderbetreuungskosten nicht selbst getragen hat.
3. Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG)
Hälftiger Kindergeldanspruch wird gekürzt
Werden bei der Einkommensteuerveranlagung Kinderfreibeträge abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum (§ 31 Satz 4 Halbsatz 1 EStG). Bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch (nur) im Umfang des (einfachen) Kinderfreibetrags angesetzt (§ 31 Satz 4 Halbsatz 2 EStG), d. h. es wird nur der hälftige Anspruch auf Kindergeld berücksichtigt.
Das bedeutet, dass bei der Günstigerprüfung nach § 31 Abs. 4 EStG bei jedem Elternteil der hälftige Kindergeldanspruch angesetzt wird. Dies unabhängig davon, ob der jeweilige Elternteil die tatsächliche Verfügungsmacht über das Kindergeld erlangt hat.