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Verwaltungsvermögensquote beim 90 %-Test

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
Gleichlautender Ländererlass vom 19.6.2024 S 3812b
Fundstelle:
BStBl 2024 I S. 1081
Gesetz:
§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG
Streitfrage:
Sind beim 90 %-Test die Brutto-Finanzmittel anzusetzen oder hat eine Saldierung mit Schulden zu erfolgen?

BFH zum 90 %-Test

Sofern das Verwaltungsvermögen i. S. von § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG min­destens 90 % des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Ver­mögens beträgt, ist eine Begünstigung ausgeschlossen (sog. 90 %-Test). Der BFH hatte mit Urteil vom 13.9.20231 entschieden, dass bei Handelsunternehmen i. R. des 90 %-Tests (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG) die Schulden von den Fi­nanz­mitteln abzuziehen sind.

Auffassung der Verwaltung

Mit dem gleichlautenden Ländererlass vom 19.6.2024 äußert sich nun die Fi­nanz­verwaltung zu den Auswirkungen des Urteils.

Anwendung über Handelsunter­nehmen hinaus

Nach der geänderten Verwaltungsauffassung ist das Urteil auf alle Arten des be­güns­ti­gungs­fähigen Vermögens i. S. des § 13b Abs. 1 ErbStG (damit nicht nur beschränkt auf Handelsunternehmen) und sowohl bei der Schenkung- als auch bei der Erbschaftsteuer anzuwenden2. Die Berechnungen in H E 13b.9 ErbStH ändern sich entsprechend3. Die Berechnung des übermäßigen Ver­wal­tungs­vermögens in H E 13b.10 ErbStH ist nicht mehr anzuwenden4.

Allerdings nur für originär ge­werb­liche, frei­be­rufliche und LaFo-Zwecke

Allerdings muss das Vermögen des Betriebs seinem Hauptzweck nach einer Tätigkeit i. S. des § 13 Abs. 1 EStG, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG dienen5. Der Hauptzweck ist somit für zwei erb­schaft­steuerrechtliche Zwecke relevant:

Anwendung des 15 %-Sockelbetrags beim Finanzmitteltest (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG) sowie
Schuldsaldierung beim 90 %-Test nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG (neu).

Praxishinweise

Dies bedeutet, dass z. B. für vermögensverwaltende Gesellschaften mit Be­triebs­vermögen zwar eine grundsätzliche Begünstigungsfähigkeit vor­liegt. Beim 90 %-Test werden aber weiterhin die Brutto-Finanzmittel ohne Sal­die­rung mit Schulden herangezogen. Für diese Gesellschaften bleibt die Hürde für eine Verschonung nach § 13a ErbStG damit weiterhin hoch.
Auch nach dem BFH-Urteil ist eine Schuldsaldierung mit dem übrigen Ver­waltungsvermögen nach den § 13b Abs. 4 Nr. 1-4 ErbStG nicht vor­ge­sehen, worunter z. B. vermietete Wohnungen und Wertpapiere fallen.

Keine Saldierung mit jungen Finanzmitteln

Nach der Verwaltungsauffassung erfolgt keine Saldierung von Schulden in Be­zug auf junge Finanzmittel6, was dem BFH-Urteil widerspricht7. Junge Fi­nanz­mittel sind vereinfacht der Einlagenüberschuss der letzten zwei Jahre vor dem Stichtag (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG).

Kein Abzug des 15 % - Sockel­betrags

Im Einklang mit dem BFH8 ist nach der Verwaltungsauffassung der Sockel­be­trag nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG (15 % - Grenze) nicht zu be­rück­sich­ti­gen9.

Folgender Sachverhalt verdeutlicht die neue Verwaltungsauffassung:

Sachverhalt10

Folgende Feststellungen des Betriebsfinanzamts nach § 13b Abs. 10 ErbStG liegen vor:

Festgestellter Wert des (Anteils) Betriebsvermögens500.000 €
Festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens11.
310.000 €
Festgestellter Wert des jungen Verwaltungsvermögens
100.000 €
Festgestellter Wert der Finanzmittel12150.000 €
Festgestellter Wert der jungen Finanzmittel90.000 €
Festgestellter Wert der Schulden170.000 €

Außerdem wird vom Betriebsfinanzamt festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 4 und 5 ErbStG erfüllt sind.

Stellungnahme

festgestellter Wert der Finanzmittel (einschließlich junge Finanz­mittel) § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG


150.000 €

./. festgestellter Wert der jungen Finanzmittel                                       ./. 90.000 €
= Zwischenwert I, mindestens 0 €60.000 €
./. festgestellter Wert der Schulden                                                     ./. 170.000 €
= Zwischenwert II, mindestens 0 €0 €
+ festgestellter Wert der jungen Finanzmittel                                    
    + 90.000 €
= anzusetzender Wert der Finanzmittel90.000 €
+ festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens (einschließlich junges Verwaltungsvermögen) § 13b Abs. 4 Nr. 1-4 ErbStG                       


  + 310.000 €

= Verwaltungsvermögen für den 90 %-Test400.000 €
Verwaltungsvermögen für den 90 %-Test400.000 €
festgestellter Wert des (Anteils) Betriebsvermögens          500.000 €

= Verwaltungsvermögensquote 80 %

Die Regelverschonung kommt somit grundsätzlich zur Anwendung.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]BFH, Urteil v. 13.9.2023 II R 49/21, BStBl 2024 II S. 566; BerP 3/2024 S. 150.
  2.  ]Gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2024 S 3812b, BStBl 2024 I S. 1081, Rz. 2 und 3.
  3.  ]Gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2024 S 3812b, BStBl 2024 I S. 1081, Rz. 4 a. E.
  4.  ]Gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2024 S 3812b, BStBl 2024 I S. 1081, Rz. 5.
  5.  ]Gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2024 S 3812b, BStBl 2024 I S. 1081, Rz. 3.
  6.  ]Gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2024 S 3812b, BStBl 2024 I S. 1081, Rz. 4 mit Beispiel.
  7.  ]BFH, Urteil v. 13.9.2023 II R 49/21, BStBl 2024 II S. 566, Rz. 38.
  8.  ]BFH, Urteil v. 13.9.2023 II R 49/21, BStBl 2024 II S. 566, Rz. 19.
  9.  ]Gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2024 S 3812b, BStBl 2024 I S. 1081, Rz. 5.
  10.  ]Gleichlautende Ländererlasse v. 19.6.2024 S 3812b, BStBl 2024 I S. 1081, Rz. 4.
  11.  ]Das junge Verwaltungsvermögen ist in diesem Betrag enthalten, vgl. R E 13b.30 Abs. 3 Satz 4 ErbStR.
  12.  ]Die jungen Finanzmittel sind in diesem Betrag enthalten, vgl. R E 13b.30 Abs. 3 Satz 4 ErbStR.