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Keine doppelte Haushaltsführung bei Fahrzeit von nur einer Stunde

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Gericht / Az:
FG Münster, Urteil vom 6.2.2024 1 K 1448/22 E
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG
Streitfrage:
Ist die berufliche Veranlassung einer doppelten Haus­halts­führung er­füllt, wenn die Fahrzeit vom Familienheim zur ersten Tä­tig­keits­stät­te nur eine Stunde beträgt?

Doppelte Haus­halts­füh­rung

Die notwendigen Mehraufwendungen (z. B. Kosten für den Zweithaushalt am Ar­beits­ort) wegen einer aus beruflichem Anlass be­gründeten doppelten Haus­halts­führung sind als Werbungskosten abzugsfähig oder können durch den Ar­beitgeber steuerfrei erstattet werden. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG).

Urteilsfall

Im Urteilsfall lagen die Hauptwohnung und erste Tätigkeitsstätte lediglich 30 km auseinander (Fahrzeit nach Routenplaner zu Hauptverkehrszeiten 50 bis 55 Minuten und außerhalb des Berufsverkehrs ca. 30 Minuten). Zwischen Zweit­wohnung und erster Tätigkeitsstätte betrug die Entfernung 1 km.

Fahrzeit von einer Stunde ist zumutbar

Nach Ansicht des FG Münster fallen der Ort des eigenen Hausstandes und der Beschäfti­gungs­ort nicht auseinander. Aus diesem Grund wird die doppelte Haus­halts­führung nicht anerkannt. Beide Orte liegen unabhängig von Ge­mein­de­gren­zen am selben Ort und es ist zumutbar, die Strecke arbeits­täg­lich zu­rück­zu­legen. Für diese Beurteilung sind die üblichen Wege­zeiten maßgeblich; zeit­weise Verzögerungen aufgrund von Baustellen sind nicht zu be­rücksichtigen.

Praxishinweis

Fahrzeit von mehr als einer Stunde

Nach Ansicht des BFH sind Fahrzeiten von bis zu einer Stunde (einfache Weg­strecke) zumutbar1 und die doppelte Haushaltsführung wird nicht anerkannt.

Nach der Verwaltungsauffassung wird eine doppelte Haushaltsführung nicht an­er­kannt, wenn die Zweitwohnung innerhalb derselben politischen Gemeinde, Stadt oder in deren unmittel­ba­ren Umkreis liegt. Beträgt die Entfernung mehr als 50 km, ist davon aus­zu­gehen, dass sich die Haupt­woh­nung außerhalb des Ortes der ersten Tätig­keits­stätte befindet2. Durch das Beziehen der Zweit­woh­nung sollte sich die Wegstrecke und Fahrzeit mehr als halbieren3.

Damit gelten nach der Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung folgende Gren­zen für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung:

Praxishinweis

In Ausnahmefällen kann eine doppelte Haushaltsführung auch dann aner­kannt werden, wenn sich Haupt- und Zweitwohnung sogar in derselben po­li­ti­schen Gemeinde befinden4. Auch wenn es nach dem Gesetzeswortlaut keine Min­destent­fernung gibt, ist bei Unterschreiten der Grenzen von 50 km bzw. Fahr­zeit eine Stunde mit Rückfragen der Finanzämter zu rechnen. In diesem Fall ist dar­zu­legen, weshalb es unzumutbar ist, diese Strecke jeden Tag zu pen­deln (z. B. aufgrund von Staus). Dies ist jedoch immer eine Ein­zelfallent­scheidung.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]BFH, Urteile v. 16.11.2017 VI R 31/16, BStBl 2018 II S. 404BFH/NV 2018 S. 372; BFH, Urteil v. 16.1.2018 VI R 2/16, BFH/NV 2018 S. 712.
  2.  ]BMF, Schreiben v. 25.11.2020 IV C 5 - S 2353/19/10011:006, BStBl 2020 I S. 1228, Rz. 103.
  3.  ]BMF, Schreiben v. 25.11.2020 IV C 5 - S 2353/19/10011:006, BStBl 2020 I S. 1228, Rz. 104.
  4.  ]BFH, Urteile v. 16.11.2017 VI R 31/16, BStBl II 2018 II S. 404; v. 16.1.2018 VI R 2/16, BFH/NV 2018 S. 712.