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Beteiligungsschwelle für Streubesitzdividenden

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Gericht / Az:
BFH, Urteil vom 7.6.2023 I R 50/19
Fundstelle:
BFH/NV 2023 S. 1367
Gesetz:
§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG , § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO
Streitfrage:
Ist für die Bestimmung der Höhe der Beteiligung i. S. des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG zum Beginn des Kalenderjahres das zi­vil­recht­li­che oder das wirtschaftliche Eigentum maßgebend?

Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG nur bei Beteiligung von mindestens 10 %

Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG sind Gewinnausschüttungen steuerfrei, die eine Kapitalgesellschaft von einer anderen Kapitalgesellschaft erhält. 5 % dieser Bezüge gelten jedoch nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG als nicht abziehbare Be­triebs­aus­ga­ben. Die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG ist nicht an­wend­bar, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres un­mit­tel­bar we­ni­ger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Dabei gilt nach § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG der Erwerb einer Beteiligung von mind. 10 % als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt.

Höhe der Be­tei­li­gung be­stimmt sich nach dem wirt­schaft­li­chen Eigen­tum

§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG stellt auf die Beteiligung am Grund- oder Stamm­ka­pi­tal ab. Deshalb sind inkongruente Gewinn- oder Stimm­rechts­ver­tei­lun­gen nicht ent­schei­dend. Für die Ermittlung der Höhe der Be­tei­li­gung ist die steuer­recht­li­che Zurechnung der Kapitalanteile nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO und damit das wirtschaftliche Eigentum maßgebend.

Sachverhalt

Die A-GmbH erwirbt mit Vertrag vom 13.12.01 20 % der Aktien der X-AG. Unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises werden sämtliche Mitgliedschaftsrechte aus den verkauften Aktien nach §§ 413, 398 BGB an die A-GmbH abgetreten. Der Kaufpreis wird am 5.1.02 bezahlt. In 02 erhält die A-GmbH eine Gewinnausschüttung der X-AG i. H. von 100.000 €.

Stellungnahme

Nach § 39 Abs. 1 AO kommt es für die steuerrechtliche Zurechnung von Wirt­schaftsgütern zunächst auf das zivilrechtliche Eigentum an. Zum Stichtag 1.1.02 war die A-GmbH aber noch nicht zivilrechtliche Eigentümerin der Aktien ge­wor­den, denn die Eigentumsübertragung stand unter der aufschiebenden Be­din­gung der vollständigen Kaufpreiszahlung. Allerdings war die A-GmbH am 1.1.02 nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO bereits wirtschaftliche Eigentümerin die­ser An­teile. Auf der Grundlage des Vertrags vom 13.12.01 lag es ab diesem Zeit­punkt allein in der Hand der A-GmbH, die aufschiebende Bedingung durch Zah­lung des bereits fälligen Kaufpreises eintreten zu lassen und dadurch die ent­spre­chen­den Verwaltungsrechte (einschließlich der Stimmrechte) vollständig an sich zu ziehen. Somit war die A-GmbH wirtschaftlich bereits zum 1.1.02 zu mehr als 10 % an der X-AG beteiligt, sodass die Ausschüttung nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei ist.

Praxishinweis

Das FG Köln1 hatte in einer rechtskräftigen Entscheidung ausschließlich auf das zivilrechtliche Eigentum abgestellt. Allerdings ging es in dieser Ent­schei­dung des FG Köln nicht um die Übertragung bereits bestehender An­tei­le, sondern um eine rückwirkende Zurechnung von Anteilen, die infolge einer Kapitalerhöhung zeitlich erst nach dem für § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG maß­geb­li­chen Stichtag rechtlich entstanden waren. Im Übrigen lehnt der BFH die Einschätzung des FG Köln ausdrücklich ab, nach der die Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Rechtslage zur Missbrauchsvermeidung erforderlich sei.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]FG Köln, Urteil v. 9.6.2016 10 K 1128/15, EFG 2016 S. 1542.