- Gericht / Az:
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BFH, Beschluss vom 28.4.2023 IX B 101/22
- Fundstelle:
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juris
- Gesetz:
- § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 52d Satz 1 und 2, § 56, § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO , § 86d, § 157e StBerG
- Streitfrage:
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Ab wann besteht die Pflicht zur Einreichung von Schriftsätzen in elektronischer Form?
Pflicht zur elektronischen Kommunikation mit dem Gericht
Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen sind im gerichtlichen Verfahren als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 52d Satz 1 FGO). Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach der FGO vertretungsberechtigten Personen und Bevollmächtigten, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 FGO zur Verfügung steht.
Für Steuerberater steht seit dem 1.1.2023 theoretisch ein solcher sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung. Denn seit diesem Datum richtet die Bundessteuerberaterkammer über die Steuerberaterplattform für jeden Steuerberater ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach empfangsbereit ein (§§ 86d Abs. 1 Satz 1, 157e StBerG). Steuerberater sind mit der Einrichtung des Postfachs, spätestens aber ab diesem Zeitpunkt, nach § 52d Satz 2 FGO aktiv nutzungspflichtig1.
Praxishinweis
In BerP 12/2022 S. 742 ff. haben wir uns ausführlich mit dem BeSt beschäftigt. Auf die dortigen grundsätzlichen Ausführungen wird verwiesen.
Erhalt des Registrie-rungsbriefes maßgeblich?
In der Praxis umstritten ist, ob die aktive Nutzungspflicht den Erhalt des Registrierungsbriefes und die Einbindung des Postfachs in die Kanzleisoftware voraussetzt oder bereits mit der theoretischen Nutzungsmöglichkeit ab dem 1.1.2023 die Nutzungspflicht beginnt unabhängig von der tatsächlichen Existenz des Postfachs.
In der Rechtsprechung gibt es dazu zwei unterschiedliche Tendenzen. Einige Finanzgerichte lassen die aktive Nutzungspflicht mit dem Erhalt des Registrierungsbriefes beginnen2. Andere Finanzgerichte stellen dagegen auf den 1.1.2023 ab, auch wenn zu diesem Zeitpunkt eine Nutzung des BeSt noch nicht möglich war3.
Auch beim BFH werden intern unterschiedliche Lösungsansätze diskutiert. Die vorliegende Entscheidung scheint nunmehr eine erste Tendenz aufzuzeigen.
Besonderheit des Streitfalls
Der klagende Steuerberater hatte das finanzgerichtliche Urteil im Oktober 2022 zugestellt bekommen. Gegen dieses hatte er im November 2022 Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt und im Dezember 2022 die Verlängerung der Begründungsfrist beantragt und erhalten. Seine Beschwerdebegründung reichte er im Januar 2023 per Fax ein. Nachdem ihm die Geschäftsstelle des BFH auf den Mangel der Form hingewiesen hatte, reichte er die Beschwerde erneut -diesmal in elektronischer Form- ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trug er vor, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich gewesen sei, weil das besondere elektronische Steuerberaterpostfach zuvor noch nicht eingerichtet gewesen sei. Zur Frage der Priorisierung der Einrichtung des Postfachs (fast lane) ging er in seinem Wiedereinsetzungsantrag nicht ein.
Im konkreten Fall wäre Antrag auf fast lane zwingend erforderlich gewesen, daher keine Wiedereinsetzung
Der BFH entschied, dass die Beschwerde mangels Wahrung der Form unzulässig ist und auch keine Wiedereinsetzung gewährt werden könne. Im konkreten Klageverfahren hat für den Steuerberater Anlass bestanden, einen Antrag auf bevorzugte Einrichtung des BeSt zu stellen. Weil er in seinem Wiedereinsetzungsantrag hierzu nichts vorgetragen hat, scheidet eine Wiedereinsetzung aus.
Praxishinweise
Fußnoten anzeigen ↓
- [ ↑ ]BFH, Beschluss v. 27.4.2022 XI B 8/22, BFH/NV 2022 S. 1057; Brandis, in Tipke/Kruse, § 52d FGO Rz 1; Schallmoser, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52d FGO Rz 15; Rauch, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2022 S. 949, 951; Pohl, Die Steuerberatung 2022 S. 426, 429.
- [ ↑ ]FG Münster, Gerichtsbescheid v. 14.4.2023, 7 K 86/23 E , BB 2023 S. 996; Hessisches FG, Beschluss v. 21.3.2023, 10 V 67/23 , juris.
- [ ↑ ]Niedersächsisches FG, Urteil v. 20.3.2023, 7 K 183/22 , juris.