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Kann ein Sportler einen Gewerbebetrieb haben?

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Gericht / Az:
BFH, Urteil vom 15.12.2021 X R 19/19
Fundstelle:
BFH/NV 2022 S. 1223
Gesetz:
§ 15 Abs. 2 EStG
Streitfrage:
Wann liegt ein Gewerbebetrieb vor und welche Einnahmen sind zu erfassen?
1.Vorliegen eines Gewerbebetriebs

Sachverhalt

Zuerst einige Hinweise zum Sachverhalt:

Ein Spitzensportler hatte Einnahmen aus

Sponsorenverträgen,
der Stiftung Deutsche Sporthilfe,
Kaderförderung sowie
in Teilbeträgen ausbezahlte Prämien für eine Medaille bei den Olympischen Spielen.

Der BFH kam wie die Vorinstanz zum Ergebnis, dass ein Gewerbebetrieb „Profisport“ vor­lie­gen würde. Als Betriebsausgaben sind alle mit der Ausübung des Sports zu­sam­men­hän­gen­den Ausgaben zu erfassen. Umgekehrt stellen alle Ver­mö­gens­meh­run­gen Be­triebs­ein­nah­men dar.

Praxishinweise

Dies setzt das Überschreiten der „Liebhaberei“ voraus.
Soweit eine Totalüberschussprognose besteht, sind deswegen auch Verluste - in der „Anlaufphase“- anzuerkennen.
2.Zum Umfang der Betriebseinnahmen

Ein unmittelbarer oder mittelbarer Zusammenhang genügt

Die Einnahmen aus der Werbetätigkeit stehen im untrennbaren Sachzusammenhang mit der Ausübung des Sports. Unmaßgeblich ist die verbandsmäßige Einordnung als Ama­teur­sportler.

Zu den Einnahmen gehören auch die zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände; die dann aber im Umkehrschluss wieder als Be­triebs­ausgaben zu behandeln sind.

In der Revision waren die übrigen Zahlungen streitig. Wie das FG kam der BFH zum Ergebnis, dass die Zahlungen der Stiftung Sporthilfe, für die Kaderförderung und die Olympiaprämie Be­triebs­einnahmen darstellen.

Praxishinweise

Der BFH hat die Verwaltungsauffassung1 abgelehnt, wonach in der Höhe dieser Zah­lun­gen Einkünfte aus § 22 Nr. 1 EStG und in gleicher Höhe Werbungskosten vor­lie­gen würden.
Im Hinblick auf § 176 Abs. 2 AO ist eine Übergangsregelung erforderlich.
Es wurde der falsche Klageweg (Anfechtungsklage) beschritten; richtig wäre eine Ver­pflichtungsklage nach Treu und Glauben (Grundsatz der Selbstbindung der Fi­nanz­ver­wal­tung; d. h. Anwendung der Verwaltungsgrundsätze) gewesen.
3.Betriebsausgaben

Zu berücksichtigen sind alle unmittelbaren und mittelbaren Aufwendungen, die durch den Sport bzw. die Sponsoreneinnahmen veranlasst sind. Ein Ansatz von pauschalen Be­triebs­ausgaben einschl. eines Nahrungsmittelmehrbedarfs ist nicht möglich.

Praxishinweise

Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung können pauschale Aufwendungen fest­ge­legt werden. Die Regelung im AEAO zu § 67a Nr. 32 ist jedoch nicht beim Sport­ler anwendbar.
An eine solche Verwaltungsanweisung sind die Gerichte bei einer Anfechtungsklage nicht gebunden.
4.Auswirkungen auf Vereine
4.1§ 67a AO

Es gelten folgende Grundsätze:

450 €-Grenze des § 67a Abs. 3 Satz 1 AO

Sportveranstaltungen mit bezahlten Sportlern (mehr als 450 € durchschnittlich im Monat) gehören nicht zum Zweckbetrieb, sondern grundsätzlich zum wirtschaftlichen Ge­schäfts­be­trieb. Zur Berechnung der Grenze von 450 € werden die Zahlungen durch die Deut­sche Sporthilfe und vergleichbarer Einrichtungen für Spitzensportler nicht be­rück­sichtigt2   

Sportveranstaltungen gehören abweichend vom Vorstehenden zum Zweckbetrieb (keine KSt und GewSt), wenn die Einnahmen im Jahr ohne Speisen und Getränke sowie Werbung 45.000 € nicht übersteigen (§ 67a Abs. 1 AO). Dies ist eine begünstigende gesetzliche Re­ge­lung, an die auch die Gerichte gebunden sind.

Option zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb

Wenn die Grenze von 45.000 € nicht überschritten ist, kann abweichend zum wirt­schaft­li­chen Geschäftsbetrieb optiert werden. Wird zum wirtschaftlichen Ge­schäfts­be­trieb optiert (§ 67a Abs. 2 AO), so sind die Sportveranstaltungen ohne bezahlte Sport­ler (kein Überschreiten der 450 €-Grenze) weiterhin dem Zweckbetrieb zu zuordnen. Dies be­deu­tet im Um­kehr­schluss, die Option gilt nur für Veranstaltungen mit bezahlten Sportlern.

Nachfolgend eine Übersicht über die Behandlung von Sportveranstaltungen:

4.2Behandlung der Werbung

Grundsatz: Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb

Einnahmen aus dem Verkauf von Speisen und Getränken3 sowie aus der aktiven Werbung4 gehören grundsätzlich zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Eine passive Werbung, die zur Vermögensverwaltung führt, stellt die Überlassung der Werberechte dar.

Freigrenze

Die Einkünfte der wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe insgesamt sind nur dann kst-/gewst-pflichtig, wenn sie im Kalenderjahr 45.000 € übersteigen (§ 64 Abs. 3 AO).

Schätzung des Gewinns aus der Werbung

Nach der Verwaltungsauffassung und der Rechtsprechung können die Aufwendungen mit dem Sportbetrieb nicht mit der Werbung saldiert werden. Dies hat zu unvertretbaren Er­gebnissen und zur Gefährdung des Sports und anderer Zweckbetriebe geführt. Deswegen können die Gewinne aus der Werbung bei Veranstaltungen des Zweckbetriebs mit 15 % der Einnahmen geschätzt werden (§ 64 Abs. 6 Nr. 1 AO)5. Auch dies ist eine allgemein zu be­ach­ten­de gesetzliche Regelung.

Praxishinweis

Ob abweichend von der vorstehenden Auffassung nun eine Saldierung Werbung und Sport­veranstaltung in Betracht kommt, hatte der X. Senat des BFH nicht zu entscheiden.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]Hessisches FinMin, Erlass v. 12.5.1969 S 2120 A -95- II A 21; OFD Frankfurt, Verfügung v. 21.5.1969 S 2120 A - 1- St I 10; wird in den anderen Bundesländern entsprechend angewandt.
  2.  ]AEAO zu § 67a Nr. 34.
  3.  ]AEAO zu § 64 Nr. 19.
  4.  ]AEAO zu § 64 Nr. 10.
  5.  ]AEAO zu § 64 Nr. 33-35.