- Gericht / Az:
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BFH, Urteil vom 16.3.2022 II R 6/21
- Fundstelle:
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BFH/NV 2022 S. 898
- Gesetz:
- § 13b Abs. 1 Nr. 4c ErbStG
Unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung
Die unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung ist eine zentrale Voraussetzung für die Steuerbefreiung des Familienheims. Die Umsetzung dieses Entschlusses durch Einzug in das Familienheim innerhalb von sechs Monaten wird als unkritisch gesehen1. Ein Indiz für die unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung ist die zeitnahe Räumung bzw. Entrümpelung der erworbenen Wohnung2.
Erhöhte Voraussetzungen, je größer die Verzögerung ist
Wird die Selbstnutzung der Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, kann ebenfalls eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen. Allerdings machte der BFH erneut deutlich, dass der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen muss, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.
Entscheidung fällt auf Ebene des FG
Im Streitfall kam es renovierungsbedingt zum Einzug erst nach ca. 1,5 Jahren. Eine solche Verzögerung ist nach den Grundsätzen des BFH nicht per se schädlich; vielmehr kommt es auf den einzelnen Sachverhalt an. Dies hat das FG nach Würdigung des Einzelfalls zu entscheiden. Wie in Entscheidungen zum Familienheim häufig zu beobachten3, wurde auch dieser Fall an das FG zurückverwiesen.
Praxishinweis
Für die Praxis gilt weiterhin: Verzögerungen etwa aufgrund Handwerker- und Materialmangels sind umfassend zu dokumentieren. Im Urteilsfall war außerdem ein Argument der Erwerberin, dass sie aufgrund gesundheitlicher Probleme die Überwachung der Baumaßnahmen zeitweise nicht gewährleisten konnte und es auch deshalb zu Verzögerungen kam. Deshalb kam während des Verfahrens die Frage auf, weshalb nicht der Ehemann (der gar nicht Erwerber war) diese Aufgabe hätte übernehmen können. Daran zeigt sich, wie schwer die Feststellungslast im Einzelfall wiegen kann und wie detailliert der Erwerber die Argumentationslinie bei Verzögerungen aufbauen muss.