- Gericht / Az:
- BFH, Urteile vom 4.5.2022 XI R 28/21 (XI R 3/19), XI R 29/21 (XI R 7/19)
- Fundstelle:
-
juris
- Gesetz:
- § 15 UStG
- Streitfrage:
- Bis wann kann ein gemischt-genutzter Gegenstand dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden?
- insgesamt seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnet,
- ihn in vollem Umfang in seinem nichtunternehmerischen Bereich belassen will, oder
- ihn im Umfang der tatsächlichen (ggf. zu schätzenden) unternehmerischen Verwendung seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnet (sog. Teilzuordnung).
Der EuGH entschied aufgrund der Vorlageverfahren des BFH hierzu, dass die nationale Frist bis zum 31.7. des Folgejahres grundsätzlich mit dem EU-Recht vereinbar ist4.
Folgeent-scheidungen des BFH zu PV-Anlage und Arbeitszimmer
Inzwischen sind die Folgeentscheidungen des BFH diesbezüglich ergangen. Erfreulich ist, dass hierbei „zwei echte Klassiker“ der Zuordnungsentscheidung entschieden wurden, nämlich einerseits eine gemischt-genutzte Photovoltaikanlage5 und andererseits ein häusliches Arbeitszimmer6. In beiden Fällen haben es die Unternehmer versäumt, die Zuordnungsentscheidung gegenüber der Finanzbehörde fristgerecht zu dokumentieren.
Im Wesentlichen entschied der BFH hierzu Folgendes:
Zuordnung bzw. 31.7. des Folgejahres notwendig
Alternative Möglichkeiten der Zuordnung
Praxishinweis
Einen Nachweis durch Zeugenbeweis oder Parteivernehmung hat der BFH hingegen abgelehnt12.
PV-Anlage: Einspeisevertrag genügt
Im Fall der Photovoltaikanlage entscheid der BFH folglich: Mit dem abgeschlossenen Einspeisevertrag wurde vereinbart, dass die Stromlieferungen des Unternehmers umsatzsteuerpflichtig erfolgen sollen, so dass bereits bei Erwerb der Photovoltaikanlage objektiv erkennbar die Absicht bestand, diese als Unternehmer für eine wirtschaftliche Tätigkeit verwenden zu wollen. Die nicht rechtzeitige Dokumentation gegenüber der Finanzbehörde war damit unschädlich; ein Vorsteuerabzug aus der Photovoltaikanlage ist damit möglich. Auch erfolgte eine Voll- und nicht lediglich eine Teilzuordnung, denn nach § 2 Abs. 1 des Einspeisevertrags war der Unternehmer berechtigt, die gesamte elektrische Energie, die in seiner Stromerzeugungsanlage erzeugt wird, in das Netz des Netzbetreibers einzuspeisen. Dies schließt es aus, im Wege der Auslegung des Einspeisevertrags von einer nur anteiligen Zuordnung durch den Unternehmer auszugehen.
Arbeitszimmer: Zurückweisung an das FG
Im Fall des Arbeitszimmers kam der BFH nicht zu einem abschließenden Ergebnis, sondern verwies den Fall zur weiteren Sachverhaltsermittlung an das FG zurück. Es ist aber auf Folgendes hinzuweisen13: Für eine Zuordnung zum Unternehmen kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird. So ist es z. B. dann, wenn der Unternehmer für seinen Betrieb einen Büroraum benötigt, er bereits in der Vergangenheit kein externes Büro, sondern einen Raum seiner Wohnung für sein Unternehmen verwendet hat, und er beabsichtigt, dies in dem von ihm neu errichteten Gebäude so beizubehalten.
Praxishinweise
- Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus der Anschaffung15.
- Schriftliche Erklärung der Zuordnung gegenüber der Finanzbehörde16.
- Auftritt des Unternehmers bei An- und Verkauf des gemischt-genutzten Gegenstands unter seinem Firmennamen17.
- Betriebliche oder private Versicherung des Liefergegenstandes18.
- Bilanziell bzw. ertragsteuerrechtlich Behandlung des Liefergegenstandes19.
Fußnoten anzeigen ↓
- [ ↑ ]Bei unternehmerischer Nutzung von mindestens 10 %, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG.
- [ ↑ ]Insoweit exemplarisch die Rechtsprechung des BFH, Urteile v. 31.1.2002 V R 61/96, BStBl 2003 II S. 813; v. 7.7.2011 V R 42/09, BStBl 2014 II S. 76; v. 7.7.2011 V R 21/10, BStBl 2014 II S. 81; Verwaltungsauffassung vgl. Abschn. 15.2c UStAE.
- [ ↑ ]Aufgrund aktueller Fristverlängerungen beträgt die Frist zur Zuordnungsentscheidung für Lieferungen im Zeitraum 2020 bis zum 31.10.2021, für 2021 bis zum 31.10.2022, für 2022 bis zum 30.9.2023, für 2023 bis zum 30.8.2024, und für Zeiträume ab 2024 wieder 1.7. des Folgejahres.
- [ ↑ ]EuGH, Urteil v. 14.10.2021 C‑45/20 (Finanzamt N), C‑46/20 (Finanzamt G), juris.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 4.5.2022 XI R 29/21 (XI R 7/19), juris; EuGH, Urteil v. 14.10.2021 C-46/20 (Finanzamt G), juris.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 4.5.2022 XI R 28/21 (XI R 3/19), juris; EuGH, Urteil v. 14.10.2021 C-45/20 (Finanzamt N), juris.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 7.7.2011 V R 42/09, BStBl 2014 II S. 76; BFH, Beschluss v. 18.9.2019 XI R 7/19, BStBl 2021 II S. 118, Rz 23.
- [ ↑ ]BFH, Beschluss v. 18.9.2019 XI R 7/19, BStBl 2021 II S. 118, Rz 22; EuGH, Urteil v. 14.10.2021 C-45/20 (Finanzamt N), juris, Rz. 48, 49.
- [ ↑ ]BFH, Urteile v. 11.11.1993 V R 52/91, BStBl 1994 II S. 335, Rz 14; v. 17.9.1998 V R 27/96, BFH/NV 1999 S. 832, Rz 14.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 31.1.2002 V R 61/96, BStBl 2003 II S. 813.
- [ ↑ ]BFH, v. 31.1.2022 V R 61/96 v. 25.3.1988 V R 101/83, BStBl 1988 II S. 649; v. 17.12.2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009 S. 798.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 17.12.2018 XI R 61/06, BFH/NV 2009 S. 798, Rz 43.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 4.5.2022 XI R 28/21 (XI R 3/19), juris, Rz. 21.
- [ ↑ ]Grundlegend BFH, Urteil v. 7.7.2011 V R 42/09, BStBl 2014 II S. 76.
- [ ↑ ]BFH, Beschluss v. 18.9.2019 XI R 7/19, BStBl 2021 II S. 118, Rz 22; EuGH, Urteil v. 14.10.2021 C-45/20 (Finanzamt N), juris, Rz. 48, 49.
- [ ↑ ]Abschn. 15.2c UStAE.
- [ ↑ ]BFH, Urteile v. 11.11.1993 V R 52/91, BStBl 1994 II S. 335, Rz 14; v. 17.9.1998 V R 27/96, BFH/NV 1999 S. 832, Rz 14.
- [ ↑ ]BFH, Urteil Urteile v. 31.1.2002 V R 61/96, BStBl 2003 II S. 813.
- [ ↑ ]BFH, Urteile v. 25.3.1988 V R 101/83, BStBl 1988 II S. 649; v. 17.12.2008 XI R 64/06, BFH/NV 2009 S. 798.
- [ ↑ ]Abschn. 15.2c UStAE.