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Keine rückwirkende Anwendung des BMF-Schreibens zum Zusätzlichkeitserfordernis

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Gericht / Az:
BMF, Schreiben vom 5.1.2022 IV C 5 - S 2334/19/10017 :004
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 8 Abs 4 EStG
Problemstellung:
Nichtanwendungserlass zum Zusätzlichkeitserfordernis aufgrund der Recht­sprechung des BFH.

Zusätzlichkeits­er­fordernis

Einige der Steuerbefreiungs- und Pauschalierungstatbestände in der Lohn­steuer hängen davon ab, dass der Ar­beit­nehmer die Leistung zusätzlich zum ohne­hin geschuldeten Arbeitslohn er­hält.

Rechtsprechungs­änderung des BFH zum Zu­sätz­lich­keits­er­for­dernis

Ver­wen­dungs- bzw. zweck­ge­bundener Zuschuss

Im Jahr 2019 hat der BFH1 zum wiederholten Male seine Recht­sprechung zum Zu­sätzlichkeitserfordernis geändert. Mit seiner neuerlichen Recht­spre­chungs­änderung kommt der BFH nun zum Er­geb­nis, dass eine Leis­tung „zu­sätz­lich zum ohnehin geschuldeten Ar­beits­lohn“ vor­liegt, wenn der Arbeit­ge­ber einen ver­wen­dungs- bzw. zweck­ge­bun­de­nen Zu­schuss neben dem ver­wen­dungs­freien Lohn leis­tet.

Als Reaktion auf diese Rechtsprechung hat das BMF zwischenzeitlich einen sog. Nichtanwendungserlass ver­öffent­licht2. Außerdem wurde eine ent­sprechende gesetzliche Regelung im Rahmen des Jah­res­steuer­gesetzes 20203 eingeführt.

Gesetzliche Rege­lung ab dem Jahr 2020

Durch einen neuen § 8 Abs. 4 EStG ist die Zusätz­lichkeit nun einheitlich für das gesamte Einkommensteuergesetz (ab dem Jahr 2020) geregelt4. Dem­nach werden Leis­tungen des Ar­beit­ge­bers oder auf seine Veranlassung eines Drit­ten (Sach­bezüge oder Zu­schüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohne­hin geschul­de­ten Arbeitslohn erbracht, wenn

die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer be­reits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Rechtsprechung des BFH ist bis einschl. 2019 an­wend­bar

In einem aktuellen BMF-Schreiben hat die Verwaltung hinsichtlich der Ge­wäh­rung von Zusatzleistungen und der Zulässigkeit von Gehaltsumwandlungen Stel­lung genommen. In allen noch offenen Fällen der Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 ist das Urteil des BFH vom 1.8.20195 über den ent­schie­denen Einzelfall hinaus anzuwenden. Ab dem Jahr 2020 gilt dann die ge­setzliche Neuregelung nach § 8 Abs. 4 EStG. Diese kann wie folgt zu­sam­men­ge­fasst werden:

Praxishinweise

Ob die weitere Rechtsprechung der Verwaltungsauffassung und dem neuen Gesetzeswortlaut folgen wird, ist aus un­se­rer Sicht durchaus offen. Ins­be­son­dere die o. g. letzte Voraussetzung, nach der Zusätzlichkeit nur vor­liegt, wenn bei Weg­fall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird, ist u. E. in die­ser un­ein­ge­schränk­ten Form rechtlich angreifbar. Lediglich falls da­mit ge­meint sein sollte, dass nicht schon bei Zusage der steuer­be­günstigten Leistung gleich­zei­tig ein Er­satz­an­spruch für die Zeit nach Weg­fall dieser Leistung vereinbart werden darf, könnte das für das Zu­sätz­lich­keits­er­for­der­nis re­levant sein. Daher bleibt der mög­liche weitere Gang der Recht­sprechung dazu abzu­war­ten.
Zusammenfassend raten wir deshalb derzeit bei Gehaltsumwandlungen zu­gunsten von Sach­bezügen dazu, sicherheitshalber im Vorhinein eine lohn­steuerrechtliche Anrufungsauskunft gemäß § 42e EStG beim zuständigen Be­triebs­stättenfinanzamt zu beantragen, um Rechtssicherheit zu erlangen.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]BFH, Urteil v. 1.8.2019 VI R 32/18, BStBl 2020 II S. 106.
  2.  ]BMF, Schreiben v. 5.2.2020 IV C 5 - S 2334/19/10017 :002, BStBl 2020 I S. 222.
  3.  ]Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) v. 21.12.2020, BGBl 2020 I S. 3096.
  4.  ]Eine ausführliche Darstellung zum Zusätzlichkeitserfordernis finden Sie im Skript „Arbeitslohn 2022“ auf Seite 67 ff. Das Skript und eine Videoaufzeichnung des Seminars können Sie unter folgendem Link er­werben: https://www.neufang-akademie.de/shop/produkte/arbeitslohn.
  5.  ]BFH, Urteil v. 1.8.2019 VI R 32/18, BStBl 2020 II S. 106.