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BFH-Entscheidungen zur Doppelbesteuerung bei Renten

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
BFH, Urteile vom 19.5.2021 X R 33/19; X R 20/19
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 10 EStG , § 22 EStG
Streitfrage:
Kommt es bei den Renteneinkünften nach der aktuellen Rechtslage zu einer Doppelbesteuerung?

AltEinkG als Reaktion auf Rechtsprechung des BVerfG

Das BVerfG hatte die unterschiedliche Besteuerung der Alterseinkünfte für ver­fas­sungs­widrig erklärt und eine Neuregelung zum 1.1.2005 gefordert1. Dem ist der Gesetzgeber durch das sog. Alterseinkünftegesetz gefolgt. Dabei sind sowohl bei der Abzugsfähigkeit als auch bei der Besteuerung aus haus­halts­tech­ni­schen Gründen sog. Übergangsregelungen geschaffen worden.

BFH stellt wichtige Berechnungsgrundsätze auf

Die anhängigen Verfahren zur mutmaßlichen Doppelbesteuerung bei Renten haben all­ge­mein große mediale Aufmerksamkeit erfahren. Nun hat der BFH in zwei Re­visions­ver­fah­ren zwar gegen die Steuerpflichtigen entschieden. Gleich­zeitig hat er aber nochmals deutlich gemacht, dass eine Doppel­be­steu­er­ung unbedingt zu vermeiden ist. Erstmals hat er konkrete Aus­führ­un­gen dazu gemacht, wie dies zu ermitteln ist.

Wann ist eine Doppel­be­steue­rung zu be­an­standen?

Eine mögliche Doppelbesteuerung ist während der Auszahlungsphase zu prüfen2. Eine Dop­pel­be­steuerung ist nicht gegeben, wenn der voraussichtlich steuerfrei zufließende Rentenanteil mindestens ebenso hoch ist, wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Al­ters­vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen3.

Berechnung in der Ansparphase

Im Rahmen der Ansparphase ist der Berechnung zunächst die Gesamtsumme der gezahlten Rentenversicherungsbeiträge zugrunde zu legen4. Anschließend ist zu ermitteln, in welcher Höhe die Beiträge aus versteuertem Einkommen geleistet wurden.

Praxishinweis

Wie exakt die aus versteuertem Einkommen gezahlten Beiträge im Detail zu berechnen und nachzuweisen sind, ist derzeit offen. Die Feststellungslast für das Vorliegen einer etwaigen verfassungswidrigen doppelten Besteuerung liegt zunächst beim Steuer­pflich­ti­gen5. Gewisse Darlegungserleichterungen und auch ergänzende Schätzungen sind aber möglich6. So hat der BFH schon früher angedeutet, aus einem vorgelegten Versicherungs­verlauf ließen sich die relevanten Informationen ableiten7.

Diverse Freibeträge gelten nicht als „steuerfreier Zufluss“

Dem voraussichtlich steuerfrei zufließenden Rentenbetrag sind die vor­aus­sicht­lich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse aus einer möglichen Hin­ter­blie­ben­en­ren­te hinzuzurechnen. Unberücksichtigt bleiben der Grund­frei­be­trag, die Kranken- und Pfle­ge­ver­siche­rungs­bei­träge wie der Bei­trags­an­teil zur Kran­ken­ver­si­cher­ung, der Werbungskosten-Pauschbetrag und der Son­der­aus­ga­ben­pausch­be­trag.

Praxishinweise

Eine Reaktion des Gesetzgebers in dieser Legislaturperiode ist nicht zu erwarten.
Noch nicht entschieden ist das Verfahren vor dem FG Saarland, auf das wir hingewiesen hatten8.
Ein maschineller Vorläufigkeitsvermerk erfolgt noch immer nicht. Die Festsetzungen, bei denen eine Doppelbesteuerung droht, sind deshalb weiterhin offen zu halten.
Sämtliche relevanten Unterlagen, die mit der Thematik zusammenhängen, sind aufzubewahren. Die Mandanten sind hierauf hinzuweisen. Keinesfalls sollten vorhandene Unterlagen, wie etwa Steuerbescheide, nach Ablauf von zehn Jahren entsorgt werden.
Einsprüche, die aufgrund der BFH-Aktenzeichen X R 33/19 und X R 20/19 ruhen, sollten nicht zurückgenommen werden. Die Stellungnahme der Finanzverwaltung zu den Urteilen ist abzuwarten.
Im Übrigen ist nicht auszuschließen, sondern sogar zu erwarten, dass das BVerfG angerufen wird, weil es sich hier um „unterstützte“ Musterverfahren handelte.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]BVerfG, Urteil v. 6.3.2002 2 BvL 17/99, BStBl 2002 II S. 618.
  2.  ]BFH, Urteil v. 19.5.2021 X R 33/19, Rz. 21, juris; BFH, Urteil v. 18.11.2009 X R 34/07, BStBl 2010 II S. 414; der Einwand der Doppelbesteuerung kann ab dem Beginn der Auszahlungsphase geltend gemacht werden, BFH, Urteil v. 19.5.2021 X R 20/19, juris, Rz. 48.
  3.  ]BFH, Urteil v. 19.5.2021 X R 33/19, juris, Rz. 22.
  4.  ]Musil, DStR 2020 S. 1881 Tz. 4.3.4.
  5.  ]BFH, Urteil v. 21.6.2016 X R 44/14, BFH/NV 2016 S. 1791, Rz. 52.
  6.  ]BFH, Urteil v. 19.5.2021 X R 33/19, juris, Rz. 22; BFH, Urteil v. 21.6.2016 X R 44/14, BFH/NV 2016 S. 1791; BerP 12/2016 S. 711.
  7.  ]BFH, Urteil v. 21.6.2016 X R 44/14, BFH/NV 2016 S. 1791, Rz. 56.
  8.  ]FG Saarland, Az. 3 K 1072/20, n. v.; BerP 5/2020 S. 248.