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Eigentumsübergang im Wege der Zwangs­ver­steige­rung ist ein Veräußerungsgeschäft

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Gericht / Az:
FG Münster, Urteil vom 26.11.2020
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Streitfrage:
Kann aufgrund einer Zwangsversteigerung ein privates Veräußerungs­ge­schäft entstehen?

Privates Veräuße­rungs­geschäft

Der Verkauf eines privat genutzten Grundstücks, bei dem zwischen Anschaf­fung und Ver­äuße­rung nicht mehr als zehn Jahre liegen, ist nach § 22 Nr. 2 EStG i. V. mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig.

Veräußerungs­grund ist nicht en­tschei­dend

Hierbei spielt der Grund, weshalb das Grundstück veräußert wird, keine Rolle. Eine freie Wil­lens­entscheidung zur Veräußerung ist aus Sicht der Recht­spre­chung nicht not­wen­dig1. Selbst dann, wenn der Steuer­pflich­ti­ge zur Veräuß­erung ge­zwungen wird (Krank­heit oder zur Abwendung einer drohen­den Ent­eig­nung) liegt eine Ver­äuße­rung i. S. des § 23 Abs. 1 EStG vor.

Veräußerung auch bei einer Zwangs­ver­steige­rung

Im Urteilsfall bestätigte das Finanzgericht, dass auch der Eigentumsver­lust bei einer Zwangs­ver­steige­rung zu einem privaten Veräußerungs­ge­schäft füh­ren kann. Bei einer Zwangs­ver­stei­ge­rung liegt auch ein Willens­ent­schluss des Eigen­tümers vor, weil er die Veräußerung durch Befriedigung der Gläu­bi­ger ver­hin­dern kann. Ob dem An­trag­stel­ler dies wirt­schaftlich möglich ge­we­sen ist, ist in­so­fern nicht entscheidend.

Praxishinweis

Für die Berechnung der Veräußerungsfrist kommt es sowohl bei der An­schaf­fung als auch bei der Veräußerung auf den Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des schuld­recht­li­chen Ver­pflich­tungs­ge­schäfts (Kauf­ver­trag, Tausch­ver­trag etc.)2 an. Nicht von Be­deu­tung ist, wann Besitz, Nutzen und Lasten über­ge­hen.
Im Falle einer Zwangsversteigerung ist dabei der Tag der Abgabe des je­wei­li­gen Meistgebots, nicht die Erteilung des Zu­schlags­be­schlus­ses. Der Zu­schlag, mit dem der Er­wer­ber das Eigentum kraft Hoheitsakt er­wirbt, ist der „dingliche“ Akt der Eigen­tums­über­tra­gung.
Im Gegensatz zum Urteilsfall liegt bei einer Enteig­nung gegen Zah­lung einer Ent­schädigung kein privates Ver­äuße­rungs­ge­schäft vor3, weil hier kein Will­lens­ent­schluss des Eigentümers ge­ge­ben ist.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]BFH, Urteile v. 29.6.1962 VI 82/61 U, BStBl 1962 III S. 387; v. 16.1.1973 VIII R 96/70, BStBl 1973 II S 455.
  2.  ]BFH, Urteil v. 2.4.1974 VIII R 76/69, BStBl 1974 II S. 540; BVerfG, Beschluss v. 16.8.1977 1 BvR 836/76, HFR 1977 S. 510; H 23 EStH „Veräußerungsfrist“.
  3.  ]BFH, Urteil v. 23.7.2019 IX R 28/18, BStBl 2019 S. 701.