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Folgen des Brexit

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Zum Jahresende tritt der seit 29.3.2017 feststehende Austritt Großbritanniens aus der EU (sog. Brexit) endgültig in Kraft. Das am 1.2.2020 abgeschlossene Austrittsabkommen und die darin geregelten Übergangsregelungen treten mit Ablauf des 31.12.2020 außer Kraft. Damit wird Großbritannien (England, Wales, Schottland und Nordirland) zum Drittland. Nachfolgend möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten daraus resultierenden Folgen geben

Bestandsschutz und Brexit-Steuerbegleitgesetz

Brexit-Steuer­begleitgesetz

Weiterhin gilt aber: Der Brexit löst infolge des Brexit-Steuerbegleitgesetzes1 keine steuerlichen Konsequenzen für bereits vollzogene Sachverhalte aus. der Gesetzgeber hat hierzu z. B. in § 4g EStG, § 6b EStG, § 6 AStG etc. diverse Einzelfallregelungen getroffen. Für künftige Fallkonstellationen mit Bezug zu Großbritannien gelten diese Regelungen aber nicht. Aufgrund des nun gel­ten­den Status als Drittland sind daher diverse Sachverhalte steuerlich nicht mehr privilegiert. Siehe hierzu nachfolgende Ausführungen.

Einkommensteuer/Körperschaftsteuer

Bei Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem inländischen Be­triebs­ver­mö­gen in eine britische Betriebsstätte kommt es nach § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG zur Aufdeckung der darin ruhenden stillen Reserven. Die Bil­dung einer Rücklage nach § 4g EStG wird ab 1.1.2021 hierfür nicht mehr mög­lich sein.

Kein § 4g EStG mehr

Ein Veräußerungsgewinn i. S. des § 6b EStG kann bei einer geplanten Re­in­ves­ti­tion in Großbritannien künftig nicht mehr nach § 6b Abs. 2a EStG auf fünf Jahre verteilt werden.

Kein § 6b Abs. 2a EStG mehr

Eine bisher in einen deutschen Organkreis einbezogene britische Limited mit deutschem Verwaltungssitz ist durch den Brexit zukünftig keine taug­li­che Organgesellschaft i. S. von § 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG mehr.

KSt-Organschaft

Umsatzsteuer

Outbound-Fälle - Leistungen nach Großbritannien

Lieferungen

Warenlieferungen vom Inland nach Großbritannien stellen künftig keine in­ner­ge­mein­schaftlichen Lieferungen i. S. von § 6a Abs. 1 UStG mehr dar. Kor­res­pon­dier­end entfällt auch der innergemeinschaftliche Erwerb i. S. des § 1a UStG.

Wegfall inner­ge­mein­schaft­li­che Lie­fer­ung und in­ner­ge­mein­schaft­li­cher Er­werb

Praxishinweise

Es liegen statt dessen Ausfuhrlieferungen gem. § 6 Abs. 1 UStG vor. Damit erweitert sich auch der Anwendungsbereich, denn während in­ner­ge­mein­schaft­li­che Lieferungen B2B-Leistungen voraussetzen, um­fasst § 6 UStG auch B2C-Fälle.

Künftig Ausfuhren

Auf die Nichtanwendbarkeit des § 3c UStG sei jedoch an dieser Stelle hin­gewiesen (siehe nachstehend).
Einfuhren aus Großbritannien unterliegen künftig den Regelungen der Ein­fuhr­um­satzsteuer.

Künftig EUSt

Die Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte nach § 25b UStG findet künftig bei britischer Beteiligung keine Anwendung mehr.
Durch Wegfall der innergemeinschaftlichen Lieferungen entfallen auch die fiktiven innergemeinschaftliche Lieferungen des Verbringens (§ 3 Abs. 1a, § 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a Abs. 2 UStG). Damit handelt es sich bei in­ner­un­ter­neh­merischen Warentransporten ins Drittland Großbritannien künf­tig um nicht steuerbares rechtsgeschäftsloses Verbringen.

Kein in­ner­ge­mein­schaft­li­ches Ver­brin­gen mehr

Bei Lieferungen an britische Privatpersonen wird die Verlagerung des Lie­fer­orts nach § 3c UStG nicht mehr in Betracht kommen. Stattdessen sind die Regelungen der Ausfuhren (§ 6 UStG) einschlägig.

Wegfall Fern­ver­kaufs­regelung

Sonstige Leistungen

Vor allem für sonstige Leistungen nach Großbritannien ist das bisher gültige System des § 13b UStG nicht mehr anwendbar. Stattdessen muss die na­tio­na­le britische Rechtslage, die gegenwärtig noch nicht abschließend ge­klärt ist, angewendet werden. In einer Vielzahl der Fälle wird es jedoch wei­ter­hin beim Reverse-Charge-Verfahren bleiben. Die Briten sind nun je­doch freier in ihrer Ausgestaltung der Regelung.

Reverse-Charge-Verfahren

Grundsätzlich gilt eine sonstige Leistung an einen Nichtunternehmer nach § 3a Abs. 1 UStG am Sitz des Leistenden als ausgeführt. Werden die in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG aufgezählten sonstigen Leistungen (z. B. sonstige Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirt­schafts­prü­fer, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher etc., Bank- und Fi­nanz­um­sätze) an britische Nichtunternehmer erbracht, verlagert sich der Leis­tungs­ort künftig nach Großbritannien (§ 3a Abs. 4 Satz 1 UStG).

Ortsbestimmungen

Inbound-Fälle - Leistungen aus Großbritannien

Auf den Wegfall des innergemeinschaftlichen Erwerbs und den Wegfall des innergemeinschaftlichen Verbringens sei nochmals hingewiesen.
Gelangt ein Gegenstand aus Großbritannien ins Inland und schuldet der Lieferer die Einfuhrumsatzsteuer, ist künftig § 3 Abs. 8 UStG zu beachten, d. h. der Lieferort gilt als im Inland belegen (entgegen § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG).

§ 3 Abs. 8 UStG

Für die Ortsbestimmung einiger sonstiger Leistungen (z. B. Kreditvergabe an inländische juristische Person des öffentlichen Rechts) ist künftig § 3a Abs. 6 UStG anwendbar.

Ort der sonstigen Leistung

Praxishinweis

Außerdem sind die speziellen Regelungen des § 3a Abs. 7 und Abs. 8 UStG künftig in britischen Fällen zu beachten.

Sonderstatus Nordirland

Nordirland bleibt faktisch EU

Ein Sonderstatus gilt für Nordirland, für das im „Protokoll zu Irland / Nordirland“ zum Austrittsabkommen ein besonderer Status vereinbart wurde. Nach Art. 8 Abs. 1 i. V. mit Anhang 3 dieses Protokolls gelten für Nordirland folgende Be­stim­mun­gen fort, soweit sie die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs be­treffen:

Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das ge­mein­same Mehrwertsteuersystem,
Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige,
Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer,
Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen,
Dreizehnte Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Um­satz­steuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Ge­biet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige,
Richtlinie 2007/74/EG des Rates vom 20. Dezember 2007 über die Be­freiung der von aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführten Waren von der Mehrwertsteuer und den Verbrauchsteuern,
Richtlinie 2009/132/EG des Rates vom 19. Oktober 2009 zur Festlegung des Anwendungsbereichs von Artikel 143 Buchst. b und c der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der Mehrwertsteuerbefreiung bestimmter end­gül­ti­ger Einfuhren von Gegenständen,
Richtlinie 2006/79/EG des Rates vom 5. Oktober 2006 über die Steu­er­be­frei­ung­en bei der Einfuhr von Waren in Kleinsendungen nicht­kom­mer­ziel­ler Art mit Herkunft aus Drittländern,
Verpflichtungen aus der Übereinkunft zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Norwegen über die Zusammenarbeit der Ver­wal­tungs­be­hör­den, die Betrugsbekämpfung und die Beitreibung von For­der­un­gen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und
Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen In­teressen beeinträchtigen.

Praxishinweis

Fazit

Im Ergebnis ist bei der Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs mit dem Ver­einigten Königreich zwischen Großbritannien und Nordirland zu un­ter­schei­den. Während Großbritannien auch insoweit als Drittlandsgebiet zu be­han­deln ist, wird Nordirland für die Umsatzbesteuerung des Warenverkehrs auch nach dem 31.12.2020 als zum Gemeinschaftsgebiet gehörig behandelt.

BMF-Schreiben

Das BMF hat sich mit Schreiben vom 10.12.2020 aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht zum Brexit geäußert und weist hier nochmals darauf hin, dass für alle Leistungen, die nach dem 31.12.2020 24 Uhr (Brüsseler Zeit) ausgeführt werden, künftig die Drittlandsregelungen zu beachten sind.

Praxishinweise

Zum Leistungszeitpunkt verweisen wir auf BerP 7/2020 S. 396 ff.
Für Dauerleistungen ist zu differenzieren: Liegt eine einheitliche Gesamt-Dauerleistung vor, ist diese nach der bei ihrem Abschluss geltenden Recht zu beurteilen (i. d. Regel Drittlandsfall). Bei Teilleistungen ist die einzelne Teilleistung maßgebend.

Übergangsregelung

Es existiert jedoch eine Übergangsregelung. Warenbewegungen, die vor dem 1.1.2021 beginnen, gelten noch nach der alten Rechtslage als ausgeführt.

Praxishinweis

Zu weiteren Übergangsregelungen im Zeitraum um den Jahreswechsel wird auf die Rz. 6-10 des BMF-Schreibens vom 10.12.2020 verwiesen.

Erbschaft- und Schenkungsteuer

Welt-Vermögen

Zunächst ist festzustellen, dass die Erbschaftsteuer im Falle der un­be­schränk­ten Steuerpflicht grundsätzlich das Welt-Vermögen erfasst. Daher sind Steu­er­befreiungen auch für in Großbritannien belegene Vermögensteile ent­scheid­end.

Künftig ist Folgendes zu beachten:

Die Regelung des Familienheims (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG) knüpft an eine EU/EWR-Zugehörigkeit, und ist damit ab 1.1.2021 auf britische Fälle nicht mehr anwendbar.

Familienheim

Die Finanzverwaltung geht für Kulturgüter (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG) ebenfalls davon aus, dass diese zur EU/EWR gehören müssen (R E 13.2 Abs. 1 Satz 1 ErbStR). Daher entfällt - zumindest nach Verwaltungsansicht - auch diese Befreiung künftig.

Kulturgüter

Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften in Großbritannien gehören künftig nicht mehr zum begünstigungsfähigen Vermögen i. S. von § 13b Abs. 1 ErbStG.

Betriebsvermögen

Praxishinweis

Kein Verstoß gegen Lohnsummen-regelung

Der Brexit löst aber nach § 37 Abs. 17 ErbStG keinen Lohnsummenverstoß (§ 13a Abs. 3 ErbStG) aus.

Für in Großbritannien belegene Immobilien kommt eine Befreiung nach § 13d ErbStG mangels EU/EWR- Zugehörigkeit nicht mehr in Betracht (§ 13d Abs. 3 Nr. 2 ErbStG).

Wohnimmobilien

Außensteuerrecht

Die bei Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) entstehende Einkommensteuer kann nur in EU/EWR-Fällen gestundet werden (§ 6 Abs. 5 AStG). Bei künf­ti­gem Wegzug nach Großbritannien muss daher ein im Privatvermögen ge­hal­te­ner Anteil i. S. des § 17 EStG fiktiv besteuert werden.

Wegzugsbe-steuerung

Großbritannien gilt als Niedrigsteuerland i. S. der sog. Hin­zu­rech­nungs­be­steu­er­ung (§§ 7 ff AStG). Daher gelten britische Gesellschaften als Zwi­schen­gesellschaft i. S. des § 8 Abs. 2 und 3 AStG. Der sog. Ak­ti­vi­täts­nach­weis zur Vermeidung der Hinzurechnungsbesteuerung gilt nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG nur in der EU/EWR und wird daher künftig nicht mehr möglich sein. Daher besteht künftig das Risiko einer Hin­zu­rech­nungs­be­steu­er­ung nach §§ 7 ff. AStG.

Hinzurechnungs-besteuerung

Umwandlungsteuerrecht

Umwandlung-steuerrecht

Das deutsche UmwStG gilt überwiegend nur im EU/EWR-Raum (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Verschmelzungen und Spaltungen von Körperschaften sowie der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft fallen bei einer britischen Beteiligung künftig nicht mehr unter das UmwStG.

Praxishinweise

Möglich bleiben unter den dortigen Voraussetzungen allerdings Ein­brin­gun­gen i. S. von § 20 Abs. 1 UmwStG, der Anteilstausch i. S. von § 21 Abs. 1 UmwStG durch einen britischen Einbringenden und eine Ein­brin­gung nach § 24 Abs. 1 UmwStG.
Regelmäßig sind solche Umwandlungen nach Ende der Übergangsphase jedoch nicht mehr steuerneutral zu Buchwerten möglich.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]Sog. Brexit-Steuerbegleitgesetz v. 25.3.2019, BGBl 2019 I S. 357.

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