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Dokumentation der Zuordnungsentscheidung - Fällt de Frist 31.7. des Folgejahres?

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
BFH, Vorlagebeschlüsse vom 18.9.2019 XI R 7/19, XI R 3/19
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 15 UStG
Streitfrage:

Ist die gegenwärtige Rechtslage der eindeutigen Dokumentation der Zuordnungs­ent­schei­dung bei gemischt genutzten Lie­fer­ge­gen­stän­den bis zum 31.7. des Folgejahres und die Un­terstel­lung, dass eine nicht dokumentierte Entscheidung die Nicht­zu­ord­nung zur Fol­ge hat, mit dem Unionsrecht vereinbar?

Dreifaches Zu­ord­nungs­wahl­recht bei ge­mischt ge­nutzten Ge­gen­ständen

Bei Bezug eines einheitlichen Gegenstands, der gemischt, also für un­ter­neh­merische und private Zwecke, verwendet wird oder werden soll, steht nach der Rechtsprechung des BFH und des EuGH dem Unternehmer ein Zu­ord­nungs­wahl­recht zu: Er kann den Gegenstand

insgesamt seinem Unternehmen zuordnen oder
in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder
den Gegenstand nur entsprechend dem - geschätzten - unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen zuordnen1.

Praxishinweis

Ausnahme: sonstige Leistung = Aufteilungsgebot

Bei sonstigen Leistungen besteht kein Zuordnungswahlrecht. Hier besteht ein sog. Aufteilungsgebot2.

Bisherige Grund­sätze

Bezüglich der Zuordnung eines einheitlichen Gegenstands gelten bislang fol­gen­de Grundsätze:

Die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen erfordert als innere Tatsache eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers3.
Dabei ist die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs regelmäßig ein ge­wich­ti­ges Indiz für, hingegen die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein eben­so gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstands zum Un­ter­neh­men. Auch die bilanzielle und ertrag­steuerrechtliche Behandlung kann ge­gebenenfalls ein Indiz für die umsatzsteuerrechtli­che Behandlung sein4.

Vorsteuerabzug als Indiz

Gibt es keine Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Unternehmen, kann diese - zumindest so die bisherige Meinung - nicht unterstellt werden5.

Nichtzuordnung = Privatvermögen

Aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer folgt, dass die Zu­ord­nungs­ent­scheidung schon bei Anschaffung oder Herstellung des Ge­gen­stands zu tref­fen6.
Aus Gründen der Praktikabilität kann nach der Rechtsprechung des BFH gleichwohl die Zuordnungsentscheidung spätestens und mit endgültiger Wir­kung in einer „zeitnah“ erstellten Umsatzsteuererklärung nach außen do­ku­men­tiert werden. Den Zeitpunkt der „zeitnah“ zu treffenden Zu­ord­nungs­ent­schei­dung hat der BFH durch Bezugnahme auf den Ablauf der ge­setz­lichen Ab­ga­be­frist für Steuererklärungen (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO; ak­tu­ell 31.7. des Folge­jahres) konkretisiert7.

Bisher Frist: 31.7. des Folgejahres

Rechtslage mit Gmina Ryjewo nicht vereinbar?

Insbesondere an dieser Zuordnungsfrist bis 31.7. hat der XI. Senat im Hinblick auf die Entscheidung Gmina Ryjewo des EuGH8 Zweifel und legt dem EuGH folgende Vorlagefragen vor:

Steht Art. 168 Buchstabe a i. V. mit Art. 167 MwStSystRL einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug in den Fäl­len, in denen ein Zuordnungswahlrecht beim Leistungsbezug besteht, ausgeschlossen ist, wenn bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklä­rung keine für die Finanzbehörden er­kenn­ba­re Zu­ordnungsentscheidung abgegeben wurde?
Steht Art. 168 Buchstabe a MwStSystRL einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der eine Zuordnung zum privaten Bereich unterstellt wird bzw. eine da­hingehende Vermutung besteht, wenn keine (ausreichenden) Indizien für eine unter­nehmerische Zuordnung vorliegen?

Praxishinweise

Bis zu einer Entscheidung des EuGH sollten entsprechende Fälle, bei de­nen die Zuordnungsentscheidung nicht rechtzeitig getätigt wurde, offen ge­halten werden.

Fälle ggf. offen halten

Die zwei Vorlagebeschlüsse des XI. Senates betreffen zwei praktischer „Klassiker“, bei denen häufig eine solche Zuordnungsentscheidung fehl­schlägt, nämlich Photovoltaikanlagen und Arbeitszimmer.
Wir hatten Sie über die anhängigen Verfahren bereits Ende vergangenen Jahres in unserem Newsletter 21/2019 hingewiesen. Nun wurde aus die­sen Verfahren die o. g. Vor­lage­be­schlüsse.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]EuGH, Urteile 11.7.1991 C-97/90 (Lennartz), DB 1992 S. 122; v. 4.10.1995 C-291/92 (Armbrecht), BStBl 1996 II S. 392; v. 8.3.2001C-415/98 (Bakcsi)v. 21.4.2005 C-25/03 (HE), BStBl 2007 II S. 24; v. 23.4.2009 C-460/07 (Puffer), BFH/NV 2009 S. 1056; v. 16.2.2012 C-118/11 (Eon Aset Menidjmunt), DStRE 2012 S. 1077; v. 18.7.2013 C-210/11, C-211/11 (Medicom und Maison Patrice Alard), DStR 2013 S. 1604; v. 9.7.2015 C-331/14 (Trgovina Prizma), DStRE 2015 S. 131; BFH, Urteile v. 7.7.2011 V R 21/10, BStBl 2014 II S. 81; v. 7.7.2011 V R 42/09, BStBl 2014 II S. 76; v. 19.7.2011 XI R 29/09, BStBl 2012 II S. 430; v. 18.4.2012 XI R 14/10, BFH/NV 2012 S. 1828; v. 11.7.2012 XI R 17/09, BFH/NV 2013 S. 266; v. 20.3.2014 V R 27/12, BFH/NV 2014 S. 1097; Beschluss v. 25.2.2014 V B 75/13, BFH/NV 2014 S. 914.
  2.  ]BFH, Urteil v. 14.10.2015 V R 10/14, BStBl 2016 II S. 717.
  3.  ]Beispielhaft BFH, Urteil v. 15.12.2011 V R 48/10, BFH/NV 2012 S. 808; Beschluss v. 14.3.2017 V B 109/16, BFH/NV 2017 S. 922.
  4.  ]BFH, Urteile v. 7.7.2011 V R 21/10, BStBl 2014 II S. 81; v. 11.7.2012 XI R 17/09, BFH/NV 2013 S. 266.
  5.  ]BFH, Urteile v. 7.7.2011 V R 21/10, BStBl 2014 II S. 81; v. 11.7.2012 XI R 17/09, BFH/NV 2013 S. 266.
  6.  ]Beispielhaft BFH, Urteil v. 7.7.2011 V R 42/09, BStBl 2014 II S. 76.
  7.  ]Beispielhaft BFH, Urteil v. 7.7.2011 V R 42/09, BStBl 2014 II S. 76, Rz. 33.
  8.  ]EuGH, Urteil v. 25.7.2018 C-140/17 (Gmina Ryjewo), DStRE 2019 S. 379; BerP 2018 S. 226