
Mit der zunehmenden Bedeutung von „Promotion“-Veranstaltungen von Schauspielern, Regisseuren, Schriftstellern, Sportlern o. ä. rückt immer deren umsatzsteuerrechtliche Behandlung in den Vordergrund. Mit den Lesungen einer Schriftstellerin hat sich nunmehr der BFH mit Urteil vom 25.2.2015 XI R 35/12, BFH/NV 2015 S. 1064 befasst.
Während beim Schriftsteller die Honorare für das Buch, den Aufsatz o. ä. unter den ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c UStG (Übertragung von Urheberrechten) fallen, geht die Finanzverwaltung in Abschn. 12.7 Abs. 8 UStAE davon aus, dass Schriftsteller, die im Rahmen einer Veranstaltung Bücher signieren oder Autogramme geben und dafür ein Entgelt erhalten, eine sonstige Leistung zum Regelsteuersatz erbringen. Das Gleiche soll grundsätzlich auch dann gelten, wenn der Schriftsteller aus seinen Werken liest oder mit bestimmten Personengruppen Gespräche führt. Etwas anderes gilt nach Auffassung des BMF nur dann, wenn die Veranstaltung von einer Rundfunk- und Fernsehanstalt veranstaltet und aufgezeichnet wird, um sie ganz oder teilweise zu senden. Dann gilt wieder der ermäßigte Steuersatz § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe c UStG.
Im Urteilsfall des BFH führte eine Schriftstellerin Autorenlesungen durch, für die Eintrittsgelder zu zahlen waren. Die Schriftstellerin war der Auffassung, diese Lesungen seien derart künstlerisch, dass sie als Theateraufführung i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG anzusehen seien. Das FG Köln1 schloss sich dieser Einschätzung an und hielt die Lesungen der für mit einer Theatervorführung vergleichbar. Zu dieser Würdigung des FG mag auch die Autorin und das Werk beigetragen haben, die jedoch (notwendigerweise) beide dem Steuergeheimnis zum Opfer gefallen sind.
Praxishinweis
Hier liegt das erste Risiko: Ob die Lesung künstlerisch ist, entscheidet nicht die Schriftstellerin selbst, sondern das FG (nach seiner Vorstellung davon, was „Kunst“ bzw. „Theater“ ist). Es besteht ein erhebliches Prozessrisiko. Deshalb sollte die Veranstaltung (bzw. ein Beispiel davon) dokumentiert werden. Im Fall des FG Köln lag eine Videoaufzeichnung vor.
Der BFH bestätigte das Urteil des FG mit einem „ja, aber“:
Er stellte zunächst klar, dass die reine Autorenlesung vor Publikum weder eine Theatervorführung noch eine den Theatervorführungen vergleichbare Darbietung ist. Der BFH verglich dies damit, dass auch das bloße Abspielen von Tonträgern (oder heute eher mp3-Dateien) kein Konzert ist2. Im Regelfall scheidet damit der ermäßigte Steuersatz aus.
Jedoch kann ausnahmsweise eine Lesung theaterähnlich sein, wenn - vergleichbar mit einer Theateraufführung - „eine szenische Darstellung“ oder eine „künstlerische Kommunikation zwischen Darstellern und Zuschauern“ erfolgt, mit Hilfe der Stimme, Sprache, Körperhaltung und Bewegung „Emotionen und Gedanken zum Zuhörer transportiert werden“ und dem Zuhörer der „Stoff in einer Form und auf einer Ebene näher gebracht“ wird, die „eine Auseinandersetzung mit ihm erlaubt, zum Nachdenken anregt und unterhält“. Auch hier kann der Vergleich zum Konzert gezogen werden: Nach der Rechtsprechung des BFH kann auch eine „Techno“-Veranstaltung ein Konzert sein, wenn mit vorhandenen (Teilen von) Musikstücken, ggf. durch Verfremdung, neue Musik „komponiert“ wird3. Ob dies der Fall ist, muss das FG beurteilen, dessen Würdigung in den Grenzen des § 118 Abs. 2 FGO den BFH bindet.
Der Regelsteuersatz gilt generell für Frage- oder Autogrammstunden (oder z. B. Buchsignierungen oder „meet and greet“-Veranstaltungen).
Praxishinweise
Hier liegt das zweite Risiko: Der BFH mischt sich in die Beurteilung, ob die Lesung künstlerisch ist, weitgehend nicht ein. Er kontrolliert nur, ob das FG von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Dies erhöht das Prozessrisiko nochmals, weil das FG weitgehende Freiheit hat.
Ggf. sollte deshalb erwogen werden, vorab mit dem Finanzamt eine Klärung herbeizuführen, um nicht Gefahr zu laufen, nach Jahren mit hohen Nachforderungen konfrontiert zu werden.
Bei „Mischveranstaltungen“ (z. B. Lesung mit anschließender Autogrammstunde) könnte sich ggf. ein Aufteilungsproblem ergeben, wenn man von zwei Leistungen ausgeht. Dazu hat sich der BFH nicht geäußert, weil nach FG eine solche „Mischveranstaltung“ nicht vorlag.
In der Leistungskette sollte zwischen voll zum Vorsteuerabzug berechtigten Vertragspartnern (z. B. Vertrag des Autors mit dem Veranstalter) tendenziell zum Regelsteuersatz abgerechnet und dem Veranstalter der Streit um den Steuersatz der Veranstaltung überlassen werden. Da der UStAE Lesungen generell nicht für ermäßigt hält, besteht derzeit kein § 14c UStG-Risiko.