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Zuständigkeit für die Auflösung einer Rücklage nach § 6b EStG

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Gericht / Az:
BFH, Urteil vom 12.7.2023 X R 14/21
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO , § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG
Streitfrage:
Ist im Feststellungsverfahren einer Mitunternehmerschaft der Gewinn aus der Zwangsauflösung einer Rücklage nach § 6b EStG für einen bereits ausgeschiedenen Gesellschafter noch zu berücksichtigen?   

Übertragung stille Reserven aus der Veräußerung

Nach § 6b Abs. 1 EStG kann der Gewinn aus der Veräußerung von Grund und Boden sowie Gebäuden im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- oder Her­stel­lungs­kosten bestimmter Wirtschaftsgüter erfolgsneutral abgezogen werden. Statt eines solchen Abzugs kann auch eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet und in den folgenden vier Wirtschaftsjahren auf begünstigte Wirtschaftsgüter übertragen werden1.

Auflösung ohne Investition

Ohne erfolgte Investition ist die Rücklage spätestens am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen2. Für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, erfolgt ein Gewinnzuschlag von 6 % des Rück­la­gen­be­tra­ges3.

Bildung Rücklage bei Veräußerung MU-Anteil

Die Rücklage kann - wie im Besprechungsurteil - auch für den Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils gebildet werden, soweit dieser auf Grundstücke entfällt. Über die Bildung der Rücklage ist im Gewinnfeststellungsverfahren der Personengesellschaft zu entscheiden, aus der der Gesellschafter ausgeschieden ist4. Die Darstellung der Rücklage für den veräußernden Gesellschafter erfolgt über eine Sonderbilanz.

Übertragung ist ge­sell­schaf­ter­be­zo­gen und rechts­trä­ger­über­greifend

Die Übertragung stiller Reserven erfolgt gesellschafterbezogen. So kann ein dem Ge­sell­schaf­ter zuzurechnender Veräußerungsgewinn nicht nur im veräußernden Betrieb, sondern auch auf Wirtschaftsgüter eines Einzel-Be­triebs­ver­mögens, seines Sonder-Betriebs­ver­mögens oder bis zur Höhe seines ideellen Anteils von Wirtschaftsgütern des Ge­samt­hands­ver­mögens einer anderen Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, ab­ge­zo­gen werden5.

Über die Schwierigkeiten, in welchem Besteuerungsverfahren über eine rechts­trä­ger­über­grei­fen­de Übertragung der stillen Reserven zu entscheiden ist, haben wir in der Ver­gan­gen­heit bereits hingewiesen6.

Verfahrensrechtliche Vorgehensweise

Für den Fall der gesamten Veräußerung des Mitunternehmeranteils hat der BFH nunmehr entschieden, dass eine (Zwangs-) Auflösung der Rücklage nicht mehr im Ge­winn­fest­stel­lungs­verfahren der Mitunternehmerschaft erfolgt. Die Gewinnerhöhung aus der Auflösung ist ausschließlich im Besteuerungsverfahren des ausgeschiedenen Gesell­schaf­ters zu berücksichtigen.

Keine gesonderte Fest­stel­lung er­for­der­lich

Für den entschiedenen Fall war dies von Nachteil, denn die (gewinnerhöhende) Auflösung der Rücklage war Jahre später in der einheitlichen und gesonderten Feststellung für die Mitunternehmerschaft zunächst vergessen worden. Das Wohnsitz-Finanzamt des (aus­ge­schie­denen) Gesellschafters setzte daraufhin den Gewinn und den Gewinnzuschlag aus der Auflösung im Einkommensteuerbescheid an. Diese verfahrensrechtliche Vor­ge­hens­weise sieht der BFH als einzig zulässige an.

Praxishinweise

Über die Auflösung einer Rücklage wird grundsätzlich im Besteuerungsverfahren desjenigen Betriebs entschieden, in dem der Gewinn aus der Veräußerung angefallen ist. Etwas anderes gilt nur für bereits ausgeschiedene Gesellschafter, die nicht mehr Beteiligte eines Gewinnfeststellungsverfahrens sein können.
Es bleibt aber dabei, dass bis zum tatsächlichen Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Reinvestitionsguts oder bis zur Zwangsauflösung wegen Ablaufs der Reinvestitionsfrist die Rücklage nicht in einen anderen Betrieb übertragen werden kann7. Somit kann auf die Aufstellung der Sonderbilanz nicht verzichtet werden, wenngleich die Auflösung später nicht mehr auf Ebene der Mit­un­ter­neh­mer­schaft erfolgt.  
Die spätere Auflösung der Rücklage ohne Investition führt zu nachträglichen ge­werb­li­chen Einkünften i. S. von § 24 Nr. 2 EStG. Diese unterliegen aber nicht mehr der Gewerbesteuer8.
Das Urteil steht im Einklang mit der Literatur9 und der Rechtsprechung zur Be­hand­lung von nachträglichen Einkünften10.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]§ 6b Abs. 3 Sätze 1 bis 4 EStG.
  2.  ]§ 6b Abs. 3 Satz 5 EStG.
  3.  ]§ 6b Abs. 7 EStG.
  4.  ]§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO.
  5.  ]BFH, Urteil v. 16.12.2021 IV R 7/19, BStBl II 2023 S. 378; R 6b.2 Abs. 6 EStR.
  6.  ]Vgl. BerP 8/2021, S. 481 und BerP 7/2022 S. 391.
  7.  ]BFH, Urteil v. 22.11.2018 VI R 50/16, BStBl II 2019 S. 313, Rz. 21, 24 ff.
  8.  ]Selder, in Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl., § 7 Rz. 94.
  9.  ]Loschelder, in Schmidt, EStG, 42. Aufl., § 6b Rz. 58.
  10.  ]BFH, Urteil v. 14.5.2002 VIII R 8/01, BStBl II 2002 S. 532.