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Neues BMF-Schreiben zum Arbeitszimmer und zur Tagespauschale

Kategoriegrafik
Verwaltungs-
anweisung:
BMF, Schreiben vom 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b und 6c EStG

Durch das Jahressteuergesetz 2022 wurden die gesetzlichen Regelungen zum Ar­beitszimmer mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2023 überarbeitet. Am 15.8.2023 veröffentliche das BMF ein ausführliches Schreiben zu dieser Neu­re­gelung. Nachfolgend geben wir einen kurzen Überblick. Eine ausführliche Dar­stellung erfolgt in unseren Arbeitsgemeinschaften Beratungspraxis 12/2023 und Im­mer aktuell VI/2023.

Überblick über die Rechtslage ab 2023

Vier Entscheidungs­ebenen

Zur Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die Aufwendungen als Be­triebs­aus­gaben oder Werbungskosten abzugsfähig sind, ist wie folgt vorzugehen1:

Abzugsfähigkeit eines Arbeitszimmers

Aus diesem Schaubild lassen sich damit die folgenden Grundsätze ab­leiten, die ab dem Jahr 2023 gelten:

Mittel­punkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätig­keit

Qualitativer Tätigkeitsschwerpunkt ist entscheidend

Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit = voll abzugsfähig

Hier ist auf den qualitativen - und nicht auf den quantitativen - Mittelpunkt der ge­samten im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeit abzustellen2. D. h. es kommt auf diejenigen Tätigkeiten an, die für die konkret ausgeübte betrieb­liche oder be­ruf­liche Tätigkeit wesentlich und prägend sind. Versorgungsbe­zü­ge bleiben bei der Bestimmung des Tätigkeitsschwerpunkts außen vor3.

Zeit hat nur Indizfunktion

Der Tätigkeits­mit­telpunkt bestimmt sich nach dem inhaltlichen Schwerpunkt der be­trieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen. Dem zeit­lichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeits­zimmers kommt hier­bei lediglich eine indizielle Bedeutung zu4. Das zeitliche Über­wie­gen der außerhäuslichen Tätigkeit schließt einen unbeschränkten Ab­zug der Auf­wen­dungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht von vornherein aus.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer ist an zwei Tagen in der Woche in der Firma tätig und an drei Tagen pro Woche in seinem häuslichen Arbeitszimmer.

Stellungnahme

Durch die zeitlich überwiegende Tätigkeit zu Hause liegt der Tätigkeits­mittel­punkt im Arbeitszimmer5. Die Unterhaltung eines anderen Arbeitsplatzes am Fir­men­sitz ist unerheblich. Damit kann der Arbeitnehmer uneingeschränkt die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer oder die Jahrespauschale von 1.260 € be­rücksichtigen.    

Ansatz der Kosten

Einzelnachweis der Kosten oder Pauschale mit 1.260 €

Liegt der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im häus­lichen Arbeitszimmer, hat der Steuerpflichtige nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG folgendes Wahlrecht:

Nachweis der einzelnen Kosten und unbeschränkter Abzug der Höhe nach oder
Ansatz einer Pauschale von 1.260 € (ohne Aufwandsnachweis).

Praxishinweis

Die Ausübung des Wahlrechts ist an keine bestimmte Form oder Frist ge­knüpft. Deshalb ist die Aus­übung des Wahlrechts bis zur Bestandskraft des Ein­kommen­steuer­be­scheids möglich.

Ermittlung der tatsächlichen Kosten

Aufwendungen für ein Arbeitszimmer

Zu den Aufwendungen6 für ein Arbeitszimmer gehören insbe­son­dere die Auf­wendungen für die Ausstattung des Zimmers sowie die laufenden Kosten (z. B. Miete, AfA, Schuldzinsen, Wasser- und Energiekosten, Reinigungskosten).

Arbeitsmittel unter­liegen nicht der Ab­zugs­beschränkung

Nicht dem Arbeitszimmer sind die Arbeitsmittel zuzuordnen. Diese unterfallen nicht der Abzugs­beschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b und 6c EStG7. Ar­beits­mittel sind Gegen­stände, die un­mittel­bar der beruflichen Tätigkeit dienen, wie z. B. Computer, Musik­in­strumente, aber auch ein Schreibtisch und der dazu ge­hörende Stuhl. Auch beruflich veranlasste Telefon- und Internet­kosten kön­nen zusätzlich geltend gemacht werden.  

Ansatz der Jahrespauschale von 1.260 €

Zeitanteilige Kürzung der Pauschale

Die Jahrespauschale von 1.260 € ist für jeden Monat, in dem ein häusliches Ar­beits­zim­mer nicht vor­liegt bzw. der Mittelpunkt nicht im Arbeitszimmer liegt, um 1/12 (das ent­spricht 105 €) zu kürzen.

Nicht ganzjährige Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers als Mit­tel­punkt der Tätigkeit

Zeitanteilige Berechnung bei nicht ganzjähriger Nutzung

Ändern sich die Nutzungsverhältnisse innerhalb eines Wirtschafts- oder Ka­len­der­jahres, gelten die folgenden Grundsätze8:

Tagespauschale in allen anderen Fällen

6 € pro Tag Homeoffice, max. 1.260 €

In allen anderen Fällen ist ab 2023 die neue Ta­ges­pau­scha­le nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c EStG zu prüfen. Der Ansatz der Ta­ges­pau­scha­le beträgt 6 € pro Kalendertag, maximal dürfen 1.260 € (da­mit höchstens 210 Tage) im Wirt­schafts- oder Kal­en­der­jahr abgezogen wer­den. Für den Abzug der Ta­ges­pau­scha­le reicht es aus, wenn der Steuer­pflich­ti­ge an einem Kalendertag die betriebliche oder be­ruf­liche Tätigkeit über­wie­gend in der häuslichen Woh­nung ausübt und keine außerhalb der häus­lichen Woh­nung belegene erste Tä­tigkeitsstätte aufgesucht wird9 

Grundfall: Überwiegende Tätigkeit im Arbeitszimmer

Grundfall: Tätigkeit überwiegend im Ar-beitszimmer

Im Grundfall (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c Satz 1 EStG) ist ein Ansatz der Ta­ges­pau­scha­le an solchen Tagen mög­lich, an denen die Tätigkeit über­wiegend in der häus­lichen Wohnung aus­ge­übt wird.

Überwiegend bedeutetet mehr als die Hälfte der täglichen Arbeitszeit

Eine Auswärtstätigkeit am selben Tag ist unschädlich, wenn der Steuer­pflich­ti­ge an diesem Tag seine Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Woh­nung aus­übt. „Überwiegend“ ist eine zeitliche Bestim­mung. Danach muss mehr als die Hälfte der tatsächlichen täglichen Ar­beits­zeit in der häuslichen Wohnung ver­richtet werden10   

Dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz steht zur Verfügung

Überwiegende Tä­tig­keit nicht relevant, wenn dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht

Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Ar­beits­platz zur Verfügung und wird der Steuerpflichtige auch in der häuslichen Woh­nung tätig, ist ein Abzug der Ta­ges­pau­scha­le auch dann zulässig, wenn die Tä­tig­keit am selben Kalendertag aus­wärts oder an der ersten Tä­tig­keits­stät­te aus­ge­übt wird (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6c Satz 2 EStG)11. In diesen Fällen ist zwar ein Tätig­wer­den, aber kein zeitlich überwiegendes Tätigwerden in der häus­lichen Woh­nung für den Abzug der Ta­ges­pau­scha­le er­for­der­lich.  

Fallgruppen der Ta­ges­pauschale

Nach dem neuen Gesetzes­wortlaut ist wie folgt zu differenzieren:

Anderer Arbeitsplatz

Was ist ein anderer Arbeitsplatz?

Ein anderer Arbeitsplatz ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Er­le­di­gung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere Anforderungen an die Be­schaf­fenheit des Arbeitsplatzes werden nicht gestellt12. Eine räumliche Abge­schlos­sen­heit ist hierfür nicht erforderlich, d. h.

auch ein Arbeitsplatz in einem Großraumbüro oder
ein wechselnder Schreibtisch

Lärmbelästigung und Lage spielen keine Rolle

erfüllen diese Voraussetzungen. Ferner ist nur auf die objektive Geeignet­heit abzustellen. Ob der andere Arbeitsplatz ruhig, angemessen oder, ohne Publi­kums­verkehr ist, spielt ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, ob ein kon­zen­trier­tes und ruhiges Arbeiten möglich ist13.

Dies bedeutet: „Anderer Arbeitsplatz“ ist ein solcher, der objektiv zur Erledi­gung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Subjektive Kriterien sind unbeacht­lich.

Arbeitsplatz darf dauerhaft nicht zur Verfügung stehen

Einzelfall- und Prog­nose­ent­scheidung

Bei der Beurteilung des Kriteriums der Dauerhaftigkeit ist für die vor­aus­sicht­liche Dauer der jeweiligen Tätigkeit und unter Berücksichtigung der Umstände des Ein­zel­falles (z. B. Sachverhalt, dienst- oder arbeitsrechtliche Vereinba­run­gen sowie Weisungen und Absprachen) anhand einer Prognose zu ent­schei­den, ob dem Steuerpflichtigen ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht14.

Neue Prognose­ent­scheidung bei Ände­rung der Ver­hältnis­se

Ändern sich die Verhältnisse (z. B. aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels oder ge­änderter dienst- oder arbeitsrechtlicher Vereinbarungen), ist der Sach­ver­halt ab diesem Zeitpunkt neu zu würdigen und eine neue Prognose­ent­schei­dung zu treffen.

Steht für einen Zeitraum von mindestens einem Monat kein anderer Ar­beits­platz zur Verfügung, ist es nicht zu beanstanden, wenn für diesen Zeitraum von einer Dauerhaftigkeit ausgegangen wird.

Sachverhalt15

A ist Lehrer. Der Mittelpunkt der Tätigkeit liegt in der Schule (erste Tätig­keits­stät­te). Die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts erledigt A im häuslichen Ar­beits­zim­mer, weil A für diese Tätigkeiten in der Schule dauerhaft kein anderer Ar­beits­platz zur Verfügung steht.

Stellungnahme

Die Aufwendungen für die Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer kann A nur in Form der Ta­ges­pau­scha­le abziehen (kein Mittelpunkt der gesamten be­trieb­lichen und beruflichen Betätigung), dies aber auch für die Tage, an de­nen er zu­vor oder danach in der Schule als seiner ersten Tätigkeits­stät­te ge­ar­beitet hat.

Mehrere Tätigkeiten

Aufteilung bei mehre­ren Tätig­keiten

Die Pauschale gilt für die gesamte Tätigkeit des Steuer­pflichtigen. Übt der Steuerpflichtige mehre­re verschiedene betriebliche und berufliche Tätigkeiten aus, sind sowohl die Ta­ges­pau­scha­le als auch der Höchstbetrag auf­zuteilen. Die Beträge wer­den nicht tätigkeitsbezogen vervielfacht16.

Ansatz der Ta­ges­pau­scha­le ist tätig­keits­be­zogen zu prü­fen

Nach der Verwaltungsauffassung ist die Tagespau­scha­le tätig­keits­be­zo­gen zu prü­fen. Es gelten dabei die folgenden Grundsätze17:

Grundsätzlich wäre die Tagespauschale zwischen den einzelnen Tätigkeiten auf­zu­teilen. Die Verwaltung lässt es aber zu, dass der Steuerpflichtige auf eine Auf­teilung der Ta­ges­pau­scha­le auf die verschiedenen Tätigkeiten ver­zich­tet und diese insgesamt einer Tätigkeit zuordnet, für die die Vor­aus­set­zungen für den Abzug der Ta­ges­pau­scha­le vorliegen18 

Praxishinweis

Danach ist es möglich, die Ta­ges­pau­scha­le im Rahmen einer Nebentätigkeit in Anspruch zu nehmen und im Rahmen der Arbeitnehmertätigkeit den Ar­beit­neh­mer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1a EStG) geltend zu machen.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Tz. 1.
  2.  ]BFH, Urteile v. 2.7.2003 XI R 5/03, BFH/NV 2004 S. 29; v. 15.3.2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007 S. 1133; BFH, Beschluss v. 20.4.2010 VI B 150/09, BFH/NV 2010 S. 1434; v. 15.7.2010 III R 70/08, BFH/NV 2010 S. 2253; BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 12.
  3.  ]BFH, Urteil v. 11.11.2014 VIII R 3/12, BStBl 2015 II S. 382.
  4.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 13.
  5.  ]BFH, Urteil v. 23.5.2006 VI R 21/03, BStBl 2006 II S. 600; BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 14.
  6.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 7.
  7.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 11.
  8.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 21.
  9.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 27.
  10.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 27.
  11.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 31.
  12.  ]BFH, Urteil v. 7.8.2003 VI R 17/01, BStBl II 2004 S. 78; BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 31.
  13.  ]BFH, Urteile v. 7.8.2003 VI R 162/00, BStBl II 2004 S. 83; v. 7.8.2003 VI R 17/01, BStBl II 2004 S. 78.
  14.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 35.
  15.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 35.
  16.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 29, 36.
  17.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 36.
  18.  ]BMF, Schreiben v. 15.8.2023 IV C 6 - S 2145/19/10006 :027, juris, Rz. 29.