- Gericht / Az:
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Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 5.1.2023 9 K 162/21
- Fundstelle:
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EFG 2023 S. 470
- Gesetz:
- § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO
- Streitfrage:
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Kann eine fehlerhafte Beratung rückwirkend gerettet werden?
Wichtige anhängige Revision in potenziellen Haftungsfällen
Häufig bemerkt man erst hinterher, dass man manches besser nicht gestaltet hätte. Ein solcher Fall lag dem dargestellten Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts zugrunde. Ohne die Erfolgsaussichten der Revision beurteilen zu wollen, möchten wir Sie dennoch auf das anhängige Verfahren (Az. IX R 4/23) hinweisen. Denn sollte die Revision erfolgreich sein, kann dies in vielen vermeintlichen Haftungsfällen ein Rettungsanker sein. Doch der Reihe nach. Zunächst betrachten wir den Sachverhalt des Streitfalls.
Sachverhalt
Im Fall des Besprechungsurteils wechselten Eheleute den Güterstand von Zugewinngemeinschaft in Gütertrennung. Den entstehenden Zugewinnausgleich, der aus schenkungsteuerlicher Sicht nicht zu besteuern ist, bediente der Ehemann teilweise damit, dass er auf seine Ehefrau Anteile i. S. des § 17 EStG übertrug. Im Vorfeld stimmte das Ehepaar mit dem Steuerberater ab, dass dies ohne Steuerbelastung möglich sei. Eine fatale Fehlauskunft, wie bekannt sein dürfte, denn der Zugewinnausgleich ist eine Forderung. Wird diese in privaten Sachwerten bezahlt, kann dies § 17, § 20 Abs. 2 oder § 23 EStG auslösen. So auch im Streitfall.
Nachdem das Finanzamt die Besteuerung nach § 17 EStG vorgenommen hat, wurde die notarielle Vereinbarung rückwirkend geändert; der Zugewinnausgleich sollte nun in bar geleistet werden. Die Frage war, ob diese rückwirkende Vertragsänderung auch steuerlich zu berücksichtigen ist.
Wichtige Differenzierung: Ist der Vertrag bereits umgesetzt?
Hierbei ist nach der bisherigen Rechtsprechung wie folgt zu differenzieren:
Während die Fälle der Fallgruppe a damit regelmäßig unproblematisch sind, kann in vollendeten Fällen (obige Fallgruppe b) häufig der Fall nicht mehr gerettet werden.
Praxishinweis
Wichtigkeit der Präambeln!
Die vorstehenden Ausführungen sind der Grund, warum wir regelmäßig bei Gestaltungen zu einer Präambel raten, in der die gewünschte steuerliche Auswirkung dargestellt wird. Damit wird klargestellt, dass die gewünschte steuerliche Auswirkung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war. Tritt diese nun nicht ein, besteht rechtlich die Möglichkeit der Rückabwicklung.
Im Urteilsfall war das Rechtsgeschäft bereits verwirklicht, die Anteile an der Kapitalgesellschaft auf die Ehefrau übertragen. Eine Präambel oder anderweitig Hinweise auf die geplante steuerneutrale Übertragung der Anteile i. S. des § 17 EStG waren im Vertrag nicht ersichtlich. Einzig die Aussage der beteiligten Parteien, dass im Vorfeld der Sachverhalt vonseiten des Steuerberaters - rechtsfehlerhaft - als steuerneutral gewertet wurde, lag vor.
Fehlerhafte steuerliche Auskunft ausreichend?
Etwas überraschend kam das FG zum Ergebnis, dass offensichtlich eine Rückabwicklung des Vertrags möglich sei. Im vorliegenden Fall ließen sich die Eheleute gemeinsam vom Steuerberater zu der Frage beraten, ob die geplante Übertragung der GmbH-Anteile Einkommensteuer auslöst. Nachdem der Steuerberater dies verneinte, gingen die Eheleute von fehlerhaften Umständen aus, als sie den Ehevertrag schlossen. Dies genüge als Grundlage dafür, dass der ursprüngliche Vertrag mit Rückwirkung abgewickelt werden kann.
Praxishinweis
Revision muss beobachtet werde!
Das Ergebnis überrascht und ist u. E. für fehlgeschlagene Beratungen von enormer Bedeutung. Wir raten Ihnen dazu, aktuelle Fälle, die auf Falschberatungen zurückzuführen sind, nicht bestandskräftig werden zu lassen. Sollte der BFH im Revisionsverfahren (Az. IX R 4/23) der Argumentation des Finanzgerichtes folgen, kann dies in vielen Fällen dazu führen, dass durchgeführte fehlerhafte Gestaltungen rückwirkend in den Ursprungszustand gerettet werden können3.
Fußnoten anzeigen ↓
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 13.10.2015 IX R 43/14, BStBl 2016 II S. 212.
- [ ↑ ]BFH, Urteile v. 6.12.2016 IX R 49/15, BStBl 2017 II S. 673; v. 13.10.2015 IX R 43/14, BStBl 2016 II S. 212; v. 23.5.2012 IX R 32/11, BStBl 2012 II S. 675; v. 19.8.2003 VIII R 67/02, BStBl 2004 II S. 107; v. 14.6.2005 VIII R 14/, BStBl 2006 II S. 15.
- [ ↑ ]Vgl. ebenso Korn, kösdi 2023 S. 23205.