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Steuerermäßigung nach § 35a EStG bei am­bu­lanten Pfle­ge- und Be­treuungs­leistungen

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
BFH, Urteil vom 12.4.2022 VI R 2/20
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 35 Abs. 2 Satz 2 EStG
Streitfrage:
Können auch Angehörige ambulante Pflege- und Betreu­ungs­leistungen nach § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG geltend machen?

Pflege- und Betreu­ungs­leistun­gen als haus­halts­nahe Dienst­leistung

Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Steuer­pflich­tigen wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pfle­ge sind nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG abzugsfähig.

Begünstigte Auf­wen­dun­gen

Folgende Aufwendungen sind beispielsweise begünstigt1:

Pflege am Menschen (betreffend Körperpflege, Ernährung und Mobilität),
Leistungen zur hauswirtschaftlichen Versorgung (wie einkaufen, kochen und reinigen der Wohnung).

Praxishinweis

Anders als bei § 33 EStG und § 33b Abs. 6 EStG gibt es beim Steuerabzugs­be­trag nach § 35a EStG keine Voraussetzungen oder Einschränkungen hin­sicht­lich eines Grads der Pflegebedürftigkeit.

Fallgruppen des
§ 35a Abs. 2 EStG

Die folgenden beiden Fallgruppen sind differenziert zu betrachten:

Ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen (§ 35a Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz EStG) sowie
stationäre Unterbringung und Pflege (§ 35a Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG).

1. Ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen

Auch bei am­bu­lan­ter Pfle­ge und Be­treu­ung eines Drit­ten

Die Steuerermäßigung kann auch von Steuerpflichtigen in Anspruch ge­nom­men werden, denen Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung eines Dritten (im Urteilsfall die Mutter des Steuerpflichtigen) erwachsen. Dies gilt auch dann, wenn die Pflege- und Be­treu­ungs­leistungen nicht im eigenen Haus­halt des Steuerpflichtigen, sondern im Haus­halt der gepflegten oder be­treu­ten Person ausgeübt oder erbracht wer­den (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG).

Angehörige sind auch be­günstigt

Folglich können in dieser Fallgruppe auch Angehörige die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG geltend machen.

2. Stationäre Unterbringung und Pflege

Nur Aufwendungen für die eigene Un­ter­brin­gung

Die Steuerermäßigung kann nur derjenige in An­spruch nehmen, dem die Auf­wen­dun­gen wegen seiner eigenen Unter­bringung in einem Heim oder zu sei­ner eigenen dauernden Pfle­ge erwach­sen sind (§ 35a Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG)2.

Angehörige sind nicht be­günstigt

Folglich können in dieser Fallgruppe Angehörige (z. B. Kinder) die Steuer­er­mäßi­gung nach § 35a Abs. 2 EStG nicht beanspruchen.

Bei der Berücksichtigung von Pflege- und Betreuungsleistungen in einem Al­ten­heim, Pfle­ge­heim oder Wohnstift ist das Vorhandensein eines eigenen Haus­halts für die Dienst­leis­tun­gen, die mit einer Hilfe im Haushalt ver­gleich­bar sind, nicht er­for­derlich3.

3. Zusammenfassung

Zusammenfassung

Die beiden Fallgruppen der Pflege- und Betreuungsleistungen können wie folgt zu­sam­men­gefasst werden:

Praxishinweis

Für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für ambulant erbrachte Pfle­ge- und Be­treuungs­leistungen ist weder Vor­aus­set­zung, dass der Steuer­pflich­tige für die Auf­wen­dungen eine Rechnung erhalten noch in den Zah­lungs­vorgang ein Kreditinstitut ein­ge­bun­den hat.

Diese Voraussetzungen des § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG (unbare Bezahlung und Rechnung) müssen lediglich „für die Inanspruchnahme der Steuer­er­mäßi­gung für haushaltsnahe Dienst­leistungen nach Abs. 2 oder für Hand­wer­ker­leistungen nach Abs. 3“ vorliegen. Die Regelung erstreckt sich daher nicht auf Pflege- und Betreuungsleistungen.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]BMF, Schreiben v. 9.11.2016 IV C 8 - S 2296-b/07/10003:008, BStBl 2016 I S. 1213, Rz. 13.
  2.  ]BFH, Urteil v. 3.4.2019 VI R 19/17, BStBl II 2019 S. 445.
  3.  ]BMF, Schreiben v. 9.11.2016 IV C 8 - S 2296-b/07/10003:008, BStBl 2016 I S. 1213, Rz. 14.