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Entlastungsbetrag für Alleiner­ziehende im Jahr der Hei­rat oder Tren­nung

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
BFH, Urteile vom 28.10.2021 III R 17/20, III R 57/20
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 24b EStG
Streitfrage:
Kann der Ent­lastungs­be­trag für Al­lein­er­ziehen­de im Jahr der Heirat oder Trennung zeitanteilig gewährt werden?

Voraussetzungen:
- Alleinerziehend
- Kind

Der Ent­lastungs­be­trag für Al­lein­er­ziehen­de wird Steuerpflichtigen gewährt, die „alleinstehend” sind und zu deren Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Kinderfreibetrag zusteht.

Als alleinstehend gelten nach § 24b Abs. 3 EStG Personen, die

nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens nach § 26 Abs. 1 EStG erfüllen oder verwitwet sind und

Kein Splitting­ver­fahren

keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden. Eine Haushaltsgemeinschaft mit einem minderjährigen Kind ist stets un­schäd­lich.

Keine Haushalts­ge­meinschaft

Bisherige Verwal­tungs­auf­fassung lässt zeit­an­teilige Ge­währung nicht zu

Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung1 führt die Anwendung des Split­ting­verfahrens zur Versagung des Ent­lastungs­be­trags für Al­lein­er­ziehen­de. Be­reits 2006 hatte der BFH2 Zweifel, ob es verfassungsgemäß ist, dass das Split­ting­verfahren stets zum Aus­schluss des Ent­lastungsbetrags führt. Die Ver­fassungs­beschwerde wurde aber vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Ent­scheidung angenommen3.

BFH: Zeitanteilige Er­mitt­lung zulässig

In den beiden Urteilsfällen kommt der BFH zum Ergebnis, dass der Ent­lastungs­be­trag für Al­lein­er­ziehen­de auch zeitanteilig gewährt werden kann. Dies bedeutet:

Im Trennungsfall wurde im Urteilssachverhalt bei den Ehegatten eine Ehe­gat­ten­ver­an­la­gung mit Ein­zel­ver­an­la­gung durch­ge­führt. U. E. muss die zeit­an­tei­lige Be­rech­nung auch bei An­wen­dung des Split­ting­tarifs greifen. Dies des­halb, weil der Gesetzes­wort­laut nur auf die „Vor­aus­setzun­gen für die An­wen­dung des Split­ting-Ver­fah­rens“ abstellt und weil im zweiten Ur­teils­fall (Ehe­schließung) der Split­ting­tarif an­ge­wen­det wurde.

Praxishinweise

Die beiden Entscheidungen sind aus Sicht der Alleinerziehenden äußerst positiv: Wird eine Ehe erst zum Jahresende geschlossen, wird der Split­ting­tarif für das gesamte Jahr gewährt, sofern die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllt sind. Trotz der Eheschließung wird der Ent­lastungs­be­trag für Al­lein­er­ziehen­de zeitanteilig für die vergangenen Monate gewährt, so­fern noch nicht eine Haushaltsgemeinschaft bestanden hat. Gleiches gilt im Jahr der Trennung bzw. Scheidung.
Die (vermeintliche) Doppelbegünstigung aus Splittingtarif und Ent­lastungs­be­trag für Al­lein­er­ziehen­de hält der BFH für unerheblich.
Nach § 24b Abs. 4 EStG ist der Entlastungsbetrag um ein Zwölftel zu ver­ringern, und zwar für jeden vollen Kalendermonat in dem die oben genannten Vor­aus­setzungen nicht erfüllt sind. Das bedeutet, dass der Heiratsmonat noch zugunsten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen ist.
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wurde ab 2020 erhöht und be­trägt derzeit 4.008 € für das erste Kind und je 240 € für jedes weitere Kind. Die zeitanteilige Berechnung gilt für den Grund- und den Erhöhungsbe­trag4.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]BMF, Schreiben v. 23.10.2017 IV C 8 - S 2265-a/14/10005, BStBl 2017 I S. 1432, Rz. 5 - 6.
  2.  ]BFH, Urteil v. 19.10.2006 III R 4/05, BStBl 2007 II S. 637.
  3.  ]BVerfG, Beschluss v. 22.5.2009 2 BvR 310/07, BStBl 2009 II S. 884
  4.  ]BMF, Schreiben v. 23.10.2017 IV C 8 - S 2265-a/14/10005, BStBl 2017 I S. 1432, Rz. 24 - 25.