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EuGH entscheidet zur Frage der Zu­ord­nungs­frist

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Gericht / Az:
EuGH, Urteil vom 14.10.2021 C‑45/20 (Finanzamt N), C‑46/20 (Finanzamt G)
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 15 UStG
Streitfrage:
Bis wann kann ein gemischt-genutzter Gegenstand dem Un­ter­neh­mens­ver­mö­gen zugeordnet werden?

Generelles zur Zu­ord­nungs­ent­schei­dung

Für gemischt-genutzte Liefergegenstände1, also solche die teilweise unter­nehmerisch und teilweise nicht unternehmerisch genutzt werden sollen, gilt nach bisherigerer nationaler Rechtsauffassung2 Folgendes:

Es besteht ein sog. dreifaches Zuordnungswahlrecht, d. h. der Unternehmer kann im Zeitpunkt des Leistungsbezugs entscheiden, ob er den Liefer­gegenstand
  • insgesamt seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnet,
  • ihn in vollem Umfang in seinem nichtunternehmerischen Bereich be­lassen will, oder
  • ihn im Umfang der tatsächlichen (ggf. zu schätzenden) unter­neh­me­ri­schen Ver­wen­dung seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnet (sog. Teil­zu­ord­nung).
Die Zuordnungsentscheidung ist grundsätzlich im Zeitpunkt des Leistungs­bezugs zu treffen, kann aber bis zur Regelabgabefrist für Steuererklärungen (grundsätzlich 31.7. des Folgejahres, § 149 Abs. 2 Satz 1 AO) nach­träglich dokumentiert werden. Sie muss gegenüber der Finanzbehörde erklärt werden.
Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ist ein gewichtiges Indiz für die Frage, wie das o. g. Wahlrecht ausgeübt wurde.
Ohne die aktive Ausübung des Wahlrechts kann die Zuordnung zum Un­ter­neh­mens­vermögen nicht unterstellt werden.

Vorlagen des BFH

In diesem Zusammenhang legte der XI. Senat dem EuGH mehrere Fragen vor3, mit denen im Kern geklärt werden sollte, ob die o. g. Regelungen mit dem EU-Recht vereinbar sind, insbesondere ob die Frist des 31.7. und die Zuordnung zum Privatvermögen bei Nichtaussage zulässig sind. Erfreulich ist, dass die beiden Vorlageverfahren zwei echte Klassiker der Zu­ord­nungs­ent­schei­dung betreffen, nämlich einerseits eine gemischt-genutzte Pho­to­vol­taik­an­la­ge4 und ein häusliches Arbeitszimmer5. In beiden Fällen haben es die Unternehmer versäumt, die Zuordnungsentscheidung rechtzeitig ge­gen­über der Finanz­behörde zu dokumentieren.

Differenzierte Ent­schei­dung des EuGH und Wei­ter­ga­be an BFH

Der EuGH entschied mit seinen Urteilen vom 14.10.2021 nun differenziert. Grundsätzlich ist eine Zuordnungsfrist wie der o. g. 31.7. mit dem Unions­recht vereinbar. Jedoch muss beachtet werden, dass die Doku­mentation der Zuordnungsentscheidung nur ein formales Kriterium darstellt, die Zu­ord­nungs­ent­schei­dung selbst jedoch eine materielle Vor­aus­setzung für den Vor­steu­er­ab­zug ist. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann ein Ver­stoß gegen die formellen Anforderungen jedoch grundsätzlich nicht zum Ver­lust des Rechts auf Vorsteuerabzug führen6. Formelle Kriterien dürfen nur dann zu einem Verlust des Vorsteuerabzugs führen, wenn diese nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit notwendig sind. Daher muss der BFH nun in seinen Folgeentscheidungen feststellen, ob die aktuelle feste Zuordnungsfrist verhältnismäßig ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die nationalen Behörden die Möglichkeit haben, gegen einen nachlässig handelnden Unternehmer Sanktionen wie z. B. Geldstrafen zu verhängen. Solche Sanktionen beeinträchtigen den Neutralitätsgrundsatz weniger als die völlige Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug.

Praxishinweise

Verkürzt lässt sich die Rechtsprechung wie folgt zusammenfassen: Generell ist die Zuordnungsfrist 31.7. mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn diese verhältnismäßig ist. Dies muss nun der BFH prüfen. Damit bleibt die Unsicherheit aktuell noch bestehen. Es wäre z. B. auch denkbar, dass der BFH Erleichterungen bzgl. der Zuordnungsfrist für Steuererklärungen vorsieht, die von Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellt werden (analog zu § 149 Abs. 3 AO).

Weiterhin unklare Rechtslage

Aus praktischer Sicht sollte jedoch weiterhin darauf geachtet werden, die Zuordnungsfrist des 31.7. einzuhalten (bzw. 31.10.2021 für das Jahr 2020).

Am 31.7. sollte aus praktischer Sicht noch festgehalten werden

Die Aussagen des EuGH-Urteils7 deuten u. E. zumindest bei Photovoltaikanlagen darauf hin, dass hier eine große Chance für eine Zuordnung unabhängig der fristgerechten Dokumentation gegenüber der Finanzbehörde besteht, denn der Abschluss eines Vertrages zur Weitergabe des Stroms ist - so die EuGH-Rechtsprechung - ein Indiz für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]Bei unternehmerischer Nutzung von mindestens 10 %, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG.
  2.  ]Insoweit exemplarisch die Rechtsprechung des BFH, Urteile v. 7.7.2011 V R 42/09, BStBl 2014 II S. 76; v. 7.7.2011 V R 21/10, BStBl 2014 II S. 81; Verwaltungsauffassung vgl. Abschn. 15.2c UStAE.
  3.  ]BFH, Vorlagebeschlüsse v. 18.9.2019 XI R 7/19, BFH/NV 2020 S. 326; XI R 3/19, BFH/NV 2020 S. 321; BerP 4/2020 S. 186.
  4.  ]EuGH, Urteil v. 14.10.2021 C-46/20 (Finanzamt G), juris.
  5.  ]EuGH, Urteil v. 14.10.2021 C-45/20 (Finanzamt N), juris.
  6.  ]EuGH, Urteil v. 28.7.2016 C‑332/15 (Astone), BFH/NV 2016 S. 1535.
  7.  ]EuGH, Urteil v. 14.10.2021 C‑45/20 (Finanzamt N), C‑46/20 (Finanzamt G), juris, Rz. 48.