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Nichtrückkehrtag i. S. von Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz

Kategoriegrafik
Gericht / Az:
BFH, Urteil vom 30.9.2020 I R 37/17
Fundstelle:
juris
Gesetz:
Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz

Besteuerungs-grundsätze

Ein Grenzgänger (Arbeitsort in der Schweiz und Wohnsitz in Deutschland) hat seine Arbeits-Einkünfte in Deutschland zu versteuern. Dies gilt nur dann nicht, wenn mehr als 60 sog. beruflich veranlasste Nichtrückkehrtage1 vorliegen. Die Beweislast für die beruflich veranlasste Nichtrückkehr liegt beim Steu­er­pflich­ti­gen2. Es gibt eine Beweislasterleichterung bei „normalen“ Ar­beit­neh­mern bei großen Entfernungen zwischen Tätigkeits- und Wohnort3. Ist die 60-Tages-Grenze überschritten, dann erfolgt die Besteuerung in der Schweiz mit Pro­gressionsvorbehalt in Deutschland.

Besonderheiten bei COVID

Kann ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsort in der Schweiz nicht aufsuchen und muss er deswegen im Homeoffice arbeiten, liegt kein Nichtrückkehrtag vor4. Nach der Verwaltungsauffassung liegt auch dann kein Nichtrückkehrtag vor, wenn eine Tätigkeit in der Schweiz ausgeübt wird, der Arbeitnehmer wegen den Einschränkungen durch COVID nicht an seinen Wohnort zurückkehren kann, wenn der Arbeitgeber die Wohn- und Übernachtungskosten trägt5.

Praxishinweis

Diese Regelung ist abzulehnen, weil sie nicht im DBA verankert ist (näheres siehe später).

In den Zeiten, in denen die Einschränkungen aufgrund COVID gelten, reduziert sich die Nichtrückkehrgrenze; z. B. bei sechs Monaten Zwangs-Homeoffice auf 30 Tage6.

Praxishinweis

Staatliche Beihilfen

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass Schweizer staatliche Beihilfen aufgrund von COVID nur in der Schweiz zu versteuern sind.

Dienstreisen und Nichtrückkehrtage

Der BFH hat nun zur Problematik der Dienstreisen Stellung genommen und Folgendes entschieden:

a) Dienstreise in ein Drittland und direkte Rückkehr zur Wohnung

Der Rückkehrtag zählt - entgegen § 8 Abs. 1 Satz 3 KonsVerCHE - nicht zu den Nichtrückkehrtagen7.

b) Wochenend- und Feiertage

Hier liegen - entgegen § 8 Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHE - keine Nicht­rück­kehr­tage vor, wenn die Arbeit an diesen Tagen nicht ausdrücklich ver­ein­bart ist. Eine solche Vereinbarung liegt vor, wenn ein Freizeitausgleich ge­währt oder ein zusätzliches Entgelt bezahlt wird. Damit liegt bei einer frei­wil­li­gen Arbeit an diesen Tagen kein Nichtrückkehrtag vor8. Nicht zu entscheiden war ein Fall einer Dienstreise nach Deutschland ohne Rückkehr an den Wohnsitz. Hier liegt ein Nichtrückkehrtag vor9.

Praxishinweis

Es drängt sich die Frage auf, warum konnte das FG/der BFH zum Nachteil abweichend der KonsVerCHE entscheiden? Die Verwaltung ist doch an die KonsVerCHE gebunden! Streitig war hier auch, ob ein Fall des Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz vorliegt. Diese Frage hat sich mangels des Nichtüberschreitens der 60-Tagesregelung letztlich nicht gestellt.

Pikettdienste

Gleichfalls war die Frage von sog. Pikettdiensten in Schweizer Sozial­un­ter­neh­men nicht anhängig. Hier weicht die Rechtsprechung des FG Baden-Württemberg zugunsten der Steuerpflichtigen von der Ver­wal­tungs­auf­fass­ung und der Rechtsprechung des BFH ab10.

Praxishinweis

Unter Berufung auf die rechtskräftig gewordene Rechtsprechung des FG Baden-Württemberg11 sind hier Nichtrückkehrtage zu beantragen.

Wirkung von Konsultationsver-einbarungen

Der BFH bestätigt erneut, dass diese gegen den Vorrang von Gesetzen ver­stoßen und deswegen von den Gerichten nicht zu beachten sind. Gleich­wohl binden sie die Verwaltung.

Praxishinweise

Damit muss man stets entscheiden, ob man das Finanzgericht anruft, wenn positive Regelungen der KonsVerCHE im Streitfall zur Anwendung kommen.
Umgekehrt bedeutet es aber auch, dass eine negative Regelung in den KonsVerCHE von den Gerichten nicht zu beachten ist.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]Vgl. hierzu auch BerP 12/2018 S. 731 und BerP 6/2014 S. 322.
  2.  ]Vgl. hierzu auch Ausführungen im Skript „Veranlagung 2020/Rechtsänderungen 2020/2021“ S. 169.
  3.  ]BMF, Schreiben v. 25.10.2018 IV B 2 - S 1301-CHE/07/10015-09, BStBl 2018 I S. 1103; vgl. auch Ausführungen im Skript „Veranlagung 2020/Rechtsänderungen 2020/2021“ S. 170.
  4.  ]OFD Karlsruhe, Verfügung v. 6.7.2020 S 130.1/1601 St 217, A.1, juris.
  5.  ]OFD Karlsruhe, Verfügung v. 6.7.2020 S 130.1/1601 St 217, A.2, juris.
  6.  ]Vgl. hierzu auch Ausführungen im Skript „Veranlagung 2020/Rechtsänderungen 2020/2021“ S. 171.
  7.  ]Vgl. hierzu auch Ausführungen im Skript „Veranlagung 2020/Rechtsänderungen 2020/2021“ S. 173.
  8.  ]Vgl. hierzu auch Ausführungen im Skript „Veranlagung 2020/Rechtsänderungen 2020/2021“ S. 173.
  9.  ]Vgl. hierzu auch Ausführungen im Skript „Veranlagung 2020/Rechtsänderungen 2020/2021“ S. 173.
  10.  ]Näheres siehe hierzu Ausführungen im Skript „Veranlagung 2020/Rechtsänderungen 2020/2021“ S. 174 f.
  11.  ]FG Baden-Württemberg, Urteile v. 18.9.2014 3 K 1831/14, DStRE 2017 S. 78 und 3 K 1832/14, juris.