- Gericht / Az:
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BFH, Urteil vom 20.7.2018 IX R 5/15
- Fundstelle:
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juris
- Gesetz:
- § 17 EStG
- Streitfrage:
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Führen Einzahlungen in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme zu Anschaffungskosten?
Neue Regeln für Eigenkapitalersatz
Der BFH hat in mehreren Grundsatzentscheidungen1 in der Vergangenheit seine Rechtsprechung in Bezug auf die steuerliche Behandlung von sog. Finanzierungshilfen an Kapitalgesellschaften inzwischen grundlegend geändert2. So sind sog. „eigenkapitalersetzende Maßnahmen“ (beispielsweise Inanspruchnahmen aus Bürgschaften, die zu Gunsten eines Darlehens der GmbH übernommen wurden) inzwischen nicht mehr als Anschaffungskosten i. S. des § 17 EStG berücksichtigungsfähig. Gleiches gilt bei Gesellschafterdarlehen, wenn diese ausfallen.
Praxishinweis
Eine ausführliche Darstellung finden Sie in BerP 2018 S. 54.
Forderungsausfall führt zu § 20 Abs. 2 EStG
Praxishinweise
Endgültiger Verlust entscheidend
Verlustbeschrän-kung nach § 20 Abs. 6 EStG über Optionsantrag vermeidbar?
Was gilt bei Bürgschaftsinanspruchnahmen?
Unklar war bisher, was bei Bürgschaftsinanspruchnahmen eines Gesellschafters geschieht. Diese waren früher ebenfalls nachträgliche Anschaffungskosten, was in Zeiten des MoMiG jedoch nicht weiter gelten kann. Der Verlust aus der Bürgschaftsinanspruchnahme kann aber systematisch nicht unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG fallen.
Praxishinweis
Bisher zwar berücksichtigt, aber regelmäßig mit Wert 0 €
Die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten bei Bürgschaftsinanspruchnahmen wurde bislang mit dem Wert des Rückgriffanspruchs des Gesellschafters gegen die GmbH bewertet. In Krisenzeiten war dies meist ein Wert von 0 €, sodass bislang bei der Inanspruchnahme aus Bürgschaften faktisch keine steuerliche Berücksichtigung der Inanspruchnahme erfolgte. Aufgrund der vom BFH in seiner Grundsatzentscheidung12 gewährten Vertrauensschutzregelung für alle bis zum 27.9.2017 bestehenden Eigenkapitalersatzmaßnahmen, ist dieser Grundsatz weiterhin relevant.
BFH zeigt Gestaltung zur Vermeidung auf
In diesem Zusammenhang hat der BFH nun im Besprechungsurteil zwar nicht die Frage der Auswirkung von Bürgschaftsinanspruchnahmen beantwortet, aber er hat eine praktikable Ausweggestaltung - auch für Altfälle vor dem 27.9.2017 - aufgezeigt und damit die Grundsätze zur Behandlung von sog. „eigenkapitalersetzenden Maßnahmen“ fortentwickelt. Im Streitfall hatten die Gesellschafter einer GmbH für Darlehen der GmbH umfangreiche Bürgschaften übernommen. Um die Inanspruchnahme aus den Bürgschaften zu vermeiden, führten die Gesellschafter der GmbH Geldmittel in die Kapitalrücklage zu. Aus diesen Geldmitteln wurden die Bankdarlehen bedient und die Gesellschaft zeitnah für 0 € veräußert. Das Finanzamt sah die Einlage der Geldmittel, welche grundsätzlich zu nachträglichen Anschaffungskosten führt, als einen Fall des § 42 AO an und berücksichtigte damit die Geldzahlungen nicht, denn die Einlagen dienten letztlich nur zur Vermeidung einer - inzwischen steuerlich wohl unbeachtlichen - Bürgschaftsinanspruchnahme, die mit 0 € zu bewerten gewesen wäre.
Einlage zur Vermeidung der Bürgschaftsinanspruchnahme ist möglich
Der BFH widersprach dem. Auch Einlagen in die Kapitalrücklage im engen zeitlichen Zusammenhang zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme sind Einlagen in die Kapitalgesellschaft und somit nachträgliche Anschaffungskosten des Gesellschafters13. Sie wirken sich somit im Falle des Untergangs der Gesellschaft wenigstens mit dem Teileinkünfteverfahren steuerlich aus. Ein Fall des § 42 AO kann nicht vorliegen. Nach Zuführung der Finanzmittel ist die Gesellschaft in der Entscheidung der Verwendung frei14.
Praxishinweise
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- [ ↑ ]BFH, Urteile v. 11.7.2017 IX R 36/15, BFH/NV 2017 S. 1501; BerP 2017 S. 745; v. 24.10.2017 VIII R 13/15, BFH/NV 2018 S. 280; BerP 2018 S. 19.
- [ ↑ ]BerP 2017 S. 745; BerP 2018 S. 54.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 24.10.2017 VIII R 13/15, BFH/NV 2018 S. 280; BerP 2018 S. 19.
- [ ↑ ]BT-Drucksache 16/10189 v. 2.9.2008, S. 66.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 25.1.2000 VIII R 63/98, BStBl 2000 II S. 343.
- [ ↑ ]BFH, Urteile v. 27.11.2001 VIII R 36/00, BStBl 2002 II S. 731; v. 12.12.2000 VIII R 22/92, BStBl 2001 II S. 385.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 13.10.2015 IX R 41/14, BFH/NV 2016 S. 385.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 24.10.2017 VIII R 13/15, BFH/NV 2018 S. 280; BerP 2018 S. 19, Rz. 13.
- [ ↑ ]BFH, Pressemitteilung Nr. 77/2017 v. 20.12.2017.
- [ ↑ ]FG Münster, Urteil v. 12.3.2018 2 K 3127/15 E, EFG 2018 S. 947 (Revision Az. IX R 9/18).
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 24.10.2017 VIII R 13/15, BFH/NV 2018 S. 280, BerP 2018 S. 19, Rz. 18.
- [ ↑ ]BFH, Urteile v. 11.7.2017 IX R 36/15, BFH/NV 2017 S. 1501; BerP 2017 S. 745.
- [ ↑ ]So auch BFH, Urteile v. 25.8.2010 I R 103/09, BStBl 2011 II S. 215; v. 27.4.2000 I R 58/99, BStBl 2001 II S. 168; v. 14.3.2011 I R 40/10, BStBl 2012 II S. 281.
- [ ↑ ]BFH, Urteil v. 27.4.2000 I R 58/99, BStBl 2001 II S. 168.
- [ ↑ ]BFH, Urteile v. 20.7.2018 IX R 6/15, juris; v. 20.7.2018 IX R 7/15, juris.
- [ ↑ ]BFH, Pressemitteilung 61/2018 v. 21.11.2018.