- Gericht / Az:
- BVerfG, Urteil vom 10.4.2018 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12
- Gesetz:
- BewG
- Problemstellung:
- Ist das System der aktuellen Grundsteuer mit dem Verfassungsrecht vereinbar?
Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer
Doppelter Übergangszeitraum bis 31.12.2019 und 31.12.2024
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer war im Grunde so erwartet worden: Die Regelungen zur Bewertung von Grundvermögen sind mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar! Als Folge ist nun der Gesetzgeber in der Pflicht. Er muss bis spätestens zum 31.12.2019 eine Neuregelung treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die verfassungswidrigen Regelungen weiter angewandt werden. Danach müssen insgesamt mehr als 35 Millionen Grundvermögenseinheiten in Deutschland neu bewertet werden, was zwangsläufig viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Daher gewährt das Bundesverfassungsgericht auch einen zweiten Übergangszeitraum: Nach Verkündung der gesetzlichen Neuregelung dürfen die „alten Werte“ für weitere fünf Jahre, längstens aber bis zum 31.12.2024 der Besteuerung als Bemessungsgrundlage zugrunde werden. Es gilt also Folgendes:
Bis 31.12.2019 muss es eine neue gesetzliche Regelung zur Bewertung von Grundvermögen geben. Weil die Grundsteuer mit einem Aufkommen von zuletzt knapp 14 Mrd. € jährlich zu den wichtigsten - in vielen Fällen sogar die Wichtigste - Einnahmenquellen der Gemeinden gehört (und zudem noch konjunkturunabhängig und damit planbar ist), ist mit einer Neuregelung zu rechnen.
Warum doppelter Übergangszeitraum?
Die ungewöhnliche Anordnung der Fortgeltung nach der Verkündung der Neuregelung ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts durch die besonderen Sachgesetzlichkeiten der Grundsteuer geboten und von daher ausnahmsweise gerechtfertigt. Zur bundesweiten Neubewertung aller Grundstücke bedarf es eines außergewöhnlichen Umsetzungsaufwandes im Hinblick auf Zeit und Personal.
Zur genauen Begründung der Verfassungswidrigkeit führte das Bundesverfassungsgericht u. a. Folgendes aus: Die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen sind mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Art. 3 Abs. 1 GG lässt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Bewertungsvorschriften einen weiten Spielraum, verlangt aber ein in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander ein realitätsgerechtes Bewertungssystem. Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 führt zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt.
Ungleiche Wertentwicklungen müssen beachte werden
In Ballungsräumen könnte es zu höheren Grundsteuerlasten kommen
Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine Auseinanderentwicklung zwischen absolutem Verkehrswert und festgestelltem Einheitswert für sich genommen allerdings verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist. Würden die Einheitswerte in allen Fällen gleichmäßig hinter steigenden Verkehrswerten zurückbleiben, führte dies allein zu keiner verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung, da das Niveau der Einheitswerte untereinander in Relation zum Verkehrswert gleichbleibt. Dies hat aber nichts mit der gegenwärtigen Realität zu tun: In Ballungsräumen steigen die Grundstückspreise in Relation zu ländlichen Räumen deutlich stärker an. Dadurch kommt es zu einer Verhältnisverschiebung, die laut Bundesverfassungsgericht unzulässig ist. Die letztliche Konsequenz aus dieser Überlegung ist jedoch problematisch: Werden die Grundstückswerte in Ballungsräumen künftig in Relation zum ländlichen Raum höher, so könnte dies zu einer Verschiebung der Grundsteuerlast hin zu Ballungsräumen führen. Da die Grundsteuer zu den umlagefähigen Kosten zählt, verschärft dies den angespannten Wohnungsmarkt zusätzlich. Einzig durch Anpassungen der Hebesetze der Gemeinden könnte dies kompensiert werden. Ob und in welchem Umfang dies jedoch geschehen wird, bleibt abzuwarten.
Was bringt die Zukunft?
Wie die Grundsteuer in Zukunft aussieht, bleibt abzuwarten. Momentan werden vier Modelle diskutiert:
Praxishinweis
Aktuell besteht noch kein Handlungsbedarf. Es bleibt zunächst die Reaktion des Gesetzgebers abzuwarten.